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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 16.01.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 35

 

Bundesebene Sozialabbaupartei ersten Ranges ist, da nahe zu treten. Das kann nicht sein. Da würde sich ja die Welt verkehren! Das wäre der falsche Schritt. Deshalb werden wir uns sozusagen der Stimme enthalten. Wir sind der Meinung, es ist das Misstrauen gegen die Stadträtin durchaus erklärbar, es ist aber das Misstrauen gegenüber der FPÖ ein noch viel erklärbareres und stärkeres. Wir werden daher hier nicht mit Ihnen mitstimmen können. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Ich danke schön. - Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Hofrat Strobl. - Bitte.

 

GR Walter Strobl (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

 

Das Desaster im Sozialressort ist evident und ist noch verstärkt durch eine gewisse Art von Gestaltungsunwilligkeit, auch "Konzeptlosigkeit" genannt; wir haben das ja in den vielen Sitzungen, die in letzter Zeit zu diesem Thema abgehalten wurden, mehrfach aufgezeigt. Ich habe mir heute vorgenommen, einen kleinen Aspekt genauer zu beleuchten, einen Aspekt, der bisher, in den letzten Diskussionen, vielleicht zu kurz gekommen ist, nämlich die Frage der Kinderarmut in Wien. Kinderarmut in Wien ist ein zweifelsohne sehr umfassender Begriff, weil Kinderarmut nicht so einfach definiert werden kann. Es gibt aber Ansätze dazu, und ich darf dazu aus dem Bericht der Caritas Österreich ein paar markante Momente zitieren.

 

Demnach sind ungefähr 13 Prozent österreichweit armutsgefährdet, und das wird im Wesentlichen - und das ist ein schöner Zugang auch zu den Leistungen dieser Bundesregierung - durch die Sozial- und insbesondere die Familienleistungen kompensiert. Das ist also Sozial- und Familienpolitik, wie sie sich die ÖVP vorstellt und wie sie gemeinsam von der Bundesregierung gemacht wird - an der Sie sich ein Beispiel nehmen können, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Wären diese Leistungen nicht - so zeigt der Bericht -, dann wäre bei 26 Prozent der Bevölkerungsschicht, die Kinder hat, Kinderarmut gegeben.

 

Die Kinderarmut ist aber auch trotz Erwerbstätigkeit gegeben und hier ganz besonders bei den Mehrpersonenfamilien angesiedelt – also die Größe des Haushalts ist ausschlaggebend für die Armutssituation. Wir haben also in einem Bereich, wo es um die Ärmsten und um die Jüngsten geht, mit einer Folge zu tun, die als Ausgrenzung dann bis in die Schule hineinwirkt - ich werde das dann hier auch noch entsprechend darstellen.

 

Kinder sind - und das sagt diese Studie sehr deutlich - nach allen Untersuchungen eine Quelle wirtschaftlicher Benachteiligung. Und Elternarmut ist immer auch Kinderarmut, so heißt es hier. Die Armutsforschung spricht sogar von der "Infantilisierung der Armut". Die umfangreichen und öffentlichen Transfers, die Familien mit Kindern erhalten, tragen erheblich zur Senkung der Armutsrate von Kindern bei. Ebenso wirkt auch Kindergeld armutspräventiv, weil Armutsgefährdung am Lebensbeginn sehr hoch ist.

 

Meine Damen und Herren! Es geht also um die Kinder und die Jugendlichen unmittelbar nach ihrer Geburt: Welche Rahmenbedingungen finden sie einerseits natürlich in der Familie vor, und welche Rahmenbedingungen gibt andererseits die Gesellschaft - hier ganz konkret: was tut Wien?

 

Da muss man sagen - mehr dazu gibt es nicht, leider -, man muss sich in Wien einmal auf die Sozialhilfeempfänger stürzen und diese genauer durchleuchten. Da gibt es seit 1999 - in den letzten drei Jahren, die statistisch erfasst sind - einen Zuwachs um 69 Prozent! Es gibt um 69 Prozent mehr Sozialhilfeempfänger, und dabei sind bei den Neuvorsprachen 34 Prozent der Betroffenen Null- bis 14-Jährige. Also wenn man das hochrechnet, dass es in Wien einerseits insgesamt 13 Prozent Kinderarmut und andererseits hier eine Betroffenheitsquote von 34 Prozent gibt, dann ist das schon ein kleiner Hinweis darauf, dass dieser Anteil in Wien wahrscheinlich dramatisch höher ist, als er in den bisher dargestellten Berichten österreichweit zu finden und zu lesen ist.

 

Was aber, meine Damen und Herren, macht die SPÖ in dieser Frage?

 

Die GRÜNEN haben dazu einen Antrag eingebracht. Dieser wurde im letzten Gemeinderatsausschuss behandelt, und ich darf zitieren, wie die SPÖ diesen Antrag auf Vorlage eines Kinderarmutsberichts behandelt hat:

 

"Die Erstellung eines jährlichen Kinderarmutsberichts für Wien ist aus mehreren Gründen nicht zielführend." - Und jetzt muss man sich einmal anhören, womit das begründet wird! - "Theoretisches und praktisches Wissen über Armutsgefährdungen und ihre Ursachen sind in ausreichendem Maße vorhanden." - Na gut, das wäre ja einmal eine gute Startposition, würde ich sagen. - "Die Probleme sind bekannt," - auch das verstärkt die Überlegung, das auf Papier festzuhalten und damit für alle zugänglich zu machen - "und auch die Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Organisationen wie zum Beispiel der Caritas funktioniert gut. Gerade Wien hat viele Maßnahmen ergriffen, um Armut und Ausgrenzung von Kindern möglichst zu verhindern." - Und dann wird angeführt, in welchen Bereichen: Schul-, Freizeitbereich, Sozialhilfe, Jugendwohlfahrt et cetera.

 

Es stellt sich nun die Frage: Wenn das alles vorhanden ist und gemacht wird, warum kann man das nicht zu Papier bringen und in einem Bericht einmal im Jahr, so wie das auf Bundesebene auch der Fall ist, ganz konkret für Wien vorlegen?

 

Meine Damen und Herren von der SPÖ! Sie drücken sich hier vor der Verantwortung! Sie scheuen offenbar davor zurück - und offenbar haben Sie einen Grund dafür -, offen zu legen, was sich in Wien tatsächlich, aber in einem hohen Ausmaß versteckt an Kinderarmut abspielt.

 

Ich habe mir daher die Frage gestellt und überlegt, wie nun die Kinderarmut - die neben den ökonomischen Rahmenbedingungen über die Eltern auch aus dem heraus erwächst, was mit dem Begriff "soziale Deprivation" bezeichnet wird - für die Kinder verbessert werden könnte. Da zeigt sich europaweit ein Trend, und das ist die Betreuung, die ganztägige Betreuung von Kindern,

 

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