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Gemeinderat, 32. Sitzung vom 24.09.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 63

 

erteile ihr das Wort.

 

GRin Waltraud Cecile Cordon (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Bei der Rede von Frau GRin Matzka-Dojder habe ich mir gedacht, nur einen Takt aus dieser Riege möchte einmal hören, was Selbstkritik betrifft. (GR Godwin Schuster: Sie hat sich sogar entschuldigt, wenn Sie das nicht gehört haben!) Sie betonieren sich ein! Es ist zum Heulen! (GR Rudolf Hundstorfer: Hören Sie doch zu, bevor Sie hier etwas Falsches behaupten!) Aber gut, das haben wir auch so erwartet. (GRin Inge Zankl: Selektive Wahrnehmung!)

 

Wenn Sie sich beruhigt haben, dann darf ich auch reden. Wir haben schon sehr viel über das Problem der Achtbettzimmer gehört. Darauf möchte ich jetzt nicht mehr eingehen.

 

Was sich mir bei all dem, was in letzter Zeit über die Medien gegangen ist, vermittelt hat, war die Überschrift "alte Menschen zu Trotteln gepflegt". Das war die Überschrift eines Zeitungsartikels zur Pflegemisere. Genau das ist eines der größten Probleme in den Pflegeheimen und ich sage jetzt absichtlich "Pflegeheimen", nämlich die Menschen in die Betten zu pflegen und ihnen damit jeden Sinn im Leben zu nehmen.

 

Und zugegeben, auch alte Menschen können störrisch sein, aufsässig, unglücklich und daher sehr wenig ansprechbar.

 

Und das ist nicht das Problem des Pflegepersonals. Es ist das Problem der Politik.

 

Und ich habe es wirklich genossen gestern im "Report", nachdem eine Ärztin gesagt hat: Für uns sind die Pflegeheimbewohner Patienten. Und ich sagte: Nein, bitte nicht. Und Frau Elisabeth Seidl hat sich dann zu Wort gemeldet und hat wirklich das gesagt, was für mich das Richtige ist. Wenn man lange genug jemandem sagt, Sie sind ein Patient, dann wird er auch noch krank, auch wenn er vorher vielleicht nur alt war und eben mit allen Alterserscheinungen zu tun hatte.

 

Wie gesagt, es ist eine politische Entscheidung, hier grundsätzliche Strukturreformen durchzuführen mit einem neuen Pflege- und Betreuungskonzept. Und ich glaube sogar, dass Sie mit einem zeitgerechten, neuen Konzept Pflegepersonal einsparen würden.

 

Lesen Sie doch einmal die bereits vorhandenen Pflegekonzepte. Hier: "Geriatrische Pflege morgen wird in ihrer Quantität an Bedeutung zunehmen, wird in ihrer Qualität stark beeinflusst durch den politischen Willen. Wir erwarten von gesundheitspolitischen Entscheidungsträgern: Stellen Sie sich mit uns gemeinsam an die Seite der alten Menschen, hören Sie auf uns Fachleute." – Das ist bitte ein Aufschrei von Fachleuten, im konkreten Fall von Frau Pflegedirektorin Christine Schell.

 

"Diskutieren Sie in Zeiten von knappen Ressourcen nicht nur über den Preis, sondern auch über den nachhaltigen Wert." Das ist, wie gesagt, aus den eigenen Reihen Ihres Pflegepersonals.

 

Warum ist es so schwer, umzudenken in Ihrer Politik? Die SPÖ ist durch ihre Machtstrukturen so ein bissel schwerfällig. Das muss man leider immer wieder feststellen.

 

Aber ich glaube, ein Grund ist auch, dass die Verantwortlichen ein Pflegeheim immer noch als Geriatriezentrum verstehen. Und was heißt Geriatrie? Geriatrie ist Alters- und Greisenheilkunde. Heilkunde laut Wahrig. Das heißt, man hat es in seinem System nahe an ein Krankenhaus angesiedelt und sieht es in erster Instanz als Ort der medizinischen Behandlung.

 

 Aber ich würde sagen: Das ist nicht vorrangig die Position, die für ein Pflegeheim das Richtige ist. Das war schon meine Rede im Gesundheitsausschuss bei der Umbenennung der Pflegeheime Klosterneuburg und so weiter in Geriatriezentren.

 

Und deswegen habe ich auch dieses Mal in der Geriatriekommission gemeint, dass vielleicht der Krankenanstaltenverbund hier nicht der richtige Partner ist, auch für die Pflegeheime. Natürlich sollen Krankheiten behandelt werden, das ist ganz klar, oder Schmerzzustände gelindert werden, das ist auch selbstverständlich. Das, was die Medizin heilen kann, das sei bei ihr angesiedelt. Aber leider kann sie nicht alles heilen. Wir sind noch nicht unsterblich.

 

Manche Menschen kommen in Pflege, und das ist für sie die letzte Wohnung, die sie beziehen. Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie werden gezwungen, eine Wohnung zu beziehen, die wirklich nur aus einem Bett und einem Nachtkästchen besteht. Und dann einen halben Meter weiter ist schon wieder ein Bett mit einem Nachtkästchen, das von einem Menschen besiedelt wird. Dazwischen ist keine Trennwand, und jederzeit marschiert irgendjemand durch Ihren privaten Bereich. Keinerlei Abschottung gegen dauernde Anwesenheit anderer Menschen. Ihre Intimsphäre ist gleich Null – und das bis zum Ende Ihres Lebens.

 

Als Beispiel will ich Ihnen die Geschichte einer alten Dame erzählen. Sie ist auf der Baumgartner Höhe. Die Pflegeschwester hat mit ihr Probleme, weil sie angeblich schwer hört. Sie hat mit der Tochter darüber gesprochen und gemeint, man solle ihr doch jetzt einen Hörapparat kaufen, es sei so sinnvoll, um einfach die Kommunikation besser durchführen zu können.

 

Die Tochter sprach mit der alten Dame, und die alte Dame hat gesagt: Ich höre sehr gut. Aber ich will nicht alles hören, und ich will vor allem nicht alles hören, wenn sie über mich wie über einen Gegenstand neben meinem Bett reden. Ich will keinen Hörapparat, und ich will nicht alles hören, denn wie kann ich mich sonst schützen. – Und das finde ich wirklich einen Fall, der also schon sehr erschütternd ist.

 

Ja, und des Weiteren droht der alten Dame jetzt ein Sachwalter. Und warum? Weil sie gewisse medizinische Eingriffe verweigert. Das heißt , sie will nicht künstlich ernährt werden, sie will keine Sonden eingeführt und sonstige Schläuche irgendwo deponiert. Der Sachwalter soll also in Zukunft darüber bestimmen, was mit der alten Dame gemacht wird. Obwohl die Tochter, ich muss das dazusagen, eine Vollmacht hat, für ihre Mutter gewisse Dinge zu entscheiden.

 

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