Gemeinderat,
25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 47 von 91
diesem Staat schaffen beziehungsweise erhalten. (Beifall
bei der ÖVP.)
Ich möchte vor allem auf Wien zu sprechen kommen.
Wien ist wettbewerbsfähig und kann von dieser Liberalisierung profitieren, was
die Wirtschaft betrifft. In den letzten Jahren haben wir hier ja - zum Teil auch
gemeinsam - alles unternommen, um unsere Stadt als attraktiven
Dienstleistungsstandort zu erhalten, aufzuwerten und international zu
positionieren. Wir alle wissen, dass der Dienstleistungssektor - und das hat
auch der Herr Vizebürgermeister in seiner Mitteilung erwähnt - der
prosperierende Wirtschaftssektor nicht nur im Staat, sondern insbesondere in
Wien ist und dass die Wiener Dienstleistungsbetriebe nicht nur regionale
Anbieter, sondern durchaus auch international wettbewerbsfähig sind. Wir haben
sogar selbst ein Wirtschaftsförderungsprogramm ins Leben gerufen, um diese
Wettbewerbsfähigkeit noch zu fördern und zu unterstützen.
Natürlich brauchen auch diese Betriebe, wenn sie die
Chancen und Möglichkeiten wahrnehmen wollen, Unterstützung. Sie wünschen sich
internationale Vereinbarungen, die den Zugang - erstens einmal - eindeutig mit
Rechtssicherheit regeln und womöglich auch erleichtern. Der
Dienstleistungsexport macht österreichweit rund die Hälfte des Warenexportes
aus. Das ist schon etwas, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir diesen
Teil der Wirtschaft stärken können, dann muss man das positiv sehen, das geht
gar nicht anders. Wien ist österreichweit der größte Dienstleistungsexporteur -
das liegt an der Struktur unserer Wirtschaft, das habe ich schon erwähnt -, und
wenn man sich die Mühe macht und regionale Kennzahlen für Wien betrachtet, dann
ergibt sich, dass Wien 43 Prozent seiner Bruttowertschöpfung mit den
ungebundenen Dienstleistungen erzielt. Das sind genau diejenigen, die vom GATS-Abkommen
profitieren sollen.
Nun erhebt sich auch die Frage - vielleicht sogar nur
die rhetorische Frage -: Gibt es Profiteure in der Wirtschaft, die dann zu
Lasten Schwächerer in den Genuss des Profits kommen? Da muss ich noch einmal
auf diese Irreführung, was die Befürchtungen hinsichtlich der Daseinsvorsorge
betrifft, zu sprechen kommen. Denn die Daseinsvorsorge, wie wir sie verstehen:
als optimale Versorgung der Bürger mit den notwendigen Dienstleistungen, ist
wohl durch das GATS nicht in Gefahr zu bringen.
Die EU-Kommission hat im November 2002 im Internet
die Sektoren bekannt gegeben - wieder Beweis für die Informationspolitik -, die
sie aus den Forderungen an die Drittstaaten ausgenommen hat. An dem Katalog
sieht man schon, dass das die öffentlichen Dienstleistungen und die notwendige
- ich sage es jetzt noch einmal - Daseinsvorsorge für die Bevölkerung bis hin
zu den Schwachen jedenfalls nicht jene Gefahren bringt, die hier von manchen
Rednern so drastisch dargestellt worden sind.
Dass bei Liberalisierungen natürlich gewisse
Mindeststandards, Qualitätsstandards und Spielregeln gelten müssen, die das
Allgemeinwohl erhalten, ist ganz klar. Das ist eben Aufgabe der
nationalstaatlichen Regelung. Ich glaube, diese wird entsprechend wahrzunehmen
sein und wird auch von unserer Bundesregierung wahrgenommen.
Ich möchte zum Abschluss noch einmal davor warnen,
und ich bedauere es sehr, dass gerade zu diesem Thema, das für die weitere
Zukunft sowohl für die Wirtschaft als auch für die Bürger sehr wichtig ist, die
Desinformanten unterwegs sind. Es ist natürlich sehr leicht, meine Damen und
Herren, wenn ich mit plakativen Schlagworten, die noch dazu falsch sind, Panik
mache. Solche falschen Schlagworte haben es an sich, dass sie meist auf
fruchtbareren Boden fallen als die sachliche und wertfreie Darstellung einer
sehr komplexen Materie. (GR Mag Rüdiger Maresch: Das ist falsch! Das haben
wir auch nicht gemacht!) Es ist immer schwieriger, eine komplexe Materie so
darzustellen, dass jeder Bürger sofort in alle Hintergründe geführt wird, als
wenn ich einfach mit einem Schlagwort sage: Wir werden kein qualitativ
hochwertiges Wasser mehr zu trinken haben. - Ein solche Satz ist sehr viel
leichter anzubringen als die wahre Information.
Ich appelliere an alle Fraktionen dieses Hauses, das
ernst zu nehmen. Denn nur so hat der politische Diskussionsprozess auch einen
Sinn, dass wir eine gemeinsame Vorgangsweise finden und dass nicht einzelne
Fraktionen oder eine Fraktion ausschert, um genau das Gegenteil zu bewirken. - Danke.
(Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum
Wort gemeldet ist Herr Mag Thomas Reindl. Ich erteile es ihm.
GR Mag Thomas Reindl (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Ich möchte kurz auf meine Vorrednerin replizieren.
Wissen Sie, Frau Kollegin, gerade das ist ja das Teuflische, dass bei einem so
komplexen Thema sozusagen auf der einen Seite vielleicht die extreme
Überzeichnung steht, aber ich bei Ihnen doch auch sehr viele Verharmlosungen
gehört habe: Das wird ohnehin nicht verschwiegen; es ist alles gar nicht so
arg; es ist ja für die Menschen, es ist nicht gegen die Menschen. - Ich glaube,
da muss man ein Mittelgewicht finden, weil diese Prozesse, die jetzt
stattfinden, irreversibel sind. Natürlich können wir diese Prozesse jetzt
beeinflussen, aber sobald einmal die Beschlüsse gefallen sind, ist es zu spät.
An einem kleinen Beispiel aus dem Finanzwesen möchte ich
Ihnen ganz kurz zeigen, wie Liberalisierung von Dienstleistung stattfindet und
welche Gefahren darin stecken, wenn man nicht sorgsam damit umgeht. Ein großer
Bereich ist ja die Liberalisierung der Finanzdienstleistungen. Im GATS wird
unter anderem gefordert, dass die Länder zum Beispiel die Anzahl der
Niederlassungen ausländischer Banken nicht begrenzen dürfen, Geschäfte mit
ausländischen Banken sind auch in ausländischer Währung zuzulassen. Das alles
sind für uns Selbstverständlichkeiten, aber für die unterentwickelten Länder,
für die Entwicklungsländer, für die das, wie Herr Schock gesagt hat, gerade so
gut ist, trifft das nicht in allen Fällen zu. Pakistan zum Beispiel darf
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