Gemeinderat,
21. Sitzung vom 27.11.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 66 von 122
Übrigen nicht nur ich, ich gehe davon aus, auch viele von
Ihnen - monatein, monataus mit vielen, vielen Zuwandererfamilien zu tun, die
ganz, ganz dringend eine Wohnung brauchen, die nach wie vor zu fünft, zu sechst
in Kellerwohnungen wohnen, also unter unerträglichen Verhältnissen, muss man sagen,
hausen und die mit diesen 1 000, vielleicht werden es heuer 1 500
Gemeindewohnungen, die für Notfälle zu Verfügung stehen, ganz sicher nicht das
Auslangen finden können. Das heißt, auch in Sachen Öffnung des Gemeindebaus
muss ich sagen: Leider zu zögerlich, leider unerledigt.
Punkt 3: Schule, Schulpolitik. Also ich könnte
fast wetten, dass nach meiner Rede jemand von der SPÖ herauskommen wird und
sagen wird: Es ist empörend, was ich hier behauptet habe über das Schulsystem,
es funktioniert doch hervorragend, wir können stolz sein auf unsere Schulen und
unsere Schulpolitik ist doch ein Vorzeigeprojekt, nach wie vor kommen
Delegationen aus anderen Ländern, um sich unser System der Betreuung von
Zuwandererkindern in der Schule anzuschauen.
Es kann sogar im Einzelnen und fallweise der Fall
sein. Aber eine Studie der UNICEF - die im Übrigen, wenn ich mich nicht irre,
diesen Montag veröffentlicht wurde - spricht eine ganz andere Sprache. Und erlauben
Sie mir hier zu zitieren, denn ich finde das sehr, sehr spannend, was in dieser
Studie gestanden hat.
Also Titel: "Österreichs Schulen:
Migrantenkinder benachteiligt." Erster Absatz: "Kinder aus
Migrantenfamilien sind an österreichischen Schulen stärker benachteiligt, als
in den meisten anderen OECD-Staaten. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des
UN-Kinderhilfswerks UNICEF." Und weiters, obwohl Österreich verhältnismäßig
gut, also im Mittelfeld sozusagen, abschneidet: "Einen Ausreißer bei den
relativ guten Ergebnissen Österreichs bildet der Umstand, dass die
Benachteiligungen für Kinder aus Migrantenfamilien dreimal so hoch wie in
anderen Staaten sind. So liegt der Prozentsatz von Migrantenkindern, die nur
schlecht lesen können, in Österreich bei rund 40 Prozent."
Und des Weiteren wird in dieser Studie festgestellt,
dass kein Zusammenhang besteht zwischen dem, wie ein Land abschneidet, und wie
hoch die Bildungsausgaben sind in dem entsprechenden Land. Also, ein Beispiel:
So sind etwa die staatlichen Ausgaben pro Schüler in Südkorea und Griechenland
etwa gleich hoch, Südkorea rangiert im UNICEF-Vergleich allerdings auf Rang
eins, Griechenland am vorletzten Platz. Österreich ist, wie gesagt, knapp
irgendwo über Griechenland zu finden.
Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nicht
vorschlagen, dass wir allesamt eine Reise nach Südkorea antreten, um uns dort
anzuschauen, wie es funktioniert und was die denn machen, dass sie so viel
besser abschneiden. Aber zum Beispiel Finnland wäre ja auch ein bisschen näher
und Finnland schneidet hervorragend ab.
Und was ich nicht richtig finde, ist, wenn man
jahrein, jahraus hier herauskommt und sich hochzufrieden selbst lobt, selbst
lobt für ein Schulsystem, das aber nach wie vor Zuwandererkinder stark
benachteiligt. 40 Prozent, rufe ich noch einmal in Erinnerung, haben
gröbere Schwächen beim Lesen.
Und Migrantenkinder sind nicht irgendeine kleine
Gruppe, gerade im Wiener Schulsystem, sie sind jedes dritte Kind. Das heißt, in
Wien, und das belegt diese Studie, haben wir ein größeres Schulproblem zu
lösen. Dieses Schulproblem ist, und das belegt diese Studie auch, nicht
notwendigerweise mit höheren Ausgaben zu lösen, sondern dadurch, dass man sich
hinsetzt, dass man nachdenkt, dass man sich anschaut, wie machen es andere
Länder besser, wie schaffen sie es, dass es dort besser funktioniert, und dass
man die entsprechenden Konzepte auch für Wien entwickelt.
Ich denke, nach eineinhalb Jahren SPÖ-Alleinregierung
ist es an der Zeit, dass man sich hinsetzt und etwas überlegt. - Wir GRÜNE
stehen übrigens zum Mitüberlegen jederzeit zur Verfügung.
4. Punkt: MigrantInnen im öffentlichen Dienst.
Nach wie vor: Nur ein verschwindend geringer Anteil von Zuwanderern arbeitet im
Dienst der Stadt Wien, und das noch dazu konzentriert auf nur ein paar wenige
Sparten. Ausgenommen natürlich davon jetzt der Gesundheits- und Pflegebereich,
wo ja doch dort eine andere Situation, aber auch eine spezifische Situation
vorliegt.
Ist es oder ist es nicht Aufgabe einer ernst
gemeinten Integrationspolitik, noch dazu in einer Stadt mit 25 Prozent
Zuwandereranteil in der Bevölkerung, dafür zu sorgen, dass diese langsam, aber
sicher auch im öffentlichen Dienst repräsentiert sind? - Das ist es schon. Und
wie schafft man so etwas? - Das wissen wir alle. Indem es
MigrantInnen-Förderungspläne in der Stadt gibt und indem es endlich ein dazu
passendes Antidiskriminierungsgesetz gibt, das diese MigrantInnen-Pläne
einerseits vorschreibt und andererseits reguliert, wie sie denn umzusetzen sind
und was passiert, wenn sie nicht eingehalten werden.
Meine Damen und Herren! Ein Antidiskriminierungsgesetz
ist ebenfalls zu Beginn dieser Legislaturperiode angekündigt worden. Bis heute
haben wir außer einer Pressemeldung vor ungefähr eineinhalb Jahren nichts mehr
gesehen und nichts mehr gehört.
Auch da muss ich sagen: Ja, gute Bekenntnisse, gute
Vorsätze, aber aus Sicht der Opposition und nach Informationsstand der
Opposition heute leider unerledigt.
Ein letztes Problem, das ich noch anmerken möchte und das
auch so in diese Bilanz des Unerledigten hineinfällt: Einbürgerungspolitik. Ja,
es stimmt und es macht mich auch sehr froh, dass Wien Spitzenreiter, Spitzenreiterin
ist bei den Einbürgerungen in Österreich. Doch diejenigen, die sich damit
auseinander setzen in dem Bereich wissen auch, dass es in der MA 61, die
für Einbürgerungsverfahren zuständig ist, einen enormen, einen massiven Andrang
gegeben hat im vergangenen Jahr, nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, dass
die ehemaligen bosnischen Flüchtlinge jetzt langsam diese etwa 8-Jahres-, 9-Jahres-,
10-Jahres-Marke überschreiten und nun sozusagen fast alle - jetzt will ich es
plakativ formulieren - nicht unbedingt gleichzeitig, aber fast
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular