Gemeinderat,
19. Sitzung vom 26.09.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 62 von 70
unmöglich, sich frei zu bewegen."
Ich bin froh, dass das offensichtlich nur dem subjektiven
Eindruck des Autors entspricht, denn ich glaube wirklich nicht, dass das der
Realität der Stadt entsprechen würde, weil sonst könnten Sie, von der Sozialdemokratie,
nicht sagen: "Wien ist die sicherste Stadt.", wenn Sie das
gleichzeitig als richtig ansehen. Aber auf der anderen Seite, bei den Globalisierungsgegnern,
schreibt man das ganz anders: "Noch gibt es jedenfalls in der
Widerstandsbewegung gegen die Globalisierung keine übergreifende revolutionäre
Philosophie, zu der sich alle Mitglieder bekennen. Aber das darf nicht als
Legitimation verstanden werden, wohl aufgepasst, dass man Zehntausende Demonstranten
als weltfremde Idealisten und potenzielle Gewalttäterinnen und Gewalttäter
abhandelt." - Bitte, dort sind nicht potenzielle darunter gewesen, sondern
tatsächliche Gewalttäter.
In Salzburg genauso, Herr Kollege Ellensohn. Sie
waren ein bisschen näher dran als ich. Sie werden das vielleicht besser wissen.
Aber genauso in Genua. Dort kam es tatsächlich zu
toten Menschen. (GR Dipl Ing Martin Margulies: Zu toten Demonstranten, um
das klarzustellen!) - Zu toten Menschen! Zu toten Menschen! Ob er demonstriert
oder Polizist ist, ist für mich gleichgültig! Er ist in jedem Fall ein Mensch!
Herr Kollege, dass Sie offensichtlich zwischen Demonstranten und Polizisten
einen Unterschied machen, dass der Protestant für Sie ein Mensch ist und der
Polizist offensichtlich kein Mensch, also offensichtlich ein Objekt, ist, gegen
das man mutwillig Gewalt anwenden kann, ist genau das, was Sie kennzeichnet,
weil das ist nämlich die Politik, die Sie signalisiert haben! (Beifall bei
der FPÖ. - GR Mag Christoph Chorherr: Das hat er doch nicht gesagt!)
Sie, meine Damen und Herren
von der Sozialdemokratie, sollten sich wirklich überlegen, mit wem Sie ständig
solche Koalitionsträumereien eingehen, wenn Sie auf der anderen Seite vor Augen
geführt bekommen, wie man es mit der Gewalt hält, wenn man offensichtlich nicht
dazu bereit ist, allen Menschen gleichzeitig das Menschenrecht zuzugestehen, es
zwar von hier aus zu verlangen, aber dann überhaupt kein Problem damit hat,
wenn der Herr Kollege hier sagt, Demonstranten sind Menschen, offensichtlich
meinend, dass jemand, der nicht protestiert, der nicht gewalttätig ist, nicht
zu den Menschen zählt. Ich zähle mich hiermit gerne nicht zu den Menschen im
Sinne der grünen Definition. Ich glaube, dass ich aber im allgemeinen
humanistischen Diskurs sehr wohl dieses Kriterium erfülle. Wenn ich mich dabei
von Ihnen unterscheide, habe ich kein Problem damit! (Beifall bei der FPÖ. -
GR Dipl Ing Martin Margulies: Sie haben aber bestimmt viele andere Probleme!
Davon bin ich überzeugt!)
Vorsitzender
GR Rudolf Hundstorfer: Als Nächster ist Herr GR Wutzlhofer zum
Wort gemeldet. - Bitte.
GR Jürgen Wutzlhofer (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Herr Vorsitzender! Herr
Berichterstatter! Sehr geehrte Damen und Herren!
Viel von den inhaltlichen Dingen zum Akt hat meine
Vorrednerin schon festgehalten.
Zu den Ausführungen von Herrn GR RUDOLPH möchte ich
nicht weiter Stellung nehmen. Ich bin nur einigermaßen darüber verwundert, dass
Sie sich darüber mokieren, wenn sich eine Wissenschafterin schockiert zeigt,
dass Neonazis durch die Innenstadt gehen. Wir werden Ihnen nicht den Gefallen
tun, dass wir nur jene Wissenschafterinnen und Wissenschafter unterstützen, die
die gleiche Meinung wie Sie haben, auch wenn das offensichtlich Ihr Zugang in
der Bundesregierung ist! (Beifall bei der SPÖ.)
Es geht um das Institut für Jugendforschung. Dazu
möchte ich nur ein paar wenige Fakten aus der Sicht der Politik der Stadt Wien
bringen. Das ÖIJ ist ein wissenschaftliches Institut, das hervorragende Arbeit
leistet. Das Österreichische Institut für Jugendforschung ist ein Vorreiter für
das Gebiet der Familienforschung, der Jugendforschung und der Trendforschung.
Das Österreichische Institut leistet einen wesentlichen Beitrag für die Arbeit
all jener, die sich in diesem Land mit Kinder- und Jugendpolitik und mit
Kinder- und Jugendarbeit befassen. Genau deshalb brauchen wir in Wien das ÖIJ.
Wenn die Bundesregierung kein Interesse daran haben
sollte, welche Interessen Jugendliche haben, welche Bedürfnisse Jugendliche
haben, wie Jugendliche denn so leben, dann ist es nur Ausdruck Ihrer
Zukunftsfeindlichkeit, denn wir interessieren uns für die wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit Beteiligungschancen von Jugendlichen. Wir brauchen Daten
über die Übergänge, die Jugendliche von der Schule und von der Ausbildung in
die Arbeitswelt haben. Wir wollen sehr wohl wissen, welche neuen Erkenntnisse
es im Bereich der Integration von Jugendlichen aus der zweiten Generation gibt,
wie man Rassismus begegnen und wie man süchtigen Jugendlichen helfen kann, weil
wir in Wien Politik für Jugendliche machen. Wir wollen gleiche Chancen auf Bildung,
und zwar unabhängig von der Geldtasche der Eltern, nicht so wie die
Bundesregierung, die die Studiengebühren einführt. Wir arbeiten dafür, dass
junge Menschen eine Perspektive und einen Job haben. Das ist angesichts einer
Bundesregierung, die zu verantworten hat, dass wir die größte Jugendarbeitslosigkeit
der Zweiten Republik haben, ein besonders wichtiges Unterfangen. Wir schaffen
Mitbestimmung nicht ab, zuletzt gesehen im Universitätsgesetz der Bundesregierung,
sondern wir bauen sie auf. (Beifall bei der SPÖ.)
Mit dem Zugang, wer zuhören kann, der muss auch
zuhören, das werden Sie noch lernen. Wir werden mit den Jugendlichen nicht so
weit kommen. Daher ist Mitbestimmung von Jugendlichen und dass wir sie dort
ernst nehmen, wo sie sich selbst artikulieren können, Grundlage unserer
Politik, während andere die Zukunft junger Menschen zerstören! Lassen wir sie
selbst mitbestimmen! Wir werden in Wien das Wahlalter senken.
Weil wir mit Menschen arbeiten, brauchen wir Forschungseinrichtungen
wie das ÖIJ, denn wir sind nicht nur am eigenen Machterhalt interessiert! (Beifall
bei der SPÖ.)
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