Gemeinderat,
14. Sitzung vom 22.03.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 14 von 81
um.
GRin Mag
Heidemarie Unterreiner (fortsetzend): Eisenmenger war Direktor, hat aber in dieser Zeit seinen Kollegen sehr
geholfen. Und weil Sie mit einem Zitat gekommen sind, habe ich hier auch eines,
und zwar von StR Viktor Matejka. Er würdigte in einem Schreiben die menschliche
und die künstlerische Haltung Eisenmengers in der abgelaufenen Periode - das
schrieb er 1945. Also dieses politische, ideologische Argument, das Holender
damals als Begründung dafür verwendet hat, dass er dieses Werk verhängen müsse,
kann nicht gelten.
Ich frage Sie daher noch einmal: Finden Sie es angesichts
des Wissens um die Entstehung des
Kunstwerks, aber auch des Wissens um die Person Eisenmenger nicht unwürdig,
dass man ein Kunstwerk im Nachhinein verhängt?
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf StR
Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Nein.
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Wir kommen zur zweiten Zusatzfrage. Sie wird
von Frau GRin Ringler gestellt. - Bitte.
GRin Marie Ringler
(Grüner Klub im Rathaus): Herr Stadtrat!
In diesem
Fall sind wir, glaube ich, ganz einer Meinung. (GR Heinz Christian Strache: Wo
nicht! Wo nicht!) Ich kann mich da nur Ihrer Position anschließen. Die Arbeiten
des "museum in progress" in der Staatsoper sind, glaube ich, nicht
nur international sehr anerkannt, sondern haben auch in Österreich, auch beim
Publikum, viel Zustimmung gefunden.
Ich
erlaube mir aber in diesem Zusammenhang, die Gelegenheit zu nutzen und ein
anderes Thema im Bereich der Oper anzusprechen, das die Wienerinnen und Wiener
bewegt, nämlich die Frage der Zukunft der Vereinigten Bühnen. Es gibt von Ihrer
Seite ja Aussagen über eine Studie, die Ende März, so haben Sie im letzten
Kulturausschuss gesagt, veröffentlicht werden soll. Ich habe an anderer Stelle
gelesen, es wird April werden.
Wie stellt
sich nun das Veröffentlichungsdatum dieser Studie dar und gibt es bereits
Zwischenergebnisse, von denen Sie uns berichten können?
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr geehrte Frau Gemeinderätin!
Die Studie liegt noch nicht vor. Sie ist auch nicht
von uns in Auftrag gegeben worden, sondern von den Vereinigten Bühnen Wien. So
wie ich informiert bin, ist die Studie in einem Stadium des
Fertiggestelltwerdens, und sobald sie vorliegt, werden sie uns die Vereinigten
Bühnen vorlegen, und dann werden wir sie sicher auch gemeinsam der
Öffentlichkeit präsentieren. Nach den Informationen, die ich habe, wird sie
jetzt mit Ende April vorgelegt werden.
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Danke schön. - Dritte Zusatzfrage: Herr GR Dr
Salcher, bitte.
GR Dr Andreas Salcher
(ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Sehr geehrter Herr Stadtrat!
Frau
Kollegin Unterreiner bringt heute nicht nur Sie in die Schwierigkeit, am frühen
Morgen auf eine Frage antworten zu müssen, für die Sie offenkundig nicht zuständig
sind, sondern auch ich muss jetzt sozusagen einem Stadtrat eine Zusatzfrage zu
einer Frage, für die er nicht zuständig ist, stellen. Ich werde es daher versuchen
und vielleicht gelingt es mir doch.
Es geht
mir nämlich um die Frage, die dahinter steht: Wie gehen wir eigentlich in der
Stadt insgesamt mit Kulturgütern um, deren Entstehung entweder in die Zeit des
totalitären Regimes der Nazis fällt oder die von Künstlern gestaltet wurden,
die mit diesem Regime, in welcher Form auch immer, in Berührung gekommen sind?
Da gibt es, wie Sie wissen, Tafeln an Gemeindebauten, da gibt es
Kulturgegenstände oder Benennungen aus dieser Zeit, die im Stadtbild noch immer
präsent sind.
Ich würde
Sie gerne fragen, welche Meinung Sie dazu haben: Soll man hier radikal
verändern und sozusagen Kunstwerke, die in dieser Zeit entstanden sind, entfernen?
Soll man sie in ihrem Zusammenhang mit der damaligen Zeit betrachten? Wie geht
man damit am sinnvollsten um?
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr geehrter
Herr Gemeinderat!
Ich danke Ihnen dafür, dass Sie
diese Frage sozusagen in einen Bereich drehen, der unter meine Zuständigkeit
fällt. Es wird Sie nicht weiter verwundern, wenn ich darauf sage, dass man das
grundsätzlich einmal von Fall zu Fall zu beurteilen haben wird. Natürlich ist
das auch eine Frage der Entwicklung, wie man mit Kunstwerken umgeht, die, wie
Sie sagen, während der Zeit eines totalitären Regimes oder auch kurz danach
verfertigt und angefertigt wurden. Prinzipiell, glaube ich, sollten wir
einerseits den kritischen Blick darauf noch mehr schärfen - das gilt für
vieles, was es in dieser Stadt gibt - und andererseits natürlich auch das
Verständnis dafür, wie damit umzugehen ist.
Ich versuche das gegenwärtig
gerade auch mit einer Initiative, die sich "Dialog. Diskussion.
Demokratie." nennt, bei der es mir darum geht, in Fragen, die sensibel und
heikel sind, wie beispielsweise die Wehrmachtsausstellung oder auch die
Beneš-Dekrete, nicht zu polarisieren, sondern das Gespräch darüber zu suchen,
das Verstehen und vor allem - was, glaube ich, das Interessante und Wichtige
ist - die Möglichkeiten der individuellen Handlungsspielräume während Zeiten
totalitärer Regime, weil diese Möglichkeiten sehr wohl gegeben sind. Ich
glaube, wenn wir etwas daraus lernen können, auch für die jeweilige
individuelle Verantwortung eines jeden von uns, dann ist es doch das, dass wir
uns fragen: wie stark und wie groß ist unser Handlungsspielraum in einer
jeweiligen gesellschaftspolitischen Situation, was können wir tun?, und daraus
auch ableiten: welche Verantwortung haben wir?
In diesem Sinne würde ich auch Ihre Frage beantworten, was
das Herangehen an Kunstwerke, so sie diesen Namen überhaupt verdienen,
betrifft, und ich
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular