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Gemeinderat, 12. Sitzung vom 01.03.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 59 von 81

 

FPÖ.)

 

Es bleibt jedenfalls, dass diese Ausstellung eine Verunglimpfung der Kriegsgeneration darstellt (GR Johann Hatzl: Das ist es nicht!), und dafür geben wir Freiheitliche uns nicht her und schon gar nicht dafür, dass dafür noch öffentliche Steuermittel aufgewendet werden. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Dr Michael LUDWIG. - Bitte schön.

 

GR Dr Michael LUDWIG (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Wenn mein Vorredner davon gesprochen hat, dass man das Umfeld in einem historischen Ereignis immer auch mit darstellen soll, sollte man sich vielleicht bei der Gelegenheit auch in Erinnerung rufen, warum diese Ausstellung konzipiert wurde und was auch Inhalt dieser Ausstellung ist, nämlich der Vernichtungskrieg, der von 1941 bis 1944 vor allem in der ehemaligen Sowjetunion durch die Deutsche Wehrmacht und anderen Truppenteilen durchgeführt wurde. Und man sollte bei der Gelegenheit vielleicht auch erwähnen, dass bereits drei Monate vor Kriegsbeginn Hitler vor dem Oberkommando der Wehrmacht ganz offen darüber gesprochen hat, dass diese militärische Auseinandersetzung sich ganz deutlich von allen anderen unterscheiden wird und dass es ein Vernichtungskrieg im - unter Anführungszeichen – "rassischen Sinne" auch sein wird - ein Umstand, den alle Historiker auch so deuten, dass es mit großem Abstand eine andere Form der kriegerischen Auseinandersetzung war, als in der gesamten Moderne und in anderen kriegerischen Auseinandersetzungen zu finden war.

 

Und in der Tat hat die Wehrmachtsführung bereits im Mai und Juni 1941 Befehle erlassen, die sich auch damals schon vom Kriegsrecht abgehoben haben, nämlich den so genannten Kriegsgerichtsbarkeitserlass und den so genannten Kommissarbefehl, der ganz deutlich von dem abgegangen ist, was das Kriegsvölkerrecht damals schon vorgesehen hat. Und das war nicht so, wie manche das jetzt so darstellen wollen, dass es hier eine deutliche Unterscheidung gegeben hat zwischen der Wehrmacht und der politischen Führung der NSDAP, sondern ganz im Gegenteil, das war auch vom Oberkommando der Wehrmacht mitgetragen und mitunterstützt. Die Zeit reicht jetzt nicht aus, um die historischen Gründe zu erwähnen.

 

Das heißt, das waren die Rahmenbedingungen, die Sie auch eingefordert haben. Und niemand in dieser Ausstellung versucht, darzustellen, dass hier die Wehrmachtsangehörigen in ihrer Summe, in ihrer Pauschale verurteilt werden sollen, sondern es geht darum, zu zeigen, dass die Wehrmacht als Organisation mitbeteiligt war an dem, was zu Recht auch in dieser Ausstellung als Vernichtungskrieg dargestellt wird. Das heißt, nicht die Pauschalverurteilung, sondern die Auseinandersetzung auch mit einzelnen Ereignissen steht gerade bei dieser Ausstellung im Vordergrund.

 

Und ich war von dieser Ausstellung deshalb auch sehr betroffen, weil sie nicht nur verschiedene Aspekte dieses Vernichtungskriegs darstellt, zum Beispiel den Völkermord an den sowjetischen Juden, das Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen, den so genannten Ernährungskrieg, die Deportation und Zwangsarbeit, den Partisanenkrieg und nicht zuletzt auch die Repressalien und Geiselerschießungen.

 

Das Spannende und wirklich ganz Berührende, und das hat mir an dieser Ausstellung am besten gefallen, die ich in Berlin gesehen habe, ist der Umstand, dass man mit dem Bereich Handlungsspielräume darstellen möchte, welche individuellen Entscheidungen man treffen konnte. Und es gibt beispielsweise eine Fülle von Möglichkeiten, sich auch innerhalb der Wehrmacht anders zu positionieren.

 

Ein Beispiel hat mich besonders beeindruckt, nämlich das Beispiel des 1. Bataillons des 691. Infanterieregiments, wo der Bataillonskommandant drei Kommandanten denselben Befehl gegeben hat, nämlich auf Grund des Verdachts "Zusammenarbeit der Zivilbevölkerung mit Partisanen" die gesamte jüdische Bevölkerung zu liquidieren. Der erste Kommandant hat das sofort umgesetzt, hat die gesamte jüdische Bevölkerung erschießen lassen, Männer, Frauen und Kinder. Der Zweite war verunsichert und hat einen schriftlichen Befehl eingefordert, den er auch bekommen hat, und hat es nach dem schriftlichen Befehl durchgeführt. Und der dritte Kommandant hat dies verweigert. Auf die Frage des Bataillonskommandanten, ob er sich nicht hart genug dazu fühlt oder wann er endlich hart genug werden wird, hat er darauf geantwortet: Nie. Das war eine große - wenn wir in Betracht ziehen das Militärstrafrecht und vieles andere mehr - persönliche Courage, die dieser Kommandant eingebracht hat. Und es ist ihm, wie in dieser Ausstellung auch gezeigt wird, persönlich nichts geschehen.

 

Und das ist eigentlich auch das Spannende an dieser Ausstellung, dass man sich nicht nur mit historischen Ereignissen befasst, sondern die Ausstellung auch dazu verwendet, die Betrachter und vor allem auch Jugendliche anzuleiten, darüber nachzudenken, welche Chancen, welche Möglichkeiten jeder von uns hat, sich in einer Drucksituation mit Zivilcourage zu behaupten und sich gegen unmenschliche Befehle durchzusetzen. Und das ist eigentlich auch die große gesellschaftliche, politische Herausforderung dieser Ausstellung. (Beifall bei der SPÖ und bei den GRÜNEN.)

 

Der Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Reemtsma, hat zu Recht gemeint: Mit Fehlern kann man nur zwei Dinge tun, nämlich erstens sie berichtigen und zweitens sie nicht wiederholen. Die Fehler muss man allerdings auch quantifizieren, wenn Sie davon gesprochen haben, dass die erste Ausstellung eine Katastrophe war. Das muss man relativieren. Nicht einmal 20 Bilder,

 

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