Gemeinderat,
11. Sitzung vom 01.2.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 35 von 94
- Ich glaube, Sie wollen das nicht. Wir wollen das nicht.
Wir wollen, dass Österreich seine historische Verantwortung zur EU-Erweiterung
in angemessener Form wahrnimmt und ein gutes Klima zu den Nachbarländern aufbaut.
Wir freuen uns sehr, dass Sie, meine Damen und Herren
von der ÖVP, Zustimmung zu unserer Resolution bekundet haben, zu unserem klaren
"Ja" zur Erweiterung, zu unserem klaren "Ja" zum Beitritt
Tschechiens, zur klaren Absage an sämtliche Vetodrohungen, sei es im
Zusammenhang mit Temelin, sei es im Zusammenhang mit den Benes-Dekreten, denn
eines ist klar: Ein Nichtbeitritt Tschechiens würde keines der angesprochenen
Probleme lösen. Nicht in irgendeiner Art und Weise würden diese Probleme gelöst
werden! Temelin würde weiter bestehen. Die Benes-Dekrete würden weiter bestehen.
Im Gegenteil. Die Möglichkeiten auf gute nachbarschaftliche Kontakte überhaupt
in den nächsten Jahren wären vollkommen zerstört, würde Österreich wirklich den
Erweiterungsprozess blockieren. Österreich würde ja nicht nur den
Erweiterungsprozess mit Tschechien blockieren, sondern mit allen Beitrittsländern.
Das kann nicht im Interesse Österreichs sein! Das ist nicht im Interesse Wiens
und dem müssen wir hier auch heute im Wiener Gemeinderat eine klare Absage
erteilen! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich glaube, wir haben mit der heutigen Resolution eine
sehr gute Formulierung gefunden, die ein starkes außenpolitisches Signal sein
wird, nicht nur an unsere tschechischen Nachbarn und Nachbarinnen, sondern an
alle Beitrittsländer, an ganz Europa. Viele Beitrittskandidaten und
-kandidatinnen fühlen sich ja ein bisschen ausgeschlossen, noch ausgeschlossen
aus der Europäischen Union, auch ausgeschlossen aus den Vorbereitungsprozessen,
nicht nur auf Grund der EU-Außengrenze, sondern auch auf Grund der unsichtbaren
wirtschaftlichen und sozialen Demarkationslinie, an der Wien auch liegt und auf
Grund der Wien eine besondere Verantwortung hat. Regionale grenzüberschreitende
Projekte aufzubauen, Netzwerke aufzubauen, ein gutes Klima vor allem mit den
tschechischen, mit den ungarischen, mit den slowenischen, mit den slowakischen
Nachbarn und Nachbarinnen aufzubauen - das wollen wir heute und hier bekräftigen.
Wir
wollen ein klares Bekenntnis zur Erweiterung der Europäischen Union ablegen und
ein klares Bekenntnis zum Beitritt zur Tschechischen Republik zur Europäischen
Union. Vetodrohungen sind im europäischen Integrationsprozess kontraproduktiv
und kein geeigneter Weg für konstruktive Lösungen.
Wir wollen uns auch erneut zu einer österreichischen
Initiative zu einem europaweiten Atomausstieg - wie habe ich den Satz jetzt
angefangen? Wir wollen uns ... (GR Dipl
Ing Martin Margulies: Bekennen! Bekennen!) bekennen, danke! - bekennen. Ich
sage schon so oft "bekennen". Und wir wollen uns natürlich auf eine
Intensivierung der Beitrittsvorbereitungen verständigen, vor allem in jenen
Bereichen, wo bisher von Wiener Seite aus zu wenig passiert ist.
Wir GRÜNE denken, dass das der richtige Weg ist, uns
auf die europäische Erweiterung vorzubereiten. Wir wollen Vorreiter und
Vorreiterinnen bei der Erweiterung sein. Wir wollen nicht nur von den Chancen
sprechen, sondern sie auch nützen. Und wir wollen dort, wo die Bundesregierung
versagt, aktive Stadtaußenpolitik betreiben. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich
Frau GRin Trammer gemeldet. Ich erteile ihr das Wort. Ich erinnere Sie daran,
dass Sie 3 Minuten Zeit haben.
GRin Heike Trammer (Klub der Wiener Freiheitlichen): Frau Vorsitzende, ich bedanke
mich.
Tatsächliche Berichtigung zur Frau Dr Vana:
Es ist ja nicht nur die FPÖ, die für ein atomkraftwerksfreies
Europa eintritt. Ich zitiere aus der Regierungserklärung des Bgm Häupl vom 27. April:
"Das atomkraftwerksfreie Europa muss Wirklichkeit werden", sagt er
dort. "Alle grenznahen Atomkraftwerke sollen abgeschaltet und für andere
Energieträger umgerüstet werden." So Häupl. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Als nächster Redner hat sich Herr GR Dr Tschirf
gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR Dr Matthias Tschirf
(ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Die Österreichische Volkspartei war immer die Partei,
die sich zu Europa bekannt hat und bekennt und sie ist auch jene Partei, die
sich seit den Zeiten eines Josef Klaus auch zu einem Europa, das östlich des
damaligen Eisernen Vorhangs gelegen ist, bekannt hat und hier die Themen von
einer Integration von Gesamteuropa immer eingebracht hat. Es braucht daher die
Österreichische Volkspartei sicherlich keines Hinweises darauf, dass sie in
dieser Tradition, in der sie immer zur Europäischen Integration gelebt hat, weiterhin
leben sollte. (GR Dipl Ing Martin
Margulies: Na ja!)
Es war gerade auch Wolfgang Schüssel, der genau das
immer wieder gelebt hat. Wenn man sich die letzten Wochen und Monate anschaut,
wie die Diskussion gerade um dieses Volksbegehren gegangen ist, dann ist er oft
alleine geblieben, weil er hier keine Unterstützung bekommen hat. Gerade das,
was er hier an Haltung, an klarer Position bewiesen hat, beweist, dass wir die
Partei der Europäischen Union sind, die Partei der Integration, der
EU-Osterweiterung, und genau deshalb stimmen wir diesem Antrag zu. Wir
verstehen diesen Antrag nicht als einen Antrag hinsichtlich eines Versagens der
Bundesregierung, sondern als ein zusätzliches Argument gerade auch aus Wiener
Sicht.
In diesem Sinne werden wir dem Antrag zustimmen. Wir
glauben aber nicht, dass das zu einer billigen Polemik gegen die
Bundesregierung genutzt werden sollte. (Beifall
bei der ÖVP.)
Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Als nächster Redner ist Herr GR Dr Madejski
gemeldet. (GR Dr Herbert Madejski: Nein,
der Herr Parzer!) Nein, der Herr Parzer hat mit Herrn Dr Tschirf getauscht.
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