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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 23.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 15 von 56

 

Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke hat sich gemäß § 16 zu einer Mitteilung (00406/2002-MDALTG), betreffend "Aktiv. Effizient. Sozial. Offensive Konjunktur- und Beschäftigungspolitik für den Wirtschaftsstandort Wien" zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm, darf aber bemerken, dass gemäß der gültigen Geschäftsordnung die Redezeit mit 40 Minuten begrenzt ist.

 

VBgm Dr Sepp Rieder: Herr Bürgermeister! Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Entgegen den uns allen noch gut in Erinnerung befindlichen Versprechungen der Bundesregierung hat das Konjunkturtief vor den Grenzen Österreichs nicht Halt gemacht und entgegen allen Verharmlosungen und Beschönigungen, die uns ebenso gut in Erinnerung sind, seitens ÖVP- und FPÖ-Regierungspolitikern, ist sie so ausgefallen, wie sie die Wirtschaftsexperten und Wirtschaftsforscher eigentlich angekündigt haben.

 

Und natürlich ist das Konjunkturtief nicht spurlos an der Beschäftigungssituation und an der Arbeitsmarktsituation vorübergegangen. So waren in Wien über das Jahr 2001 gerechnet insgesamt 767 200 und Ende des Jahres nur noch 760 591 Menschen in Beschäftigung. Auf der anderen Seite waren im Dezember 2001 in Wien 80 218 Personen arbeitslos gemeldet, das ist um 25,8 Prozent mehr als im Dezember des Vorjahres. Österreichweit ist die Arbeitslosenzahl in diesem Zeitraum um 23,3 Prozent gestiegen. Es ist kein wienspezifisches Problem; ich möchte das nur anhand von einigen Beispielen deutlich machen.

 

Im Burgenland ist die Zahl der Arbeitslosen um 30,8 Prozent gestiegen, das ist die höchste Steigerungsrate, in Oberösterreich um 29,6 Prozent, in Niederösterreich um 30,7 Prozent und in der Steiermark fast so stark wie in Wien. Niederösterreich hat überhaupt die höchste Zahl an Arbeitslosen seit 1945.

 

Wenn man beispielsweise auf der anderen Seite die Entwicklung der Beschäftigungszahl österreichweit vergleicht, fällt auf, dass in Kärnten die Beschäftigungszahl doppelt so stark zurückgegangen ist wie in Wien, nämlich um 1,97 Prozent.

 

Auf der anderen Seite gibt es in den Aussagen der Arbeitsmarktverwaltung natürlich auch positive Elemente. Es ist gelungen, die Langzeitarbeitslosigkeit zurückzudrängen, und es gibt auch einen deutlichen Rückgang hinsichtlich der Zeit, wo Menschen sich in Arbeitslosigkeit befinden.

 

Aktuell meint die Industriellenvereinigung, Optimismus signalisieren zu können, und es ist durchaus möglich, dass sich auch die österreichische Wirtschaft wieder erfängt, sozusagen der Silberstreifen am Horizont. Aber ich denke, dass Vorsicht am Platz ist und dass wir gut beraten sind, auch auf jene Prognosen zu hören, wo uns gesagt wird, wie etwa vom Leiter des Arbeitsmarktservice Österreich, Buchinger, dass auch für den Jänner und möglicherweise für den Februar noch eine deutlich stärkere Entwicklung in den Arbeitslosenzahlen in Österreich festzustellen sein wird, wobei eines der Kernprobleme sicher die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in der Bauwirtschaft ist. Ich bin daher der Meinung, dass es uns jedenfalls gut tut, in Wien auf diese Entwicklung vorbereitet zu sein, und das wollen wir auch tun.

 

Also ich glaube, dass es niemanden gibt, der wirklich ernstlich daran zweifelt, dass dieses aktuelle Konjunkturtief, mit dem wir auch in Österreich konfrontiert werden, internationale Dimensionen hat und dass daher letztlich die Antwort darauf, auf diese immer raschere Folge der Konjunkturtiefs in den Neunzigerjahren und auch jetzt wiederum, von denen man sagen kann, dass Europa gebeutelt wird, dass die Antwort darauf eigentlich in erster Linie in einer leistungsfähigen gemeinsamen europäischen Wirtschafts- und Strukturpolitik liegt.

 

Andererseits, meine sehr geehrten Damen und Herren, fällt doch die Tatsache auf, dass sich die aktuellen Konjunkturrückschläge in den europäischen Volkswirtschaften unterschiedlich auswirken und dass diesmal, im Gegensatz zu Rückschlägen in den Neunzigerjahren, der Rückschlag in Österreich, in der Wirtschaftssituation, in der Beschäftigungssituation, stärker spürbar ist als bisher und dass auf der anderen Seite - das muss man auch in Erinnerung rufen - Österreich bei früheren Fällen eines Konjunktureinbruchs mit den Auswirkungen auf die Beschäftigungsstruktur besser fertig geworden ist und dass es zum ersten Mal so ist, dass wir im Fertigwerden mit dem Konjunkturtief schlechter liegen, als in den vorangegangenen Malen.

 

Nun kann man das nicht darauf zurückführen, dass etwa die Leistungsfähigkeit der österreichischen Arbeitnehmer schlechter geworden wäre. Im Gegenteil, die OECD attestiert uns eine hohe Qualifikation der Arbeitnehmer, eine hohe Produktivität der Unternehmungen, einen hohen Innovationsstellenwert. Und letztlich ist es auch weiterhin eine Tatsache, dass die österreichische Wirtschaft, was die Produktivität betrifft, zu den Top Ten zählt.

 

Daher glaube ich an sich, dass es durchaus berechtigt ist, die Frage zu stellen: Was ist es dann? Was ist anders geworden, das dazu führt, dass wir diesmal schlechter abschneiden, schlechter liegen und schlechter mit der Situation fertig werden? - Die Frage, die natürlich gerade von Seiten der Opposition, und nicht nur von der Opposition in Wien, immer wieder aufgeworfen wird, was ist hausgemacht, ist durchaus legitim, und sie wird in allen europäischen Ländern mit unterschiedlicher Gewichtung gestellt. Ich greife diese Frage gerne auf und möchte sie in meine Ausführungen einfließen lassen.

 

Ich möchte nur eine Vorbemerkung machen, und wenn ich sie jetzt an Herrn Dr Görg richte, dann ist das sozusagen wirklich nicht persönlich gemeint. Aber stellen Sie sich einmal vor, was Ihnen Lhptm Pröll sagen würde, Herr Dr Görg, wenn Sie sich hinstellen und ihm sagen würden: Sie, Pröll, haben hausgemacht die größte, massivste Steigerung der Arbeitslosigkeit in Niederösterreich. Ich glaube, eine solche pauschale Anschuldigung wird er Ihnen nicht abnehmen.

 

Es geht in Wirklichkeit darum, dass man sich mit dieser Frage differenzierter, auch in Wien, auseinander setzt und sich mit dieser Frage beschäftigt. - Die Aufregung darüber, was Ihnen vielleicht Lhptm Pröll noch

 

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