Gemeinderat,
9. Sitzung vom 14.12.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 109 von 138
GRÜNEN und zur
zweiten Wehrmachtsausstellung. Es ist nicht der erste und zweite Teil, wie Sie,
Kollege STEFAN, gemeint haben, sondern es ist eine völlig andere Ausstellung,
die auch neu konzipiert wurde. In der Tat muss man sagen, dass die erste
Ausstellung, die von 1995 bis 99 in Deutschland und in Österreich gezeigt wurde
und die insgesamt mehr als 850 000 Besucherinnen und Besucher gehabt hat (GR Heinz Christian Strache: Das ist ja das
Verbrechen!), zweifellos eine der wichtigsten Ausstellungen der
Vergangenheit war, weil sie nämlich eines erreicht hat: Eine intensive
inhaltliche Diskussion über diese Zeit. (GR
Heinz Christian Strache: Das ist ja das Verbrechen!) In der Tag ist es
richtig, dass eine Historikerkommission Fehler, sachliche Fehler aufgezeigt hat
und zwar (StR Johann Herzog: Ja,
nachträglich!), dass einige wenige der insgesamt 1 400 Fotos falsch
zugeordnet wurden (GR Heinz Christian
Strache: Das waren viele!), nämlich der Wehrmacht zugeordnet wurden, in
diesen wenigen Fällen fälschlicherweise (GR
Heinz Christian Strache: Das waren viele! Viele!), und dass der Institutsleiter Jan Philipp Reemtsma auch die
Konsequenzen daraus gezogen hat, die Ausstellung auch gestoppt und neu konzipiert
hat.
Aber noch
einmal: Es hat einige wenige sachliche Fehler gegeben (StR Johann Herzog: Es waren viele!), das wurde auch zugegeben, die
aber an der Kernaussage, dass die deutsche Wehrmacht an zahlreichen Verbrechen
mitgewirkt hat, die im Zuge des Naziregimes stattgefunden haben, nichts
geändert hat. Der neue wissenschaftliche Beirat dieser neuen Ausstellung unter
dem Vorsitz des anerkannten Historikers Hans Mommsen hat die Ausstellung auch
neu konzipiert. Ich muss auch sagen, deshalb neu konzipiert, weil meine Kritik
an der ersten Ausstellung nämlich war, dass sie methodisch den heutigen
Vorstellungen nicht mehr entspricht, dass nur mit Bildmaterial gearbeitet wird,
ohne auch die Möglichkeit zu bieten, sich in Zwischenpausen zwischen den
einzelnen Fotos auch zu besinnen, kritisch zu reflektieren, dass das gefehlt
hat. Das habe ich auch bei der ersten Ausstellung kritisiert. Ich meine auch,
dass eine Ausstellung heute auch mit moderneren Mitteln, mit dem Einsatz von
elektronischen Medien beispielsweise, gemacht werden muss. Diese Kritik wurde
auch aufgegriffen und in der jetzt zweiten Ausstellung "Die Verbrechen der
Wehrmacht, Dimensionen des Vernichtungskriegs 1941 bis 1944" wird auch auf
die methodische Kritik eingegangen.
Nur, man muss
schon eines auch deutlich sagen: Es ist den Ausstellungsgestaltern nie darum
gegangen, auch nicht in der ersten Ausstellung, eine Pauschalverurteilung
vorzunehmen. Es geht nicht (StR Johann
Herzog: Klare Aussagen! Klare Aussagen! - GR Heinz Christian Strache: Das stimmt
ja nicht! Das stimmt ja nicht!) darum, dass alle Wehrmachtsangehörigen
verurteilt werden sollen. Es ist richtig, dass man sagt, man muss auch
individuelle Schuld prüfen und es können nicht gesamte Organisationen, in der
es Verbrechen gegeben hat aber auch, nicht verurteilt werden. Das kann man nur,
wenn der generelle verbrecherische Zusammenhang, wie beispielsweise bei der SS
auch vom Nürnberger Tribunal festgestellt wurde, gegeben ist. Das wurde aber
auch bei der Ausstellung über die Wehrmacht nie behauptet.
Wichtig ist,
und deshalb meine ich wird auch diese zweite Ausstellung über die Geschichte
der Wehrmacht eine große Bedeutung auch für Jugendliche haben, die Frage: Wie
gehen Menschen auch in solchen Organisationen mit Drucksituationen, mit
politischen Situationen um?
Und es wird in
dieser zweiten Ausstellung beispielsweise auf eine Situation hingewiesen, wo
ein Bataillonsführer drei untergebenen Kompanieführern in drei verschiedenen
sowjetischen Städten den Befehl gegeben hat, die jüdische Bevölkerung zu
vernichten. Und alle drei Kompanieführer haben völlig unterschiedlich reagiert.
Der erste Kompanieführer hat den Befehl eins zu eins umgesetzt und hat die
gesamte jüdische Bevölkerung hinrichten und exekutieren lassen. Der zweite
Kompanieführer hat nach Rücksprache mit seinen untergebenen Unteroffizieren die
schriftliche Bestätigung dieser Anweisung verlangt, hat sie auch bekommen und
hat dennoch die Hinrichtung befohlen. Und der dritte Kompanieführer hat diesen
Auftrag nicht erfüllt und man muss sagen ohne militärische, politische oder
persönliche Konsequenzen. Jetzt muss man ehrlicherweise gestehen, dass man
nicht immer in einer solchen Situation den Handlungsspielraum hat. Man kann
auch nicht von jedem Menschen verlangen, dass er einen solchen sehr mutigen
Schritt setzt. Aber dass Jugendliche die Möglichkeit haben zu sehen, dass es in
einer historischen Situation die Möglichkeit gibt, so zu entscheiden oder
anders zu entscheiden, sich einem faschistischem, diktatorischen Regime zu
beugen oder auch persönlichen Mut zu zeigen, persönliche Courage zu zeigen und
sich anders zu verhalten, das halte ich auch für die Erziehung und für die
politische Bildung für einen wichtigen Schritt.
Dazu kann auch
diese Ausstellung einen wertvollen Beitrag leisten und deshalb meine ich,
sollte diese Ausstellung auch in Wien gezeigt werden, deshalb sollten die
Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass die private Einrichtung, nämlich das
Hamburger Institut für Sozialforschung, die Möglichkeit haben soll, diese
zweite Ausstellung hier in Wien zu zeigen.
Deshalb werden
wir auch dem vorliegenden Antrag zustimmen und ich ersuche namens meiner
Fraktion, auch dem Antrag auf Unterstützung für das Dokumentationsarchiv des
österreichischen Widerstands zuzustimmen. (Beifall
bei der SPÖ und bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende
GRin Mag Heidemarie Unterreiner:
Als nächster Redner ist Herr GR Dipl Ing Margulies gemeldet. Ich erteile ihm
das Wort.
GR Dipl Ing
Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte
Damen und Herren!
Kollege LUDWIG hat
meine Wortmeldung hervorragend verkürzt, nachdem er sehr viel vorweg ge-
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