Gemeinderat,
9. Sitzung vom 14.12.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 107 von 138
- GR Mag Hilmar Kabas: Aber Sie haben es auch nicht
gesehen!) Dann müssen wir das
Ganze zurückziehen und müssen sagen, warten wir, bis wir es gesehen haben und
unterstützen wir es dann. Ich rede ... (Aufregung
bei der FPÖ und bei den GRÜNEN.)
Wir haben
festgestellt, es wurde die These beibehalten. Das sagen die Ausstellungsmacher
selbst und ich rede jetzt über die These, die ich für falsch halte. (GR Günter Kenesei: Lesen Sie keine
deutschen Medien oder schrecken Sie sich davor? - Heiterkeit bei den GRÜNEN.) Wenn
Sie wollen, zitiere ich Ihnen aus diesen Medien auch. Vielleicht lesen wir
nicht die gleichen. (GR Günter Kenesei:
Das kann leicht sein!)
Es werden hier
Einzelbeispiele herausgenommen. Dieses Verfahren ist so lange unwissenschaftlich,
als die Ergebnisse der Recherchen nicht als Einzelbeispiele gekennzeichnet
sind. Denn aus den Einzelbeispielen finden die Ausstellungsmacher zu ihren
Urteilen und Überschriften und den Anteil tatsächlicher Täter überlassen sie
der Fantasie der beeindruckten Besucher. Das ist unwissenschaftlich und das
lehnen wir ab. Das ist der inhaltliche Hauptkritikpunkt, sofern wir bereits
davon ausgehen können, dass das so beibehalten wurde. Es ist also so ein pars
pro toto-Verfahren.
So lange sich
Reemtsma und sein Team von Historikern nicht einmal in Ansätzen um eine Aussage
bemühen, die die pauschale Verurteilung der Wehrmacht auf einen erkennbaren
Täteranteil reduziert, verdient sie insofern keine Anerkennung. (Beifall bei der FPÖ.)
Nun noch zu
dem Antrag sozusagen in formeller Hinsicht. Wer einmal lügt, dem glaubt man
nicht. Aber zumindest muss man feststellen, wer einmal lügt, dem muss man beim
zweiten Mal ganz besonders auf die Finger schauen.
Ich rate der
Stadt Wien und auch dem Bürgermeister, der auch für diese Generation zuständig
ist, hier sehr genau darauf zu achten, dass nicht die Peinlichkeit eintritt,
die beim ersten Durchgang der Ausstellung eingetreten ist, dass wieder
Historiker Fehler aufdecken und auch dieser zweite Aufguss der Ausstellung zu
einem Flop wird. Tausende Schüler wurden in 33 bundesdeutschen und
österreichischen Städten aus pädagogischen Gründen in diese Ausstellung
geschickt. Dann stellt sich heraus, dass sie zu NKWD-Bildern geführt wurden,
dass sie da zum Teil sowjetische Propaganda sehen mussten und das aus
pädagogischer Sicht! Das ist eine Katastrophe, nämlich auch für die
Glaubwürdigkeit aller anderen Ausstellungen. Daher sollte sich die Stadt Wien nicht
dazu hergeben, hier einen Schnellschuss zu machen, sondern wir müssen uns das
zuerst anschauen, was da wirklich gekommen ist. Es muss wirklich erst einmal
auch der Katalog vorliegen. Es muss eine klare Auseinandersetzung damit geben.
Wenn Jan Philipp Reemtsma seine entnazifizierten Gelder dazu verwenden will,
die Ausstellung zu machen, dann soll er sie in Wien zeigen, aber nicht mit
öffentlicher Unterstützung! Das jedenfalls nicht! (Beifall bei der FPÖ.)
Überhaupt ist
die moralisierende Betrachtung der Geschichte aus der geschützten Position des
Zeitgeistes heraus nicht sehr ruhmreich. Das erfordert heute keinen Mut, so zu
sprechen. Das war früher mutig, aber nicht heute. Und eine viel
differenziertere Betrachtung wäre angebracht. Organisationen wie das
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands oder auch das Hamburger
Institut für Sozialforschung leisten keinen Beitrag zu einer Auseinandersetzung
mit der Geschichte, die uns wirklich weiterbringt.
Wir
Freiheitliche lehnen daher den Beschlussantrag der GRÜNEN sowie die Förderung
der Arbeit des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands ab. Der
Unterstützung der Pflege der Gedenkstätte stimmen wir traditionell zu. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende
GRin Mag Heidemarie Unterreiner:
Als nächster Redner ist Herr GR Dr LUDWIG gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR Dr Michael LUDWIG (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats):
Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das
Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands wurde am 13. März
1963 gegründet. Das war kein Zufallsdatum. Das war genau 25 Jahre nach
Beseitigung der Unabhängigkeit Österreichs. Von Beginn an haben Historiker,
Wissenschafter, Universitätsprofessoren und Vortragende gemeinsam mit Zeitzeugen
versucht, die Geschichte dieser schlimmen Phase der österreichischen Geschichte
aufzuarbeiten.
20 Jahre
später, 1983, wurde dann die Stiftung des Dokumentationsarchivs gegründet, die
sich gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Archivs um die
Aufarbeitung der Geschichte beschäftigt hat. Von Beginn an hat das Dokumentationsarchiv
versucht, auch mit international renommierten Einrichtungen und Organisationen
zusammenzuarbeiten. Ich denke hier an das Holocaust-Memorial-Museum im
Washington, aber auch an die Organisation Yad Vashem in Jerusalem, an die
Gedenkstätte Theresienstadt und vieles andere mehr.
Die
wissenschaftlichen Mitarbeiter des Dokumentationsarchivs wurden immer wieder
auch international zu verschiedenen wissenschaftlichen Projekten herangezogen.
Ich möchte jetzt nicht all jene Einrichtungen und Projekte zitieren, die schon
vor mir angesprochen worden sind. Ich möchte ergänzend nur noch auf das
"Totenbuch Theresienstadt" hinweisen, das im nächsten Jahr erscheinen
soll und wo 17 000 deportierte Österreicherinnen und Österreicher dokumentiert
werden, aber auch auf die Fortsetzung der namentlichen Erfassung der Opfer der
politischen Verfolgung von 1938 an hinweisen.
Es wurde von der FPÖ
immer wieder darauf hingewiesen und behauptet, dass das Dokumentationsarchiv
des österreichischen Widerstands sich nur mit dem rechtsextremen Terror
auseinander setzt. Sie haben das immer auch begründet mit dem Umstand
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular