«  1  »

 

Gemeinderat, 8. Sitzung vom 21.11.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 65 von 99

 

Integrationsvertrag zu opponieren und auch die Gespräche im Innenministerium zu boykottieren, ist nicht der richtige Weg! Es zeigt, Herr Seitner, dass Sie offensichtlich mehr daran interessiert sind, gegen die momentane Regierung aufzutreten, als wirklich die Deutschkurse anzunehmen und mitzuhelfen, dass diese auch umgesetzt werden! (GR Kurt Wagner: Da sind aber die kirchlichen Organisationen auch dagegen! Zum Beispiel die Caritas!) Die Begründung, man möchte am Integrationsvertrag nicht mitarbeiten, weil er nur aus Pflichten und keinen Rechten besteht, ist fadenscheinig! (GR Godwin Schuster: Haben Sie schon einmal versucht, jetzt in Wien mit einem Ministerium Gespräche zu führen?)

 

Es ist kein Recht, dass Menschen in einem sozial ausgewogenen Wohlstandsstaat auf Dauer leben dürfen. Ich bin der Meinung, es ist ein Recht, wenn die Menschen durch gewisse Vorgaben und Erfüllung dieser Vorgaben in unserem sicheren Wohlstandsstaat auf Dauer leben dürfen! (GR Kurt Wagner: Frau Kollegin, Menschlichkeit ist nicht teilbar!)

 

Aus diesen Gründen sind wir auch der Meinung, dass die Geldmittel - und das sind nicht wenig - beim Wiener Integrationsfonds schlecht eingesetzt sind. Sie sollten eigentlich viel besser dafür dienen, dass der Integrationsvertrag umgesetzt wird. (GR Kurt Wagner: Na, erfreulich!) Deshalb lehnen wir diese Bardotation von 85 Millionen S und auch die 747 000 S für das nach meiner Meinung unausgegorene Projekt "Politische Partizipation von MigrantInnen in Wien" ab. (Beifall bei der FPÖ. - GR Kurt Wagner: Keine Hilfe, sondern Zwangsbeglückung!)

 

Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Als Nächster ist Herr GR Dr Stürzenbecher zum Wort gemeldet. 20 Minuten maximal. - Bitte.

 

GR Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Berichterstatterin! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Wenn Kollege Ulm gesagt hat, dass der Wiener Integrationsfonds das Sprachrohr der Migranten sein soll, so sage ich, er ist es! Aber er wäre es nicht, wenn er dieses schädliche Integrationsdiktat nicht kritisieren würde. Dann wäre er kein Sprachrohr der Migranten! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Immer wieder haben Sie kritisiert, dass der Geschäftsführer Seitner sich öffentlich zu Wort meldet. Auch im Kuratorium wurde das kritisiert. Ich glaube, Sie haben auch deshalb gegen das Budget gestimmt, soweit ich mich erinnern kann. Jedenfalls haben Sie es immer kritisiert. Wenn er sich zu Wort meldet, wo sonst als bei diesem Integrationsdiktat? Ist es nicht die selbstverständliche Pflicht des Geschäftsführers, dass er das kritisiert, weil das kein Integrationsvertrag ist, sondern ein Integrationsdiktat oder ein Desintegrationsvertrag oder ein Vertrag zu Lasten Dritter? - Weil bei einem Vertrag - das muss man schon sagen - schließen jedenfalls zwei gleichberechtigte Partner eine Übereinstimmung. Aber hier gibt es keine Übereinstimmung, alle Migranten lehnen diesen - unter Anführungszeichen - "Vertrag" ab.

 

Bei der Integrationskonferenz, lieber Kollege Ulm, wo Sie zehn Minuten anwesend waren und dann fluchtartig den Saal verlassen haben, hätten Sie noch viel mehr Meinungen zu diesem Integrationsdiktat von den Migranten und Migrantenorganisationen hören können! Aber Sie wollten es sich nicht anhören! Sicher ist, es war jede einzelne Stellungnahme der Migrantinnen und Migranten ablehnend. Sie wollten sich dem entziehen, indem Sie einfach fluchtartig den Saal verlassen haben! Eine solche Vorgangsweise ist eigentlich abzulehnen! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Eines muss man sagen: Schwarzer ist nicht gleich Schwarzer und ÖVPler nicht gleich ÖVPler. Der Kollege Karl, der nicht mehr in den Gemeinderat gewählt wurde, aber nach wie vor Vizepräsident des Wiener Integrationsfonds ist, hat dort den Integrationsvertrag sogar verteidigt. Ich teile zwar absolut nicht seine Meinung, aber er hat Mut bewiesen. Er ist bis zum Schluss dort geblieben und hat wirklich mutig einen meiner Ansicht nach grundfalschen Standpunkt verteidigt. Immerhin Respekt dem Andersdenkenden, aber kein Respekt in dem Fall dem Kollegen Ulm, der aus dem Saal gelaufen ist! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Weiters muss ich Sie ersuchen lieber Kollege, dass Sie über die Außenstellenreform, die diskutiert wird, nicht Unwahrheiten verbreiten. Es geht überhaupt nicht darum, dass hier weniger Betreuung in den Außenstellen oder Bezirken geschaffen werden soll, sondern ganz im Gegenteil, es soll eine Reform der Außenstellen dazu führen, dass für die Bezirke und für die Zielgruppen eine noch bessere und noch effizientere Arbeit geleistet wird. Genau das ist es, was der Integrationsfonds anstrebt und genau das ist es, was wir, glaube ich, unterstützen sollten. Deshalb bitte keine Unwahrheiten über eine Reform der Außenstellen! So viel einmal dazu.

 

Dann zur Kollegin Schöfnagel: Liebe Kollegin Schöfnagel, ich muss Sie zuerst darüber aufklären, dass der Integrationsvertrag noch nicht beschlossen ist. Er ist von der Bundesregierung beschlossen, aber in einer parlamentarischen Demokratie wird durch einen Beschluss der Bundesregierung noch kein Gesetz in Kraft gesetzt. Ich hoffe, dass die Parlamentarier im Nationalrat und Bundesrat dem nicht zustimmen werden. Das ist einmal ein erster Wunsch und deshalb ist schon Ihre Argumentation, der Integrationsfonds sei dazu da, um den Integrationsvertrag umzusetzen, der rechtlich gar nicht existiert, rechtlich ein Nullum ist, eine absolut hanebüchene Argumentation, die ich wirklich nur zurückweisen kann! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Der "Integrationsvertrag" - unter Anführungszeichen -, der ein Integrationsdiktat ist, versucht mit Zwang, die deutsche Sprache zu verbreiten! Das ist der Unterschied. Wir in Wien haben es in Zusammenarbeit mit dem Integrationsfonds außerordentlich erfolgreich - international und in ganz Europa bewundert

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular