Gemeinderat,
6. Sitzung vom 25.10.2001, Wörtliches Protokoll - Seite 85 von 100
Publikum angenommen wird, das ein eigenes Wiener Flair hat,
das ein geschlossenes Ensemble hat, aber das passt offenbar gerade nicht in das
neuerdings wieder völlig ungebremste sozialistische Wien, und daher muss etwas
passieren. Am besten, man macht es über den Kopf und es gibt einen neuen
Direktor. Das ist ein ganz wichtiger Hinweis.
Und weil Sie sich schon zu Wort melden, Herr
Stadtrat, darf ich Sie zitieren, wie Sie an diese Direktorenbestellung herangegangen
sind. Zuerst haben Sie in einer Aussendung klargemacht, dass die Ausschreibung
bei größeren Häusern eher nicht zu wählen ist. Das war am 4. Mai. Dann
haben Sie am 11. Juni gemeint, auch für eine Findungskommission oder eine
Ausschreibung ist es bereits zu spät. Dann am 27. Juni, also 16 Tage
später, erfolgte ein Sinneswandel. Plötzlich wird von Ihnen eine öffentliche Ausschreibung
nach demokratisch nachvollziehbaren Regeln gefordert. Das sagen Sie im
"profil" am 16. Juli. Das heißt, zuerst in der APA und dann im
"profil". Dann sagen Sie, was ja auch wirklich ganz interessant ist:
"Es soll nicht mehr am Stammtisch ausgemauschelt werden, wer welche
Leitungsfunktion übernimmt." Das war im "profil" am
27. August. Ganz interessant! Also, offenbar war es bisher so, oder Sie
wissen da mehr als wir.
Es wird also eine Jury gebildet. Bekanntlich ist bei
richtiger Wahl der Jurymitglieder eine Entscheidung schon vorprogrammiert. Die
Bewerbungen mit künstlerischem und finanziellem Konzept sind bei der Notariatskanzlei
Michalek einzureichen, aber dann läuft doch alles anders. Hermann Beil,
allgemein bekannt als treuer Weggefährte Peymanns, bekundet sein Interesse am
Direktorsposten. Es heißt, eine Ausschreibung und die Vorlage eines Konzepts,
überhaupt eines finanziellen Konzepts, sei unter seiner Würde, und die
Geldmittel werden ihm sowieso zu knapp. Der direkte Kontakt mit dem Stadtrat
müsste da wohl genügen. Und - siehe da! - er genügt. Die Jury bestellt Hermann
Beil mit einer überwältigenden Mehrheit von immerhin drei zu zwei Stimmen. (Amtsf StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Woher wissen Sie das?) Das habe ich gelesen. (Amtsf StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny: Es stimmt nur nicht!)
Ich kann nur von dem ausgehen, was ich lese, aber Sie werden es uns vielleicht
dann genauer sagen. (Neuerlicher Zwischenruf
des amtsf StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny.) Ja, das ist vollkommen
richtig, aber wir werden es heute hören. Heute werden wir belehrt. Es ist
vielleicht ganz gut, dass ich das jetzt festhalte, damit wir dann das Richtige
hören.
Die Fachleute aus Berlin und Bochum, die beigezogen
wurden, haben offensichtlich wenig Einfühlungsvermögen be- und einer typischen
Kulturinstitution einen schlechten Dienst erwiesen. (GR Mag Christoph Chorherr: Schon wieder Ausländer!) Dabei will
doch das zahlende Publikum, für das bekanntlich Theater ja auch gemacht wird,
auch bedient werden. Auch das Ensemble, das sich etwa Karl-Heinz Hackl als Nachfolger
gewünscht hat, war wenig glücklich mit Ihrer Bestellung.
Vielleicht steckt dahinter auch Methode: Das Publikum
soll durch leere Ränge ersetzt werden und das Ensemble durch neue Schauspieler,
wahrscheinlich aus dem Umfeld Beils. Sogar das tiefrote und nicht unbedeutende
Ensemblemitglied Fritz Muliar war entsetzt und hat öffentlich seinen Ärger bekundet.
Und schließlich stellte sogar der Bürgermeister, wie man liest, selbst fest,
dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Hoffen wir es.
Wien braucht keine weiteren Selbstverwirklichungsanstalten
à la Peymann & Co, und wir lehnen den hochsubventionierten politischen
Zugriff auf das Rabenhof Theater ebenso ab, wie die drohende Gleichschaltung
des Theaters in der Josefstadt. (Beifall
bei der FPÖ.)
Vorsitzende GR Josefa Tomsik: Als Nächster ist Herr GR Woller zum Wort gemeldet.
Ich erteile es ihm.
GR Ernst Woller (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Frau
Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich habe Verständnis dafür, dass die Umstellung von
der Regierungsbank auf die Oppositionsbank schwierig ist. Ich habe Verständnis
dafür, dass es nicht so ganz einfach ist, sich daran zu gewöhnen, dass man sich
nicht gleich immer zu Wort melden kann, dass man nur 20 statt 40 Minuten
reden darf. Ich habe Verständnis dafür, dass StR Peter Marboe mit seiner neuen
Rolle als Oppositionspolitiker ringt, aber - Herr Marboe - bleiben wir bei der
Wahrheit und versuchen wir doch zumindest, Dinge so darzustellen, wie sie sind.
Es ist einfach falsch, wenn Sie heute in einer Presseaussendung
behaupten, dass den Freien Gruppen oder anderen Theatern Geld weggenommen wird.
Sie laufen jetzt seit Wochen durch Wien - ich weiß das ja - und stiften Unruhe.
Sie erzählen allen Theaterleuten diese Falschinformation und dann regen Sie
sich darüber auf. Zuerst erzeugen Sie die Unruhe und dann fragen Sie: Was ist
da für Unruhe?
Es ist einfach so, dass den Freien Gruppen durch die
Beschlussfassung der heutigen Subvention für den Rabenhof kein einziger
Schilling weggenommen wird (GR Walter
Strobl: Woher kommt das Geld? Sagen Sie uns, woher es kommt!), es wird den
anderen Theatern und Mittelbühnen kein einziger Schilling weggenommen, sondern
das wird aus Mehreinnahmen aus dem Kulturschilling bedeckt. Das ist die
Wahrheit und dabei sollten wir auch bleiben.
Und wenn Sie von Schlamassel reden, dann muss ich sagen, es
ist tatsächlich ein Schlamassel gewesen, als Sie Kulturstadtrat waren.
Wahrscheinlich wäre alles besser gelaufen, wenn Sie es damals nicht gewesen
wären, sondern ein Sozialdemokrat. (Ironische
Heiterkeit und Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber Sie waren damals
Kulturstadtrat und daher ist es Ihre politische Verantwortung, dass wir dort
sind, wo wir jetzt sind. Es war Ihre politische Verantwortung, dass
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