Gemeinderat,
4. Sitzung vom 27.6.2001, Wörtliches Protokoll
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gerichtet, und einer davon war im weiteren Sinne auch einer,
der von Ihnen stammt, nämlich der Wunsch nach Briefwahl; auch da ist der Bund
gefordert. Daher kann man es nicht so sagen, dass das irgendwie ein rotes oder
grünes Versuchen ist, den Bund in die Pflicht zu nehmen.
Das Problem bei diesem Thema besteht aber darin, dass
der Bund schlicht und ergreifend gefordert ist und dass wir als Wienerinnen und
Wiener und als Wiener Politiker nichts machen können. Es ist ja nicht so, dass
jetzt plötzlich wir hier dieses Thema aufs Tapet bringen, sondern Sie wissen
ganz genau, dass die Abschaffung des § 209 und die Gleichstellung von
homosexuellen und heterosexuellen Partnerschaften in der letzten
Legislaturperiode im Bund permanent am Veto der ÖVP gescheitert ist. Auch in
der jetzigen Legislaturperiode sind im Nationalrat bereits zahlreiche Anträge
der Sozialdemokratie eingebracht worden, die aber leider abgelehnt worden sind.
Daher glaube ich, dass es sehr wohl der richtige und wichtige Platz ist, dass
der Wiener Gemeinderat, der größte Gemeinderat Österreichs, hier ein klares
Bekenntnis auch für Antidiskriminierung abgibt. (Beifall bei der SPÖ.)
Deshalb möchte ich jetzt diesen Beschluss- und
Resolutionsantrag einbringen, der da lautet:
"1. Der Gemeinderat der Stadt Wien fordert den
Nationalrat und Bundesrat der Republik Österreich auf, gleichgeschlechtliche
und verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften im österreichischen Recht
gleichzustellen. Weiters soll die Möglichkeit einer eingetragenen Partnerschaft
für gleichgeschlechtliche Paare verankert werden.
2. Der Gemeinderat der Stadt Wien fordert den Nationalrat
und Bundesrat der Republik auf, ein Antidiskriminierungsgesetz zu beschließen,
das Lesben, Schwule, Transgender Personen und andere diskriminierte Gruppen
wirksam vor Diskriminierungen in allen Lebensbereichen schützt.
3. Der Gemeinderat der Stadt Wien fordert den Nationalrat
und Bundesrat der Republik auf, umgehend den § 209 ersatzlos zu
streichen."
Ich möchte hier noch einige Worte darüber verlieren,
dass das alles sehr, sehr wichtig und dringend ist, aber auch sehr, sehr spät
geschieht. Es ist nicht so, dass wir dann, wenn wir uns jetzt auf Bundesebene -
also wir sowieso, aber auch die Mehrheit auf Bundesebene - dazu durchringen,
zum Beispiel eingetragene Partnerschaften vorzusehen, in Österreich auch nur
ansatzweise irgendetwas von einer Vorreiterrolle hätten. Das gibt es in
Skandinavien schon seit Jahren, das gibt es in Deutschland und in Frankreich,
in Holland ist die Ehe eingeführt worden, in Belgien wird gerade darüber
verhandelt, und es wird in den nächsten Monaten auch die Ehe eingeführt werden.
Was den § 209 beziehungsweise dessen Abschaffung
betrifft, ist es überhaupt so, dass Österreich das letzte Land EU-Europas ist,
in dem es eine derartige diskriminierende Bestimmung - irgendwie pikanterweise
- nur für Männer gibt. Die ÖVP argumentiert da auch immer mit dem Jugendschutz.
Interessant ist, dass dieser Jugendschutz nur bei Männern oder männlichen
Jugendlichen, aber nicht bei weiblichen Jugendlichen notwendig ist. (GR
Gerhard Pfeiffer: Sind viel sensibler!) Aber mit diese Frage möchte ich
mich nicht weiter auseinander setzen, weil es hier nicht um Jugendschutz geht.
Österreich ist hier das letzte Land, und ich denke,
wenn wir einmal so weit sind, dass ein Tiroler Gericht - obwohl dort nicht die
Ausgeburt des Liberalismus und Sozialismus herrscht - ein Gesetz wegen vermuteter
Verfassungswidrigkeit vom Verfassungsgerichtshof prüfen lässt, dann ist es
meiner Meinung nach höchste Zeit zu handeln.
Beim
Antidiskriminierungsgesetz ist es an sich auch so, dass es im EU-Europa Standard
ist, dass es Antidiskriminierungsgesetze für potenziell diskriminierende Gruppen
gibt.
Auch ich möchte mit dem mir nicht bekannten, Ihnen
wahrscheinlich bekannten Feri Thierry und einem Zitat aus seinem Kommentar in
der "Presse" vor wenigen Tagen schließen. (GR Mag Alexander
Neuhuber: Bei uns war es schon immer so ...!) Er sagt, es gibt viele Gründe
für die ÖVP, für die "Gleichstellung von Schwulen und Lesben"
einzutreten: "Weil sie eine logische Konsequenz bürgerlicher Werte ist.
Die gesetzliche Anerkennung einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft mit
Rechten und Pflichten fördert verantwortungsvolles Zusammenleben, das gerade Bürgerlichen
und Christdemokraten ein Anliegen sein muss. Keine Ehe weniger würde
geschlossen werden, wenn Schwule und Lesben die Möglichkeit hätten, ihr
Zusammenleben auch rechtlich und sozial abzusichern. Und auch die Abschaffung
des schwulendiskriminierenden Strafrechtsparagraphen 209 lässt den
Jugendschutz und die Bestrafung von sexuellem Missbrauch unberührt. Denn dieses
Gesetz schützt niemanden, sondern kriminalisiert die Liebe zwischen jungen Schwulen.
Eine bürgerliche Partei muss ihren Werten wie Verantwortung, Solidarität und
Freiheit gerecht werden."
In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie vielleicht doch
zustimmen. Wenn Sie heute nicht zustimmen, hoffe ich, dass Sie Ihre
Bundespartei davon überzeugen, selbst Anträge einzubringen, die diese
Diskriminierungen abschaffen, oder diesen Anträgen der Sozialdemokratie
zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum
Wort gemeldet ist Herr StR Herzog. Ich erteile es ihm.
StR Johann Herzog: Meine sehr geehrten
Damen und Herren!
Dem vorliegenden Beschluss- und Resolutionsantrag von
SPÖ und GRÜNEN werden wir keine Zustimmung geben und wir werden auch begründen,
warum nicht.
Der Antrag ist so, wie er sich darstellt, unserer Meinung
nach ein Mix verschiedenster Inhalte, die in dem Sinn nicht unbedingt
zusammengehören. Es werden eine Reihe von Forderungen gestellt, die völlig
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