Gemeinderat,
1. Sitzung vom 27.4.2001, Wörtliches Protokoll
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wird, da muss man, glaube ich, die Frau GR Stubenvoll
fragen. Sie weiß es offensichtlich. Ich bezweifle das.
Jetzt möchte ich ganz geschwind - gehen wir es
einfach durch - einmal schauen, wie sozialgerecht Wien ist, wo wir einer
Meinung sind und wo wir geteilter Meinung sind.
Ist es gerecht, dass pensionierte Menschen mit
100 000 S netto zum halben Preis auf den öffentlichen Verkehrsmitteln
fahren und die Obdachlosen zum vollen Preis? Ist das gerecht? Finden Sie das
gerecht? - Ich finde das ungerecht und ich möchte das ändern.
Oder anderes Beispiel: Ist es gerecht, dass ausgerechnet
die Ärmsten dieser Stadt nicht einmal wohnen? Ist das gerecht in Ihren Augen? -
In meinen ist es nicht gerecht und ich möchte das ändern. Es muss ein Recht auf
Wohnen geben. Wien ist eine reiche Stadt, Wien kann sich das leisten. Ich
fordere ein Recht auf Wohnen! (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Ist es gerecht, dass es am Arbeitsmarkt immer mehr
Arbeitsplätze gibt, vom AMS vermittelt, wo Leute 40 Stunden lang arbeiten
und dafür 9 000 S bekommen? Ist das gerecht? Finden Sie das gerecht?
- Ich finde das nicht gerecht und ich bin der Meinung, auch da müssen wir etwas
ändern, diese ganzen geringfügigen Anstellungen, diese ganzen Unterbezahlungen.
Jetzt weiß ich schon, Wien kann nicht alles tun. Aber
zumindest der politische Wille und die Aufforderung an eine Bundesebene müssen
doch zunächst einmal da sein und da müssen zumindest zwei Parteien in diesem
Hause aufstehen, aufschreien und sagen, das ist Ungerechtigkeit und Ungerechtigkeit
gehört weg.
Ist es gerecht oder überhaupt sinnvoll - ich halte
das für einen Blödsinn -, dass auch heute noch in Pflegeheimen der Stadt Wien,
und zwar picobello neu errichteten, immer noch Vierbettzimmer eingerichtet
werden? Was halten Sie davon? - Kommen Sie zum Mikrofon und reden wir darüber,
ob das gerecht oder sinnvoll oder gescheit oder sozial oder sonst etwas ist!
Die Grünen sagen: Nein, das ist
nicht sozial!
Ist es gerecht, dass es Kinder in dieser Stadt gibt,
und zwar viele Kinder, die keinen Kindergarten besuchen und dadurch bei
Schulstart einen großen Nachteil haben, nur deswegen, weil sich ihre Eltern den
Kindergartenbeitrag nicht leisten können oder aber nicht wollen? Sind wir
dafür, dass diese Kinder einfach zu Hause bleiben oder sagen wir, da tun wir
etwas? Sagen wir, das Problem haben wir erkannt und wir tun jetzt etwas dafür,
dass die Kinder alle zumindest im Jahr vor Schuleintritt in diesen Kindergarten
gehen und dass Geld nicht die ausschlaggebende Rolle sein kann?
Weil vorhin auch von den Behinderten die Rede war:
Auch da muss man sich fragen, ob es gerecht ist, dass diese in Wien noch immer
nicht so mobil sind wie wir alle, dass das ewig dauert und dass das ein
zermürbendes Schneckentempo ist, bis da etwas weitergeht. Das erlebt ja kein
Mensch. Ist das gerecht?
Eine letzte Frage: Ist es Ihrer Meinung nach gerecht,
dass man den gehörlosen Kindern keine Schule gibt, wo die Gebärdensprache, die
die Muttersprache dieser Kinder ist, nicht die erste Sprache ist, wo Lehrer und
Lehrerinnen unterrichten, die diese Sprache nicht einmal perfekt beherrschen?
Ist das alles die Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit?
- Meine Vorstellung ist das nicht. Ich habe jetzt nur einige wenige Punkte
angeführt, weil ich da nicht stundenlang reden will, ich sehe ja schon die
Ungeduld. Aber der Bürgermeister hat in seiner Antrittsrede ganz klar gesagt,
man muss alles dazu tun, damit diese Gesellschaft nicht auseinander bricht.
Wenn wir diese sozialen Ungerechtigkeiten nicht beseitigen, dann bricht sie uns
auseinander. Wir müssen dagegen etwas tun! Sie müssen etwas tun und die Grünen müssen auch etwas tun! Wir
können nicht zuschauen, wir können das nicht akzeptieren und wir müssen etwas
tun! Deswegen wäre es wahrscheinlich sinnvoll, wenn es in Wien nicht nur eine
Mobilcard und nicht nur eine Citycard gibt, sondern wenn es in Wien auch so
etwas wie eine Fairnesscard gäbe, sodass Menschen mit wenig Geld überall
weniger bezahlen. Dann wäre vielleicht ein Stück sozialer Gerechtigkeit für
Wien errungen.
Jetzt danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit zu so
später Stunde. - Danke schön. (Beifall
bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Rudolf Hundstorfer: Als nächste Redner ist Frau StR Dipl Ing Dr
Rothauer zum Wort gemeldet. - Bitte.
StR Dipl Ing Dr Herlinde Rothauer: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr
geehrten Damen und Herren!
Die Reihen haben sich begreiflicherweise schon vor
längerer Zeit gelichtet. (GR Dr Wilfried
Serles: Bedenklich!) Nachdem wir uns jetzt schon in der dritten Runde
befinden, will auch ich mich in die Reihe jener einreihen, die eher einen
sachlichen Debattenbeitrag bringen und vor allem Sachthemen der neuen Regierungsperiode
anschneiden.
Trotzdem muss ich auf einiges eingehen, ganz einfach
weil ich das nicht so im Raum stehen lassen kann, wie es heute in Behandlung
war. Da fällt mir gleich zu Beginn die Sorge von Herrn Klubobmann Chorherr ein,
dass die ÖVP jetzt in einer Rolle ist, wo er glaubt, dass wir gar keine
Oppositionspolitik machen können - wenn ich Sie richtig verstanden habe -, weil
wir unsere Wunden lecken, weil wir etwa mit Obmannfragen oder mit sonstigen
Hindernissen beschäftigt sein könnten.
Ich kann Sie beruhigen. Ich kann auch Sie, meine sehr
geehrten Damen und Herren hier im Saale, beruhigen. Selbstverständlich werden
wir Oppositionspolitik machen! Nachdem wir nun auch Erfahrungen in der Regierungspolitik
gesammelt haben und - ich sage es
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