"Wohnen braucht Regeln" - Kostenlose Mieterhilfe der Stadt Wien - Experte Christian Bartok im Interview

Fragen zum Mietzins, zur Betriebskostenabrechnung oder Tipps zur Wohnungssuche: Christian Bartok, Leiter der Mieterhilfe der Stadt Wien, über typische Streitfälle, Pflichten von Vermieter*innen und notwendige Reformen. Die Mieterhilfe berät und unterstützt kostenlos.

Frau interviewt Mann mit grauem Polo-Shirt, roter Brille, grauem Bart und Kurzhaarfrisur

Christian Bartok leitet die Mieterhilfe der Stadt Wien. Das Gespräch gibt es zum Nachhören im Podcast der Stadt Wien.

MEIN WIEN: Mit welchen Themen bin ich bei der Mieterhilfe richtig?

Christian Bartok: Alles rund ums Wohnen - von Mietzinsvorschreibungen über Betriebskostenabrechnungen bis hin zu Mietverträgen. Und das im Bereich der privaten Wohnungen, aber auch bei Gemeindewohnungen und im geförderten Wohnbau. Die meisten Anfragen kommen aber aus dem privaten Bereich.

MEIN WIEN: Was sind sehr häufige Probleme, mit denen die Menschen zu Ihnen kommen?

Christian Bartok: Wir hatten in letzter Zeit immer wieder Probleme mit Vermieter*innen, die ihren Erhaltungspflichten nicht nachkommen - das kann im Haus sein oder innerhalb einer Wohnung. Oft geht es um die Betriebskostenabrechnung oder um eine Mieterhöhung.

MEIN WIEN: Was wären solche Erhaltungspflichten?

Christian Bartok: Die Instandhaltung des Rauchfangs ist so ein typischer Fall. Wenn das nicht gemacht wird, sperren die Rauchfangkehrer*innen den Kamin und man kann nicht heizen.

MEIN WIEN: Auch Mieter*innen haben Pflichten, Beispiel Therme.

Christian Bartok: Sie sind zur Wartung der Therme verpflichtet. Geht es um eine Reparatur, zahlt das aber der oder die Vermietende.

MEIN WIEN: Zur Betriebskostenabrechnung: Kann ich die selbst überprüfen?

Christian Bartok: Als Richtwert gilt: Alles zwischen 2 und 3 Euro netto pro Quadratmeter im Monat liegt im normalen Bereich. Wir haben auf der Website einen Betriebskostenrechner, mit dem man sieht: Kann das stimmen? Wenn der Wert zu hoch erscheint, helfen wir gern weiter. Und dann kann man bei der Schlichtungsstelle einen Antrag auf Überprüfung stellen. Die meisten Fehler passieren bei den Erhaltungsarbeiten. Wieder Beispiel Kamin: Das Schleifen des Kamins ist eine Instandhaltung und darf nicht weiterverrechnet werden.

MEIN WIEN: Schimmel führt auch immer wieder zu Diskussionen. Wie ist da die Rechtslage?

Christian Bartok: Unserer Erfahrung nach ist in 80 bis 90 Prozent der Fälle falsches Wohnverhalten der Grund. Es kann aber auch ein baulicher Mangel Schuld sein. Grundsätzlich ist Schimmel ein Schaden, für den Vermietende zuständig sind. Wenn nachweislich falsches Wohnverhalten vorliegt, können die Kosten aber auf die Mietenden abgewälzt werden. Umgekehrt kann für Schimmel auch eine Reduktion der Miete erwirkt werden. Aber wichtig: lüften, lüften, lüften.

MEIN WIEN: Ein Streitthema ist auch die Verpflichtung, eine Wohnung ausgemalt zurückzugeben.

Christian Bartok: Das ist zwar nicht durch den Gesetzgeber, aber durch die Judikatur geregelt. Eine Klausel im Mietvertrag, die das vorsieht, ist nicht durchsetzbar. Normale Abnutzung, also ein paar Löcher oder vergilbte Wände, sind mit der Miete abgegolten. Das gilt auch für Kratzer im Parkett oder im Waschbecken.

MEIN WIEN: Beraten Sie auch zu Unterstützungsleistungen?

Christian Bartok: Ja, sehr gern. Wir haben auf unserer Website einen Überblick über alle Förderungen (60 KB PDF) zusammengestellt. Klimabonus, Wohnbeihilfe und einiges mehr. Das sind Ansprüche, keine Almosen - die sollte man sich holen.

MEIN WIEN: Wohnen ist teuer. Wie stehen Sie zum Thema Mietpreisdeckel?

Christian Bartok: Eine Mietrechtsreform wäre dringend notwendig. Darin sollte nicht nur eine Obergrenze für Mieten geregelt werden. Das Mietrecht sollte auf alle Wohnungen ausgeweitet werden, nicht nur auf Häuser, die vor dem 9. Mai 1945 erbaut wurden. Das ist skurril. Das Wohnen sollte vom Verbraucherpreisindex entkoppelt werden, besser wären zum Beispiel der Leitzinssatz oder der Lohnindex. Außerdem sollten die Befristungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Wien ist international ein Vorbild, vor allem durch den sozialen Wohnbau. Das gilt es zu schützen - dafür brauchen wir klare gesetzliche Regeln.

Die letzte Reform des Mietrechts war vor 30 Jahren. Wir brauchen dringend neue Regelungen - nicht nur eine Mietpreisgrenze.

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