Mitschrift
Ich bin Cecily Corti. Ich bin in Wien geboren am 17. April 1940, also in den Krieg hinein. Gelebt haben wir mit meiner Familie in der Südsteiermark, was heute Slowenien ist. Ich war das dritte von fünf Kindern. Ich war die erste Tochter. Ich hab zwei ältere Brüder. Und ... ich denke, dass allein schon diese Stellung als erstes Mädchen von ... den zwei vorangegangenen ... Kindern wichtig ist und auch eine Bedeutung für mein Leben hatte. Mein Vater ... war vollkommen außer sich über so ein kleines, damals noch sehr zartes Kindchen. Meine Mutter ist nach Wien gefahren für die Geburt. Gelebt haben wir dann bis 1945 am Land in der Nähe von Pettau, heute Ptuj. Mein Vater war Land- und Forstwirt. Er hat Land und Menschen dort geliebt. Er hat sich sehr verantwortlich gefühlt für das, was ihm von seinem Vater anvertraut wurde. Meine Erinnerung an diese ersten fünf Jahre, was ungewöhnlich ist, weil es waren schlimme Kriegsjahre, aber für mich ist es wie das Paradies. Es sind dann noch zwei Kinder nachgekommen. Allerdings meine kleine Schwester, das fünfte Kind, ist im Jahr '45 geboren ... unter ganz, ganz schlimmen Umständen. Wir mussten ... unsere Heimat verlassen. Mein Vater ist eingesperrt worden. Meine Mutter ist mit meinen beiden älteren Brüdern auch ins Gefängnis gekommen. Die waren dann sogar im gleichen Lager mit meinem Vater. Und da sie eben knapp vor der Geburt ihres fünften Kindes, meiner kleinen Schwester, war, ... .. wurde sie aus diesem Lager freigelassen. Das war ... eigentlich ganz ungewöhnlich. Ich weiß die genauen Umstände nicht. Nur, was ich in Erinnerung hab von ihr: Dass eben da ein Aufseher war, wie die Frauen alle aus dem Lager weggeschafft wurden auf ein Lastauto, und sie war hochschwanger. Und da wurde sie gefragt, wann die Geburt vorgesehen ist, und da hat sie gesagt: "In den nächsten zwei, drei Wochen." Da hat der gesagt: "Schauen Sie, dass Sie weiterkommen." Für meine Mutter war es extrem schmerzhaft, weil, es war die Trennung, die für sie doch ziemlich definitiv, aber für sie unvorstellbar war: die Trennung von meinem Vater. Sie hat dann das Kind, meine Schwester, in Pettau noch zur Welt gebracht, unter auch ganz schlimmen Umständen. Ich war mit meinem kleineren Bruder in der Steiermark bei Verwandten. Meine Mutter ist dann irgendwann auch ... .. in die Steiermark gekommen, wo wir waren bei den Verwandten. Sie ist aber dann noch einmal hinunter, obwohl, wie man ja heute hinlänglich weiß, die Umstände im Jahr '45, dieser Zusammenbruch, das war eigentlich nach Kriegsende ... Da waren die Umstände ... in Slowenien ... .. kaum beschreibbar. Aber sie hat einfach meinen Vater gesucht. Sie konnte sich nicht vorstellen ein Leben mit den fünf Kindern ohne meinen Vater. Wir haben ihn nie wiedergesehen. Die Umstände seines Todes haben wir nie ... wirklich ... .. gültig erfahren. Im Jahr '55 wurde er für tot erklärt. Und wir haben dann mit meiner Mutter ... insgesamt vier- oder fünfmal ... .. den ... Wohnplatz gewechselt. Für meine Mutter war das ... sehr, sehr bitter. Sie hat nicht aufgehört, meinen Vater zu suchen. Sie hat alle möglichen Wege gesucht, um irgendwas über ihn in Erfahrung zu bringen. Ja, die Existenzgrundlage war ihr entzogen, im wahrsten Sinne des Wortes. Für mich ist es fast ein Wunder, dass sie nicht verrückt wurde. Aber sie hat ein ganz tiefes Vertrauen gehabt, dass er wiederkommt. Ich kann mich erinnern, dass diese Jahre ... .. für mich geprägt waren dadurch, dass wir auf ihn gewartet haben. Sie war ein sehr tief frommer, gläubiger Mensch. Ich erinnere mich, dass wir immer Abendgebete gesprochen haben. Wir fünf Kinder sind am Boden gekniet, und sie hat Gebete erfunden, sie hat ... Lieder erfunden, die alle nur davon gehandelt haben, dass er wiederkommt. Und ich erinnere mich, dass ich von den ersten Zuckerln, die ich geschenkt bekommen hab, das war so eine Rolle Drops, nur zwei Stück gegessen hab und gesagt hab: "Die restlichen heb ich auf, bis er wiederkommt." Es war unvorstellbar. Jedes Weihnachten war immer wieder: Es kann nicht passieren, ohne dass er wiederkommt. Meine beiden Elternteile stammen aus alten österreichischen Familien. Das heißt, sie haben auch sehr stark in der Tradition ... der Herkunft gelebt. Warum mein Vater ... .. eingesperrt wurde, haben wir nie wirklich erfahren. Er war natürlich Deutscher nach den Gesetzen damals, obwohl sie urösterreichische Familien waren. Aber nachdem das Deutsche Reich ja bis da hinunter sich ausgeweitet hatte, war er Deutscher. Und das, was ich weiß, ist, dass er ... .. in keiner Weise irgendetwas mit dem Hitler anfangen konnte. Er war zutiefst angewidert. Ich glaube nicht, dass er ein politischer Mensch war. Also, er war in dem Sinn nicht im Widerstand. Aber er hat sich ganz intensiv um die Bevölkerung dort gekümmert, die gefährdet war. Das war immer in der Nacht. Das war auch bekannt. Am Tag musste er sich als Deutscher verhalten. Ich denke, das war eine Gratwanderung, die dann eine Rolle gespielt hat, wie eben der Krieg zu Ende war und einfach alles, was Deutsch war, verfolgt wurde. Ich glaube, oder so haben wir es jedenfalls mitbekommen, dass der Verwalter ... Da waren auch ... Weinberge, und da war ein großer Weinkeller, und der Verwalter hatte den Schlüssel dazu. Und wie Vater draufgekommen ist, dass er trinkt, hat er ihm den Schlüssel weggenommen. Das kann eine Erklärung sein, dass der ihn ... .. einfach verleumdet hat, das war nicht schwierig. Es war für alle nicht nachvollziehbar. Die Bevölkerung war total auf seiner Seite. Aber nachdem alles drunter- und drübergegangen ist in der Zeit ... Die Bevölkerung aus der Gegend wurde in den Süden verfrachtet. Von Serbien und dem Süden von Jugoslawien sind sie hinauf ... umgesiedelt worden, die Menschen. Also ... es war einfach Chaos, und es sind fürchterliche Dinge passiert. Das war alles nach dem Zusammenbruch. Warum ich es als Paradies empfunden hab? Ich hab einfach Erinnerungen, dass wir gespielt haben und die Eltern mit uns. Ich erinnere mich an Seilhüpfen oder dann war da ein Schwimmbad, das war alles aus Holz. Und ich erinnere meinen Vater, wie er da im Wasser gestanden ist, einfach mit offenen Armen, und ich bin mit Anlauf frei in seine Arme gesprungen, ohne die geringste Angst, dass mir da etwas passieren könnte. Also, ich glaube, das ist so ein ganz großes Privileg, das sich durch mein Leben zieht, dass ich so ein Urvertrauen hab. Es war entscheidend für mein Leben, dass dieser Vater, den ich sehr geliebt hab, sehr, der ist für mich einfach der Inbegriff des Väterlichen, des Männlichen, des Beschützenden und ... .. des 'weit Lassenden'. Ich hab nie etwas von Enge gespürt. Aber das auch während dieser ganzen ersten fünf Jahre, die wir da noch zu Hause waren. Es einfach Geborgenheit und Vertrauen und ... .. tiefes Aufgehoben sein mit den Geschwistern und den Eltern. Von der Not weiß ich nicht viel. Wir haben sehr einfach gelebt. Ja ... Das waren so die ersten fünf Jahre, bis wir eben dann diese ... .. Fluchtstationen hatten ... .. und im Jahr '52, nein, im Jahr '55 sind wir nach Salzburg gezogen. Ich kann mich nicht wirklich an Not erinnern. Es war so selbstverständlich: Wir haben im Wald Heidelbeeren gepflückt, damit wir Vitamine bekommen. Wir haben Holz gesammelt, damit wir einheizen können. Ich erinnere mich, ja, immer wieder an die Mutter, die weg war, weil sie meinen Vater gesucht hat, und dass ich unglaublich intensiv an meiner Mutter gehangen bin. Sie war einfach ... mein Lebenszusammenhang. Dass ein Mensch an einem seelischen Schmerz nicht stirbt, das ist eigentlich brutal. Dass wir wohl sterben durch körperliche Qualen und Folterung, wobei wir da ja einiges scheinbar aushalten können, aber dass man dann doch letztendlich daran stirbt. Aber am seelischen Schmerz stirbt man nicht. Ich empfand das als brutal. Ich glaube, das hing auch zusammen einerseits mit ihr, aber auch, dass Menschen ... im Holocaust und in dieser ganzen Zeit des Naziregimes ... .. überleben wollten und konnten, trotz all dem, was ihnen angetan wurde. Also, dass der Überlebenswille des Menschen so stark ist, ... .. dass er das überlebt, dass man nicht einfach an Kummer, an innerer Qual zugrunde geht. Oder auch zugrunde gehen will, weil man ja keinen Grund zum Weiterleben verspürt. Ich erinnere mich nur, dass ich mit meiner Mutter dann einmal meine Verwandten besucht hab in Niederösterreich, im Waldviertel. Wir sind da durch verschiedene Zonen gefahren. Mit dem Zug. Aber wie das abgelaufen ist? Wichtig war, dass wir jetzt in eine andere Zone kommen. Ich glaube, in Salzburg ... waren da die Amerikaner. Es war ganz eindeutig in Linz oder in der Nähe von Linz, da war die Trennung, da war dann die russische Zone. Es war wichtig für uns, dass wir nicht in der russischen Zone leben. Und es war für meine Mutter nicht ungefährlich. Ich erinnere mich an, an ... Bahnhöfe, wo ich panische Angst hatte, meine Mutter zu verlieren. Sie hat mich auf den Koffer gesetzt und hat gesagt, ich soll da sitzen bleiben. Sie musste den Zug suchen oder die Fahrkarten kaufen. Aber ich erinnere mich, dass ich einfach nur panische Angst hatte, ob sie wohl kommt, ob sie kommt, dass ich da sitzen bleiben muss. Also, auch diese Erinnerung, wenn man einen Treffpunkt ausmacht, koste es, was es wolle, dort bleibst du sitzen, bis man wieder zusammenkommt. Ich hab Träume gehabt, daran erinnere ich mich ... Wir haben außerhalb von Feldkirch in Maria Grün gelebt, das ist auf der Höhe oben. Das Haus hatte eine wunderschöne Aussicht. Ich hatte einen immer wiederkehrenden Traum, wo die Russen kommen. Wir haben im ersten Stock gewohnt, und meine Mutter hat unten alleine gewohnt. Und die Russen stürmen das Haus und nehmen zuerst meine Mutter. Sie ist im Lastauto vorne, und das Lastauto hat einen Anhänger und wir Kinder sind alle ... .. im Lastauto. Und diese Trennung von der Mutter, dass ... Ich war nur in Panik. Und es war Nacht. Und wir fahren durch die Nacht, und irgendwo bleibt dieser Lastzug stehen, und der Anhänger wird abgekoppelt. Und ich bin von meiner Mutter getrennt. Das ist so etwas, was ich als begleitende Erinnerung aus meiner Kindheit hab: Die Angst, von der Mutter getrennt zu werden. Das Eine, an das ich mich erinnere, war, wie '45 der Krieg aus war. Da waren meine Eltern nicht da, natürlich. Meine Mutter war ja mit den zwei älteren Brüdern, und ich war mit den Verwandten. Da war auch noch eine Art ... Kinderschwester, Wirtschafterin, die mitgekommen war aus Slowenien. Die war bis zu ihrem Lebensende bei mir dann auch. Die ist bei mir gestorben, hier in der Wohnung, jetzt vor fünf oder sechs Jahren. Die ist zu einem Familienmitglied geworden. Die war immer bei uns. Ja, und die ist in den Raum gekommen, und ich weiß nur, dass da ein Jubel war: "Der Krieg ist aus, der Krieg ist aus!" Ich war mit meinem kleineren Bruder zusammen. Er saß auf dem Topf. Ich weiß nur, dass da große Freude war. Dass es dann noch so schlimm geworden ist, das haben wir nicht ahnen können. Ich weiß auch noch, dass diese 'Nuna' in großer Gefahr war. Irgendwann war ein Moment, wo sie von einem Russen ... .. mitgenommen werden sollte. Es war die unmittelbare Gefahr der Vergewaltigung. Es ist nur durch Zufall, weil ein anderer dazugekommen ist und den gerufen hat, verhindert worden. An den Staatsvertrag, an den erinnere ich mich, ja. Ich glaube, da waren wir gerade im Zug oder auf einem Bahnhof. Daran erinnere ich mich. Dass Österreich frei ist, dass sich das alles jetzt verändert, dass die letzten Russen Wien verlassen haben und dass damit eine neue Ära beginnt. Das hab ich mitbekommen und ... .. dass ich wieder in Salzburg bin, dass wir mit der Familie sind. Ich war sehr gerne im Internat. Das war für mich keine Quälerei. Es war dann eine Umstellung, und die ist relativ schnell und unkompliziert passiert. Im Internat war ich zwischen 1952 und 1955. Da erinnere ich mich nur, dass wir Pakete von zu Hause bekommen durften. Da gab es ein Kellerverlies, und da wurden die aufgehoben. Und an einem Tag der Woche wurde das ausgegeben. Das Essen war wahnsinnig einfach. Also, das war ... Ich erinnere mich immer nur an Kartoffeln, die aus dem Wasser gezogen waren und an grauenvollen Fisch. Dass wir Äpfel stehlen gegangen sind von Apfelbäumen und uns da nicht erwischen lassen wollten. Ich hab nicht mitgekriegt, da waren ältere Mädchen, aber ... .. da hab ich mich total als Kind gefühlt. Das habe ich dann erst begriffen, wie ich in der Schule in Salzburg war nach '55: Dass da, so wie ich 16, 17 war, äh, Jugendliche waren. Mädchen waren, die gekichert haben, ... .. und die von Freunden erzählt haben, und die irgendwann ... Rendezvous hatten. Ich hab mich nicht betroffen gefühlt davon. Es hat nicht wirklich eine Bedeutung gehabt für mich. Ich bin dann in die Tanzstunde gegangen. Mit 17 wahrscheinlich. Ich hab das ein bissl aus der Distanz betrachtet. Ich hab '59 maturiert in Salzburg. Ich weiß, dass mir die Schule keine besonderen Schwierigkeiten bereitet hat. Natürlich hab ich ein bissl Angst gehabt vor der Matura. Aber das ist ziemlich problemlos gegangen. Ich hab wahnsinnig geschätzt, dass meine Mutter sehr großzügig war. Die hat nie Angst verbreitet. Wenn ich am Abend ausging und spät nach Hause kam, da waren nie Vorwürfe, im Gegenteil. Sie wollte nur, dass ich zu ihr komme, sie aufwecke, wenn ich nach Hause komme und ihr erzähle. Wenn es lustig war, hat sie sich mit mir gefreut, und wenn es nicht lustig war, dann fand sie: "Ach, das ist normal, und das wird ein anderes Mal ... anders sein." Ich hab mich interessiert ... Irgendwo wollte ich eigentlich Medizin studieren und hab aber dann gedacht: Nein, das dauert zu lange. Ich will von der Welt etwas sehen und die Welt kennenlernen. Ich will beweglich sein, ich will nicht an einem Ort festsitzen und ein Studium konsequent verfolgen. Ich bin nach Wien gekommen und hab dann erst einmal bei meiner Großmutter gewohnt. Was hab ich gemacht? Ich hab erst mal einen Sekretärinnen-Kurs gemacht. Ich hab ... Schreibmaschine und Steno gelernt. Und dann weiß ich, dass meine Großmutter gefunden hat, weil ich eine Zeit lang nichts getan hab, entweder ich muss innerhalb von drei Wochen einen Job haben, und dann schenkt sie mir ein kleines Auto, und wenn ich keinen Job hab, dann muss ich die Wohnung verlassen. Wien war für mich fremd. Das war die Großstadt, das war unheimlich. Zwei Brüder studierten schon in Wien. Die taten mich als kleines Gemüse ab. Die waren mir überhaupt keine Stütze. Ich hab eigentlich Panik gehabt. Ganz am Anfang, ich weiß, wenn wir da ... Ich weiß, dass ich einmal mit meiner Mutter mit dem Auto, ich glaub, einen Volkswagen ... Da war noch keine Autobahn, und auf dem Weg zwischen Linz und Wien ist plötzlich, es war Winter, die Fensterscheibe gebrochen. Es ist der volle kalte Wind auf uns geblasen. Komischerweise hatten wir Tuchenten und Decken im Auto. Entweder hat sie für meine Brüder Decken gebracht ... Ich erinnere mich, dass wir uns ganz dick eingepackt haben und so in Wien eingefahren sind. Und diese Lichter am Abend haben mich beeindruckt. Einfach Großstadt, fremd. Ich hab mich wie ein ... unbedarftes, kleines Mädchen gefühlt, unfähig ... dem gerecht zu werden. Ich hatte das Gefühl, ich hab den Boden unter den Füßen verloren und ich muss schauen, wie ich damit zurechtkomme. Und ... dann war mein erster Job. Das war eine Annonce in einer Zeitung. Und das war der Paul Lendvai. Und ich bin mich vorstellen gegangen und er hat ... Ich glaub, es war im 5. Bezirk, aber ich kann mich nicht erinnern. Ich erinnere nur, dass ganz viele Bücher und Zeitschriften da waren. Und er hat halt eine ... Hilfe gesucht. Und ... .. ich hab mir gedacht, das schaff ich nie. Zu meiner allergrößten Überraschung wollte der mich haben. Das hab ich zwei ... oder irgendeine Zeit später, ob das zwei Wochen waren oder zehn Tage, keine Ahnung, jedenfalls hab ich das abgesagt. Und dann ... Was war denn dann? Ach ja, dann war mein erster Job beim Otto Molden. Der hatte eine neue politische Partei gegründet. Die Europäische Föderalistische Partei Österreichs. Also, das ging schon auf Europa zu. Und ... ja. Da war ich nur wenige Monate. Dann ist Sommer gewesen und ich wollte ... .. im Sommer nach Salzburg. Dann bin ich, wie, weiß ich auch nicht mehr, auf Richard Coudenhove-Kalergi gestoßen, den großen Paneuropäer. Der hat in Salzburg eine Unterstützung gesucht. Das war eine ganz wunderbare Erfahrung. Dieser Mensch war wirklich eine große Persönlichkeit. Er hat in einem wunderschönen Haus in der Hellbrunner Allee gelebt. Ich erinnere mich nur, dass er mir immer wieder Briefe diktiert hat. An Golda Meir und an de Gaulle und an Adenauer, mit denen er befreundet war, das waren alles große Europäer. Ein ganz wunderbarer Mensch. Und ich hatte inzwischen einen kleinen Puch 500. Den hat mir meine Großmutter gegeben, einen gebrauchten. Dann hat mich, wie weiß ich nicht mehr, das Angebot erreicht, dass ich nach Alpbach zu den Hochschulwochen komme und dort dem damaligen Präsidenten Auer eine Unterstützung bin, eine Sekretärin. Das war ein großer Einschnitt in meinem Leben. Ähm, ... in jeder Hinsicht. Da hat es sich einfach ergeben, dass mehrere Männer Interesse an mir hatten. Und zu meiner größten Verwunderung eben ... .. alle gefunden haben, sie wollen mich heiraten. Ich war überhaupt nicht bereit, zu heiraten, und keiner dieser Männer kam infrage. Einer hat mich sehr fasziniert. Das war ein ... .. ja, das war eine sehr ungewöhnliche Persönlichkeit, wo ich den Namen jetzt nicht nenne, weil er ganz bekannt ist in Österreich. Aber das war nicht möglich, aber der war als Mensch sehr faszinierend für mich. Aber natürlich bin ich in Alpbach damals meinem späteren Mann begegnet, dem Axel Corti. Und ... .. der hat auch, wie er meint, viel zu früh mir gezeigt, dass er mich heiraten will. Wobei ich bei ihm gedacht hab: "Gott sei Dank, ein Mann, da kommt heiraten nicht infrage." "Da komm ich in keine Bredouille, muss keine Sorge haben." Und dann war es relativ ... Ich glaub, nach fünf Tagen hat er mir gesagt, was anderes kommt nicht infrage als eine Heirat für ihn. Ja, das hat mich einfach perplex gemacht. Aber ich hab's nicht ausgeschlossen, sagen wir mal so. Ich bin dann aber für eineinhalb Jahre ins Ausland. Mein ältester Bruder hat in Paris gelebt, und da war das Angebot da: Eine internationale Organisation hat aus Österreich jemanden gesucht, die Sprachen kann. Inzwischen war ich, das hab ich vergessen zu sagen, nach der Matura war ich mal ... .. ich weiß nicht, ein halbes Jahr in Paris. Ich war da an der Sorbonne, hab Französisch gelernt. Ich hab da in der Familie von Giscard d'Estaing gelebt. Bei seinen Eltern und seiner Schwester. Wir waren befreundet, also, von dem späteren Premierminister. Und dann war ich in England ein Jahr in einer Schule. Da hab ich Englisch gelernt. Ich meine, ich hab dort viel mehr gelernt als in der Schule. Es war eine ganz tolle ... Art Finishing School hat die damals geheißen. Das war eine große Persönlichkeit, die Direktorin von dieser Schule. Das war in der Nähe von Oxford. Danach bin ich nach Wien gekommen und danach hab ich erst diesen Sekretärinnen-Kurs gemacht. Ich weiß, dass ich relativ lange den Gedanken verfolgt hab, ich will nach Hongkong gehen. Hongkong war für mich der Inbegriff des 'weit weg', keine Familie, völlig auf sich gestellt, kein Mensch, den du kennst, der dir hilft. Alles wirst du dort selber machen müssen - vom Ankommen und Suchen, wo du überhaupt unterkommst, bis zu einem Lebensunterhalt finden. Und ich weiß, dass ich mir gedacht hab, ich brauch nicht Hongkong, jetzt hab ich mein Hongkong mit meinem Mann. Wir haben uns dann auch noch kurz vor dem geplanten Hochzeitstermin entlobt. Das war ein ... Das war einfach, dass wir beide, jedenfalls hat er mir gesagt, er hat das auch gespürt, so können wir nicht heiraten, weil wir immerzu unterschiedlicher Meinung waren. Gleichzeitig hab ich dann aber auch gespürt, dass mir etwas verloren geht, was nicht wieder gutzumachen ist. Ich weiß nicht, ob ich das so konkret gedacht hab, für mich war das damals schon definitiv. Es war eigentlich mehr ein Zufall, aber eben ein Zufall, der schon ... .. ja, vielleicht im Plan meines Lebens war, dass wir dann beide sehr bewusst und hundertprozentig zugestimmt haben: Wir wollen das Leben miteinander leben. Ich ... war ... glücklich über diese Eröffnung von Kultur. Ich war froh, mit jemandem ins Theater gehen zu können. Wobei ich da eine Erinnerung hab, dass ich dachte: Wunderbar, der Mann nimmt mich an der Hand und führt mich in alles ein, erklärt mir alles. Das wollte mein Mann überhaupt nicht. Der war weit davon entfernt. Er hat mir immer gesagt, das muss ich mir selber erarbeiten. Er will eine Partnerin. Er will kein kleines Mädchen, das in die Welt und in die Kunst eingeführt wird. Für mich ist es ein Wunder, dass er mich wollte. Ich war absolut blank. Ich hatte keine Ahnung von gar nichts. Und ... ja. Es war spannungsgeladen. Ich denke, mein Leben mit meinem Mann war vom ersten Tag an ... voller Spannung, in jeder Hinsicht. Er hatte mit mir Mühe, ... .. und ich hatte mit ihm Mühe, aber wir waren, ... .. jedenfalls ich war ... .. über lange, lange Jahre ... .. ohne jeden Zweifel sicher, ohne den geringsten Zweifel sicher, dass ich mein Leben mit ihm teilen will. Und ich glaube, er war das auch. Aber wir hatten dann nach 20 Jahren ... Waren das 20 Jahre? Ja, ungefähr nach 20 Jahren war dann schon eine große Krise. Und die Kinder waren für mich einfach Glück. Ich war ... fassungslos, dass man so ein Geschöpf auf die Welt bringt. Ich hatte ja gleich am Anfang Zwillinge. Davor hatte ich einmal eine Fehlgeburt. Und das war auch sehr schmerzhaft, unbegreiflich für mich. Und umso mehr war es für mich ein Wunder, einfach Kinder auf die Welt zu bringen, und dass ich das kann, und dass das unsere Kinder sind. Das Spannende da war für mich, was wird aus so einem 'Würmchen', das du auf die Welt schiebst? Und das sich dann zu einem Menschen entwickelt, wo eigentlich alles schon in diesem kleinen Wesen angelegt ist. Und wo doch sehr viel von mir als Mutter, von uns als Eltern davon abhängt, was aus diesem ... Kind sich entwickelt, im wahrsten Sinn des Wortes. Ja, wer bin ich? Wer bin ich? Warum bin ich da? Was kann meine Aufgabe im Leben sein? Es muss um mehr gehen, als ... eine gute Frau dem Mann zu sein und eine gute Mutter. Das ist mir zwar weiterhin ein wichtiger Aspekt, immer gewesen, das kann man gar nicht aufgeben, aber: Wer bin ich? Da bin ich auf Graf Dürckheim und seine initiatische Therapie gestoßen. Dann kamen die Ausbildungsjahre in der Nähe von München. Da konnte ich dann parallel in München arbeiten. Ich hab mitgearbeitet bei der Vorbereitung eines Kongresses, "Geist und Natur", der fand in Hannover statt. Damit ist für mich eine neue Welt aufgegangen. Das war Spiritualität, Wissenschaft, Naturwissenschaften, Religion, eine Standortbestimmung. Das war unglaublich aufregend! Da habe ich erlebt, dass es einen riesigen Bereich gibt, der mich fasziniert und ... .. dem ich Raum geben will. Gleichzeitig diese Ausbildung, wo ich nie gedacht hab, dass ich als Therapeutin arbeiten werde. Das hat sich dann von selber ergeben. Dann bin ich Ende der 80er Jahre nach Wien zurückgekommen und wollte einfach sehen: Ist der Mensch, der ich geworden bin, noch der Mensch, der mit diesem Mann zusammenleben will, und mit dem er zusammenleben will? Wir haben immer Kontakt behalten, aber es war einfach Distanz, räumliche Distanz. Ich bin in den Jahren immer wieder alle paar Wochen nach Wien gekommen. Der Kontakt war absolut da, aber es war uns beiden bewusst, dass es ... .. einer Revidierung bedarf oder einer Besinnung. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar, dass ich dann doch noch etliche Jahre mit meinem Mann hatte, die unter ganz anderen ... Voraussetzungen waren. Die vielleicht ... .. ja, von uns zumindest annähernd so gelebt wurden, wie wir es uns beide gedacht haben. Zumindest er, er hat immer gesagt: "Warum konntest du nicht von Anfang an so sein?" Für mich war es auch sehr spannend, weil ... ich ihn neu wahrnehmen konnte. Ich hab ihn einfach mit ganz anderen Augen gesehen. Und ich hab das, was er mit seinem Leben ausdrückt, auf eine ganz andere Weise ... .. schätzen, achten und wahrnehmen können. Es ist immer deutlicher geworden: Wonach hast du Sehnsucht? Was ist deine Vision von ... Menschen, wie sie miteinander umgehen, wie Beziehungen stattfinden? Warum gehen so viele Beziehungen schief? Warum herrscht Krieg zwischen Menschen, die sich eigentlich nah sind? Daraus hab ich dann gedacht: Was kannst du tun? Du kannst nur dem, wonach du Sehnsucht hast, nachgehen, und dann verändere mal das in deiner unmittelbaren Umgebung. Was kannst du da verwandeln? Wo spürst du die ... .. Stolpersteine und die Wände, die Menschen trennen. Diese Distanz, die immer stärker zwischen den Menschen entsteht. Wir erleben über das Fernsehen die unglaublichsten persönlichen Geschichten, aber wie wenig weiß der eine Mensch eigentlich vom anderen? Ich würde sagen, mich haben Obdachlose nicht angezogen. Also, ich hab eher einen Bogen um sie gemacht. Ich hab auch nicht viel Gedanken drüber verloren. Das war Teil des Leids, des Schmerzes in der Welt. Aber ich wäre nicht auf die Idee gekommen, das zu lindern. Ich glaube, es war eher eine Scheu. Nicht wissen, wie nähere ich mich dem und ich kann eh nix daran ändern. Das war dann in Paris, wie ich das Glück hatte, in einem Frauenhaus zu arbeiten, das eine Frau gegründet hat, die keine Sozialarbeiterin vom Beruf her war. Die hat einfach damit begonnen, mit Frauen, die auf der Straße leben, zu arbeiten, die aufzunehmen. Denen ein Umfeld zu schaffen, wo die nicht therapiert werden, sondern eigentlich durch ein ... .. enges Zusammenleben selber draufkommen, wie sie Anteil haben an der Situation, in der sie leben. Also, immer wieder: Was kann auch der Einzelne daran verändern? Es ist nicht immer nur die Gesellschaft schuld. Denen spürbar nahezubringen durch das Zusammenleben, da waren sehr genaue Regeln, wie das stattfindet, wie sie selber Konflikte generieren, wie sie selber auch 'schuld' sind. Wobei das Wort 'Schuld' vermeide ich lieber. Aber wie sie mitwirken an der Situation, in der sie sind. Das hat mich sehr beeindruckt. Und da bin ich ... Da hat sich sicher auch eine Hemmung gelöst, die zwischen Menschen, die eben auf der Straße leben, und mir bestanden hat. Es war eine Sprache, in der ich nicht zu Hause war, obwohl ich Französisch kann. Da bin ich wirklich ins kalte Wasser geworfen worden. So nah mit Menschen zusammen zu sein, die eine ganz andere Lebensgrundlage haben und wie ... unendlich bereichernd es für mich ist, aber auch, was in mir gefordert ist, was ich ihnen bereitstellen kann. Was das in ihnen bewirkt, indem man einfach eine Klarheit und eine Struktur zur Verfügung stellt, oder so, wie man ist. Es ist nichts anderes, als ... Für mich ist ein Satz da sehr klar: "Tun, was zu tun ist." Keine großen Gebäude oder Hirngespinste oder man muss gut sein oder Gutes tun. Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Das war es auch nicht, wie ich nach Wien gekommen bin. Ich wollte nach Wien zurück. Ich hab gewusst, ich werde nicht in Paris bleiben. Aber es war mir klar: Ich will etwas tun, wo was Not tut und hab ich mich umgeschaut. Ich bin im Zuge verschiedener anderer Begegnungen auf den Pfarrer Pucher gestoßen, der sein Projekt 'VinziDorf' von Graz auch in Wien gründen wollte, auf die Beine bringen wollte. Er hat einen Vortrag gehalten. Und die Art und Weise, wie er darüber gesprochen hat, er hat Mitarbeiter gesucht, er war unglaublich dynamisch, sehr einfach, das hat mir sehr imponiert. Er hatte keine großen Missionsgedanken, keine Missionierung, da war ich immer sehr skeptisch, und das hat mich immer in Distanz gebracht. Ich bin nachher zu ihm hin und hab gesagt: "Ich stelle mich zur Verfügung, ich möchte das machen." Er hat gesagt: "Wunderbar." Er hat natürlich gehofft, dass er noch andere Menschen dazu findet. Ich glaube, es haben sich auch einige damals gemeldet. Ich wusste in der Nacht, ich wusste es in der Früh nach dieser Nacht, dass das mein Leben verändern wird, dass ich das nur machen kann, wenn ich es hundertprozentig mache. Und dass ich mich ... .. hundertprozentig ... einbringen will. Dass es eine absolute Hingabe und Einsatz von allem, was ich in meinem Leben gelernt hab, von Hirn und Herz, fordern würde. Aber dass ich das will. Und ich hatte ... Ich hab gewusst, dass ich nie mit obdachlosen Männern zu tun hatte. Ich wollte lieber mit Frauen arbeiten. Es hat sich mir aber so angeboten. Gut. Ich glaube, es war schon auch so, dass ich etwas anfangen wollte, etwas neu anfangen wollte. Ich wollte damals nicht ... Ich hab das probiert an verschiedenen Stellen, ehrenamtlich zu arbeiten. Aber es war dieser Anfängergeist, etwas beginnen zu können und etwas von Grund auf ... .. sich entwickeln zu lassen mit allem, was mir möglich ist. Ich bin damals auf die Suche gegangen nach einem Grundstück. Ich wollte nach dem Vorbild von Pfarrer Pucher ein Dörfchen gründen. Das hat mir unheimlich imponiert, dass Obdachlose eigenständig leben, aber doch in einer Art von Gemeinschaft. Das ist gescheitert, weil wir kein Grundstück gefunden haben. Dann hab ich das Angebot bekommen von einem ... Unternehmer, den kannte ich nicht, der hat angerufen: "Ich hab gehört von Ihrem Projekt." "Meine Frau und ich möchten gerne eine größere Spende machen." Das waren etwas über ... 200.000 Euro. Er ist jetzt unser Kassier. Wir konnten damit ein Haus kaufen in der Wilhelmstraße 10. Das war der Auslöser. Ich hab schnell ... Wir haben einen Verein gegründet. Wir haben schnell mit dem Verein beschlossen, dass wir jetzt kein Grundstück weitersuchen. Jetzt schaffen wir erst einmal eine Notschlafstelle. Das Haus hatte ein freistehendes Erdgeschoss, ein Teil des Erdgeschosses war frei. Da haben wir die Notschlafstelle gemacht. Im anderen Teil des Erdgeschosses war ein Juwelier, und die Wohnungen waren bewohnt. Aber das Haus war ordentlich und ich hab gesehen, dass man mit wenig Mitteln aus diesem Erdgeschoss eine Notschlafstelle machen kann. Ich wollte dieses Projekt ... Ich hab nie etwas anderes angedacht, als dass es Ehrenamtliche sind: Menschen, die freiwillig kommen und unbezahlt sind. Es wird von uns ja nichts anderes verlangt, als Mensch zu werden. Was heißt es, Mensch zu sein? Was stelle ich mir darunter vor? Das ist eben in dem Fall, Obdach zu geben. Menschen aufzunehmen, ohne Bedingung, für die Nacht, mit einem einfachen Abendessen. Von Pfarrer Pucher wusste ich, dass viele der Obdachlosen alkoholkrank sind, dass sie nicht in die damals existierenden Notschlafstellen aufgenommen werden können. Weil sie alkoholisiert sind oder auf ihre Flasche Bier nicht verzichten können und daher lieber im Freien schlafen. Da haben wir eben gesagt, wir nehmen alkoholkranke Menschen. Sie können bei uns auch Wein und Bier trinken. Von Anfang an haben wir aber gesagt, keine starken Alkoholika, also, keine Schnäpse und kein Wodka. Und ... wir haben gesagt, sie können Inländer, Ausländer sein, sie können Männer sein, Frauen sein. Nicht nur Österreicher. Das wäre schon wieder eine Grenze. Wir haben Pärchen aufgenommen, die können in einem Bett schlafen. Wir haben nur einen großen Schlafraum. Eigentlich zwei, die ineinander übergehen, aber ohne Trennung. Wir haben auch gesagt, sie können in Begleitung ihrer Hunde bleiben, wenn sie einen Hund haben, den sie auf keinen Fall nachts auf der Straße lassen würden. Was haben wir noch gesagt? Sie müssen über 18 sein. Jugendliche und Kinder nehmen wir nicht auf. Und wir haben drei Regeln, drei Grundregeln von Anfang an: Keine Gewalt, kein Spritzen, Drogenabhängige nehmen wir auch auf, aber in der Regel sind sie substitutionsabhängig, aber das weiß man nie so genau. Also, kein Spritzen und kein Rauchen in den Schlafräumen. Alles, was die anderen gefährdet, ist ausgeschlossen. Das sind Gründe für Hausverbot. Aber unser Hauptgedanke ist ... die Qualität der Beziehung. Wie vermittle ich einem Menschen, der nur für die Nacht kommt, das Gefühl, dass er willkommen ist, dass wir nicht über ihn urteilen, dass wir ihn nehmen, wie er ist? Das gelingt natürlich nicht immer, weil wir auch alle unsere Geschichten haben und unsere Vorurteile. Aber allein das ist ein ganz wichtiger Lernprozess, den alle Mitarbeiter immer wieder hervorheben: Was sie lernen und was ihnen bewusst wird. Es ist eigentlich ein Bewusstwerdungs-Prozess, wie sehr wir mit Urteilen umgehen, wie wir Menschen einteilen, wie wir Erwartungshaltungen haben, wie das den Menschen einschränkt. Und wie die Atmosphäre sich allein schon verändert, wenn ... da Offenheit ist. Wir erleben es auch zwischen unseren Gästen, dass die Österreicher auf die Ausländer runterschauen oder die Ausländer auf die Roma. Oder die ... Drogenabhängigen auf die Alkoholkranken. Und ... es ist fast lächerlich, wenn man sagt, darum bemühen wir uns in der VinziRast, das zumindest bewusst zu machen. Das verändert schon etwas. Alle Mitarbeiter sagen, sie gehen anders auf Obdachlose zu. Bettlern auf der Straße begegnet man in einer anderen Weise. Ja, wenn das möglich ist, bin ich wahnsinnig froh. Das ist sicherlich ein Aspekt, dass man erstens lebendig bleibt, weil man ständig lernt, mit unterschiedlichsten Menschen konfrontiert ist. Auch das Spektrum an verschiedenen Mitarbeitern, die wir haben. Und dass die alle mit Freude und Einsatz kommen, und mit dem Willen, selber zu lernen. Es ist keiner da, der Gutes tun will oder sich besonders barmherzig vorkommt. Wien ist die Stadt, in der ich leben will. Ich kann mir nicht vorstellen, in einer anderen Stadt zu leben. Ich wollte immer da leben, wo mein Mann lebt. Das war auch so. Das hätte ich nie infrage gestellt. Aber jetzt bin ich schon fast 40 Jahre ... .. zumindest mit Hauptwohnsitz in Wien. Es war nie in meinem Leben ein Aspekt, dass ich von Wien nicht wegziehen würde. Aber ich lebe gerne hier. Wir haben ein großes Glück, in einer Stadt mit dieser Lebensqualität zu leben. Ich spüre diese Lebensqualität. Ich spüre die Angstfreiheit, in der Nacht durch eine dunkle Straße oder sogar durch einen Park zu gehen. Ich kann nicht behaupten, dass ich mir nicht manchmal ... So ein Gedanke kommt schon, da könnte jemand herausspringen. Ich finde, dass die Wiener grantig sind, unfreundlich und ... .. griesgrämig und neidisch und ... .. korrupt, muss man in dem Zusammenhang fast jetzt zu der Zeit sagen. Aber es ist eine Stadt, die genug Möglichkeiten hat, mit unterschiedlichsten Menschen zusammenzukommen. Ich finde, es ist auch eine Stadt, die viel Kultur hervorgebracht hat. Ich wüsste nicht, wo ich lieber lebe. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen engagieren und ... nicht nur granteln, sondern etwas dazu beitragen, dass das Leben sich in die Richtung verändert, dass es für uns alle lebenswert ist. Und dass man das nicht nur von den anderen erwartet, sondern dass man sich selber dazu einbringt.
Archiv-Video vom 12.08.2014:
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Cecily Corti (Social Responsibility)
Wir und Wien - Erinnerungen Auch wenn Cecily Corti während des Kriegs geboren wurde, erlebte sie ihre ersten fünf Jahre als Paradies - in Geborgenheit, mit Urvertrauen, beschützt. Ihr Vater lebte noch als Land - und Forstwirt in der damaligen Südsteiermark, dem heutigen Slowenien. Die Bevölkerung vertraute ihm, doch durch einen ehemaligen Verwalter wurde er verleumdet. 1945 wurden die Eltern und die älteren Brüder gefangen genommen und das fünfte Kind fast im Lager geboren. Unermüdlich suchte die Mutter den Ehemann und glaubte an die Heimkehr von Cortis Vater, dessen Tod erst zehn Jahre später offiziell bestätigt wurde.
Länge: 49 Min. 54 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien