12.1 Eine Vision für den Quellenplatz
Partner*innen: MA 19, MA 28, Bezirksvorstehung 10, GB*Ost, MA 25
Der Quellenplatz zählt zu den am meisten frequentierten Plätzen der Stadt und ist wichtiger Verkehrsknoten zum Programmgebiet von WieNeu+ in Innerfavoriten. Täglich bewegen sich zehntausende Menschen über den Platz, ca. 30.000 Personen steigen aus Straßenbahnen ein oder aus, was vergleichbar mit dem Westbahnhof oder dem Praterstern ist.
Seine Größe, der sehr uneinheitliche Bebauungsstil und die vielfältigen Nutzungen zeichnen ihn aus (vom Zinshaus aus der Gründerzeit mit abgeschlagener Fassade bis zum Gemeindebau aus den 1980er Jahren). Hinzu kommen zwei sich kreuzende Hauptverkehrsadern, darin integriert das Straßenbahnkreuz, 3 wichtige Straßenbahnlinien (11er, 6er, O), 4 Haltestelleninseln, zahlreiche Geschäfte und Standler*innen und entsprechend viele Passant*innen täglich. Ein geringer und heterogener Anteil an Grünflächen, gekennzeichnet durch einige wenige Bäume mit unterschiedlichem Wuchs sowie Parkplätze tragen dazu bei, dass der Platz mit dem Fortschreiten des Klimawandels zunehmend zu einer Hitzeinsel in der Stadt wird.
Aufgrund des Erneuerungsbedarfs wurde der Quellenplatz zu einem der Schwerpunktprojekte von WieNeu+ im Bereich des öffentlichen Raums definiert. In Kooperation mit dem Bezirk wurden erste Schritte eines längerfristigen umfassenden Erneuerungsprozesses mit allen Interessierten gesetzt, darunter mit Bewohner*innen, Geschäftstreibenden und Passant*innen. In dieser frühen Phase sollen strategische Entscheidungen angestoßen sowie konkrete Verbesserungsvorschläge der Nutzer*innen eingeholt werden.
WieNeu+ agierte hier als Wegbereiter für eine mögliche Umgestaltung des Quellenplatzes in den nächsten Jahren. Neben einer Verkehrszählung, einer Mikroklimasimulation sowie verschiedener Beteiligungsformate konnte WieNeu+ erste strategische Grundlagen für die Planung in enger Abstimmung mit den zuständigen Fachdienststellen der Stadt Wien zusammentragen.
Die Umsetzung dieses Projekts wird in weiterer Folge von den jeweiligen Dienststellen der Stadt durchgeführt. WieNeu+ wird im Sinne des Monitorings und Wissensmanagements das Projekt weiter begleiten.
Ziele im Rahmen von WieNeu+:
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Erstellung einer „Grobplanung“ inkl. Machbarkeits- und Kostenprüfung
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Qualität und Ambitionen der Ziele der Stadt Wien gerecht werden, hinsichtlich Klimawandelanpassung, Begrünung, nachhaltiger Mobilität, Kreislaufwirtschaft, Energieversorgung u.a.
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Einbindung der Bevölkerung, lokaler Akteur*innen vor Ort
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Neue und innovative Lösungen im Zuge der Planung anwenden bzw. prüfen (bspw. Mikroklimasimulation, Geothermie, ressourcenschonendes Bauen und Platzgestaltung, Fassadenbegrünung),
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Berücksichtigung von Förderungen (EFRE, Klimamusterstadt) hinsichtlich Qualität und Ambitionen
Ergebnisse:
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Auf der Grundlage von Gesprächen mit Dienststellen und dem Bezirk sowie einer Verkehrszählung und verschiedener Beteiligungsformate erfolgte 2023 der Auftrag zur „generellen Planung“ an die MA 28 durch den Bezirk.
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Ein abgestimmtes System von Zielen und Handlungsschwerpunkten für den Quellenplatz wurde erstellt.
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Die Bevölkerung und Anrainer*innen wurden durch verschiedene Veranstaltungen und persönliche Gespräche eingebunden.
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Neue und innovative Lösungen wurden u.a. mit Wien Energie, MA 19, Stabstelle Ressourcenschonung Baudirektion und Wiener Wohnen geprüft. Eine Mikroklimasimulation wurde durch die MA 22 beauftragt.
Beteiligungsprozess am Quellenplatz
Um die Menschen frühzeitig in den Erneuerungsprozess einzubinden, hat WieNeu+ verschiedene Formate genutzt, um die Bewohner*innen und lokalen Akteur*innen vor Ort zu vernetzen. Die Stadtteil-Expert*innen der Gebietsbetreuung Stadterneuerung (GB*) waren u.a. im Sommer und Herbst 2021 mit fünf großen Sinnesorganen am Quellenplatz ausgestattet, um die Menschen niederschwellig anzusprechen. Bei einer Freiluftwerkstatt im September 2022 wurden zahlreiche Wünsche, Anregungen und Ideen der Passant*innen gesammelt und diskutiert. Um dem Bedarf nach Information und Einbindung gerecht zu werden, wurde ein Parklet am Platz eingerichtet. Dieses dient als Informationsdrehscheibe für Interessierte und lädt zum Verweilen ein. Ein besonderes Anliegen von WieNeu+ - sowie allen städtischen Einrichtungen – war und ist auch der intensive Kontakt und Austausch mit lokalen Wirtschaftstreibenden.
Erkenntnisse
Die wichtigsten Ergebnisse der Einbeziehung der Bewohner*innen und Nutzer*innen des Quellenplatzes waren u.a.:
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Begrünung, mehr Grün, Verschönerung des Platzes
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Wunsch nach Sitzmöglichkeiten
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Maßnahmen zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität wie Schatten, Schutz vor Wind und Wetter, ein Trinkbrunnen, Wasser, Platz zum Reden, Stehen, sich treffen,
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Mehr Sauberkeit: Neue Lösung für die Müllsammelstelle gefordert
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Neuordnung der Imbissstände und Schanigärten wurde vor allem von den Gastronom*innen ins Spiel gebracht, von denen sich etliche mehr Platz für Tische, Sessel und Schanigärten wünschen, auch zu Lasten der derzeitigen Grünflächen und Bäume
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Mehr Raum für nicht-motorisierte Verkehrsarten
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Verbesserung der Situation für Zufußgehende, u.a. Zufußgehen mehr Platz einräumen, die Ampelphasen verlängern, die Orientierung verbessern und auch die Schulwege sicherer machen.
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Mehr Platz an den Haltestellen
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Das Thema Parkplätze wurde mit Abstand am kontroversesten diskutiert.:
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Hier sind vor allem einigen Gewerbetreibenden die derzeit vorhandenen Parkplätze wichtig, weil ihre Kund*innen sich in ihren (Imbiss-)Ständen rasch mit Essen versorgen. Von einigen werden mehr Parkplätze gewünscht (auch auf Kosten vorhandener Bäume), ebenso wie die Aufhebung der mit den Kurzparkzonen verbundenen Einschränkungen.
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Andererseits war auch vielen Befragten klar, dass mehr Raum für andere wichtige Nutzungen nur auf Kosten der derzeit vom fließenden und ruhenden motorisierten Individualverkehr geschaffen werden kann und etliche auch die durch ebendiesen verursachten Erscheinungen wie Lärm und Gefahren für Fußgänger*innen gerne reduziert wüssten.
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Spielmöglichkeiten für Kinder
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Ergänzende Infrastruktur wie Toiletten, Wasserspender
Mikroklimaanalyse
Partner*innen: MA 22
Das Mikroklima hat eine große Auswirkung auf das Wohlergehen der Menschen im Gebiet. Die Stadt Wien, Abteilung für Umweltschutz (MA 22) beauftragte deshalb im Rahmen der Grätzlförderung von WieNeu+ eine Mikroklimaanalyse für das Gebiet.
Neben einer Bestandsanalyse erlaubt sie es, den Effekt verschiedener Begrünungs- oder Kühlungsmaßnahmen auf das Mikroklima zu simulieren. Das gibt Aufschlüsse darüber, wo etwa Begrünungen besonders effizient die Umgebung kühlen können. Konkret soll das in der Folge am Quellenplatz angewendet werden. Die Simulation veranschaulicht, um wie viel Grad die gefühlte Temperatur am Platz mittels Begrünungs- oder Kühlungsmaßnahmen gesenkt werden könnte.
Ziel der Mikroklimasimulation
Coolspots (z.B. Belgradplatz) werden erkannt, aber auch mikroklimatisch problematische Bereiche im Untersuchungsgebiet werden anhand bestimmter Parameter (Lufttemperatur, Wind, gefühlte Temperatur) identifiziert. Entsprechende Maßnahmen zur Reduzierung der urbanen Hitzeinsel werden vorgeschlagen. Deren Wirksamkeit wird in einer nachfolgenden Variantenuntersuchung bewertet.
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Simulation des mikroklimatischen Ist-Zustandes des gesamten WieNeu+ Gebietes (Wie heiß wird es im Sommer im gesamten WieNeu+ Gebiet?);
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Simulation des mikroklimatischen Ist-Zustandes des Quellenplatzes (Wie heiß wird es in den einzelnen Bereichen im Sommer am Quellenplatz?);
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Simulation der mikroklimatischen Wirkung einer Variante eines größeren Teilbereiches des WieNeu+ Gebietes;
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Simulation der mikroklimatischen Wirkung verschiedener Begrünungsmaßnahmen während der Planungsphase für den Quellenplatz.
Erkenntnisse
Die Simulation des Ist-Zustandes des Quellenplatzes (2. Punkt) ist dem Bezirk und relevanten Dienststellen übermittelt worden. Sie ist auch in die Ziele für die Umgestaltung des Quellenplatzes eingeflossen. Eine wesentliche Erkenntnis daraus ist, dass die Temperaturverteilung am Quellenplatz je nach Windrichtung stark variiert. Grundsätzlich gilt, dass Zonen mit relativ hoher Windgeschwindigkeit die geringsten Temperaturen aufweisen. Hingegen in windschwachen Bereichen die maximale gefühlte Temperatur (physiological equivalent temperature PET) auftritt. An heißen Sommertagen ist die Lufttemperatur und die PET bei allen Windrichtungen sehr hoch. Die Laxenburger Straße ist baumlos und grünflächenfrei gestaltet. Aus dieser wird heiße Luft zum Quellenplatz advehiert. Als Verbesserungsmaßnahme wird empfohlen Straßen, welche zum Quellenplatz führen mit grüner Infrastruktur (Bäume, Sträucher, Grünflächen) auszugestalten, da diese zu einer Abkühlung beitragen. Bäume und Grünflächen sollten nach dem Schwammstadt-Prinzip ausgeführt werden. Einerseits werden dadurch die Einbauten vor Wurzeln verschont, andererseits können sich die Pflanzen durch eine beständige Wasserversorgung gut entwickeln. Am Quellenplatz kann blaue Infrastruktur (Wasserspender oder Sprühnebel) in windstillen Zonen ebenfalls zur Verbesserung des Mikroklimas beitragen.
Für die Simulation von Planungsvarianten für mehrere größere Bereiche des WieNeu+ Gebietes (3. Punkt) werden das Projekt Queen Gudrun II und das Supergrätzl eingebunden.
Ergebnis Gesamtgebiet
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Baumreihen an der Nord- und Ostseite von Straßenzügen sind mikroklimatisch effizienter
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Durchlüftete Höfe sind klimatisch sehr wertvoll für die Umgebung
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Nord-Süd ausgerichtete Straßen sind deutlich stärker überhitzt als Ost-West ausgerichtete Straßen
Chatbot & Microstories – Urban Heat Stories
Partner*innen: Technische Universität Wien – future.lab & Bibliothek, Luftdaten, University of Barcelona – OpenSystems, Wunderbyte
Das Projekt „Chatbot & Microstories“ ist Teil des Citizen-Science-Projekts „Urban Heat Stories“, das gemeinsam mit Bewohner*innen die Stadt erforscht und mit dem JPI Urban Europe Projekt OPUSH vernetzt ist. Unter der Leitung des future.lab Research Centers der TU Wien werden individuelle Hitzeerfahrungen vulnerabler Gruppen in Wien aufgenommen. Die vielfältigen Betroffenheiten und Ansprüche von Stadtbewohner*innen zum Thema Hitze sollen somit vor dem Hintergrund ihres sozialräumlichen Umfeldes sichtbar werden.
Im Rahmen des Projekts werden der Quellenplatz und seine Umgebung aus der Perspektive der Nutzer*innen vertiefend untersucht: Wo halten sich die Bewohner*innen auf? Welche Erfahrungen machen sie mit Hitze an diesen Orten? Die Erfahrungen werden als „Hitzegeschichten“ gesammelt. Sie bilden die Grundlage für einen Chatbot-Piloten, der diese Hitzegeschichten in einen Dialog über das Thema Hitze in der Stadt einbindet.
Ziele:
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Vorbereitung und Durchführung einer innovativen qualitativen und quantitativen Datenerfassung zu urbanem Klima- und Hitzeerfahrungen um den Quellenplatz
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Ergänzung von Daten der städtischen Klimauntersuchungen (MA 18, MA 22, MA 25), die nicht von quantitativen Modellierungen erfasst werden können
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Berücksichtigung kleinräumlich gemessener und wahrgenommener Temperaturen und Belastungen in der Nachbarschaft
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Vertiefung von Wissen über sozialräumliche Zusammenhänge von „Urban Heat Island-Effekten“
Weblink zu Urban Heat Stories auf der future.lab Website und Urban Heat Stories bei Österreich forscht.
Im Sommer und Herbst 2023 fanden zwei Workshops mit Pensionist*innen in Favoriten statt. Weiterführende Aktivitäten und Mitmachmöglichkeiten sind für das Jahr 2024 geplant, erste prozessbegleitende Erkenntnisse und Ergebnisse stehen seit dem Frühjahr 2024 zur Verfügung. Das Projekt wurde im Rahmen der Citizen Science Days der ECSA-Konferenz im April 2024 vorgestellt.