4.3 Gebäude
Darum geht’s!
Gebäude in der Smart City Wien zeichnen sich durch eine lange Lebensdauer, nutzungsoffene Gestaltung, effizienten Materialeinsatz sowie geringen Energieverbrauch aus. Dieser wird zukünftig aus klimafreundlichen Quellen – wo immer möglich aus lokaler oder regionaler Produktion − gedeckt.
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Angesichts des anhaltenden Bevölkerungswachstums gilt es, weiterhin die Errichtung von genügend qualitativ hochwertigem und leistbarem Wohnraum sicherzustellen und Energiearmut zu vermeiden.
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Gleichzeitig wird sowohl im Neubau als auch in der Bestandsstadt der Energie- und Ressourcenverbrauch deutlich reduziert.
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Neue Gebäude – seien es Wohnhäuser oder gewerblich genutzte Bauten – werden von Beginn an so geplant, dass der Material- und Energieverbrauch über den gesamten Lebenszyklus möglichst gering ist und Baustoffe am Ende weitgehend wiederverwendet bzw. wiederverwertet werden können. Die Stadt selbst wird als Materiallager begriffen.
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Bestehende Gebäude werden am Ende ihrer Funktionsdauer nach Möglichkeit saniert und für andere Nutzungen weiterverwendet.
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Im Sinne der 15-Minuten-Stadt wird eine Mischung von Wohnen und Arbeiten im Quartier und nach Möglichkeit auch innerhalb der Gebäude angestrebt.
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Dächer und Fassaden werden zur solaren Energieerzeugung und zur Begrünung genutzt.
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Ein vollständiges Aus für Gasheizungen nicht nur in Neubauten, sondern auch die umfassende thermisch-energetische Sanierung des Gebäudebestands nach Prinzipien der Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft sowie der konsequente Umstieg von fossilen Energieträgern auf – zukünftig ebenfalls CO 2 -neutral produzierte – Fernwärme und erneuerbare Energie wird angestrebt.
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Voraussetzung dafür sind vor allem Planungs- und Investitionssicherheit für Gebäudeeigentümer*innen ebenso wie für Energieversorger und Netzbetreiber sowie angemessene Förderprogramme für thermisch-energetische Sanierungen, insbesondere für Menschen mit niedrigen Einkommen.
Unsere Ziele
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Der Endenergieverbrauch für Heizen, Kühlen und Warmwasser in Gebäuden sinkt pro Kopf bis 2030 um 20 % und bis 2040 um 30 %.
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Die damit verbundenen CO 2 -Emissionen sinken pro Kopf bis 2030 um 55 % und bis 2040 auf null.
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Gebäude werden zur maximalen solaren Energiegewinnung genutzt.
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Begrünung, Beschattung, und passive Kühlung von Gebäuden sind Standard, aktive Kühlung erfolgt durch erneuerbare Energien.
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Kreislauffähiges Planen und Bauen zur maximalen Ressourcenschonung ist ab 2030 Standard bei Neubau und Sanierung.
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2040 ist die Wiederverwendbarkeit von mindestens 70% der Bauelemente, -produkte und -materialien von Abrissgebäuden und Großumbauten sichergestellt.
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Wien stellt auch künftig einen ausreichend hohen Anteil an gefördertem Wohnbau in hoher Qualität bereit, um den Anteil jener, die von einer Wohnkostenüberbelastung betroffen sind, zu senken.
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Bauträgerwettbewerbe im geförderten Wohnbau treiben soziale Innovationen und neue Lösungen für Klimaschutz und Klimaanpassung – insbesondere Begrünungsmaßnahmen – voran.
Das haben wir vor!
Raus aus Öl und Gas – Fahrplan für den Ausstieg aus fossilen Heizsystemen festlegen: Die Stadt, in Abstimmung mit Netzbetreibern und Energieversorgern, erstellt ein operatives Gesamtkonzept und erlässt verbindliche Vorgaben für den schrittweisen Ausstieg aus der Verwendung von Heizöl und Erdgas für Heizung und Kühlung, für die Warmwasseraufbereitung und fürs Kochen:
Schätzungen der TU Wien zufolge würde eine Dekarbonisierung des österreichischen Gebäudesektors bis zum Jahr 2050 einen jährlichen Beschäftigungszuwachs von etwa 2,5% auslösen.*
*Kranzl et al. (Lukas Kranzl, Andreas Müller, Iná Maia, Richard Büchele und Michael Hartner (2018): Wärmezukunft 2050. Erfordernisse und Konsequenzen der Dekarbonisierung von Raumwärme und Warmwasserbereitstellung in Österreich. URL: https://www.researchgate.net/publication/322698022_Warmezukunft_2050_Erfordernisse_und_Konsequenzen_der_Dekarbonisierung_von_Raumwarme_und_Warmwasserbereitstellung_in_Osterreich)
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Gestaltende Mitwirkung an Bund-Länder-Verhandlungen und darauf abgestimmte verbindliche Regelungen im eigenen Wirkungsbereich des Bundeslandes Wien
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Erweiterung der Energieraumplanung vom Neubau auf den Bestand, um den Ausstieg aus Öl- und Erdgas und den Fernwärmeausbau bei Bestandsbauten zu beschleunigen
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Aus für Ölheizungen bis 2035 und Erdgasheizungen bis 2040
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Schaffung eines „One-Stop-Shops“ für alle Fragen der Gebäudesanierung und Energieeffizienz durch Ausbau der Beratungsstelle „Hauskunft“ zur zentralen Informations-, Beratungs- und Servicestelle
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Entwicklung von Vorzeigeprojekten mit hoher Vorbildwirkung im eigenen Gebäudebestand der Stadt und der städtischen Unternehmen (Schwerpunkte: Wärmedämmung, Umstellung von Gasetagenheizungen, Photovoltaikoffensive, E-Ladestationen). Auch bei Neubau- und Renovierungsvorhaben im Kulturbereich fließen Aspekte des nachhaltigen Bauens und Sanierens ein.
Thermische und energetische Sanierungsoffensive: Wien fördert die Gebäudesanierung und den Umstieg auf Energien aus klimafreundlichen Quellen mit einer Vielzahl von Programmen. Voraussetzung dafür ist eine ausreichende budgetäre Bedeckung seitens der Stadt wie auch des Bundes. Zu den neuen bzw. auszuweitenden Förderschwerpunkten gehören:
Die etwa 2,5% bis 6% höheren Investitionskosten von klimafreundlichen Heizsystemen werden durch die Einsparungen im Betrieb mehr als wettgemacht und entlasten damit die Haushaltseinkommen.*
Kranzl et al. (Lukas Kranzl, Andreas Müller, Iná Maia, Richard Büchele und Michael Hartner (2018): Wärmezukunft 2050. Erfordernisse und Konsequenzen der Dekarbonisierung von Raumwärme und Warmwasserbereitstellung in Österreich. URL: https://www.researchgate.net/publication/322698022_Warmezukunft_2050_Erfordernisse_und_Konsequenzen_der_Dekarbonisierung_von_Raumwarme_und_Warmwasserbereitstellung_in_Osterreich)
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Thermische Gebäudesanierung zur Steigerung der Energieeffizienz und Absenkung des Temperaturniveaus in den Heizungssystemen
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Umstellung von Einzelanlagen im mehrgeschoßigen Wohnbau auf zentrale Heizsysteme als Voraussetzung für die Dekarbonisierung
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Vorzugsweise Anschluss an Fernwärme oder Umstellung auf Wärmepumpen
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Innovative energetische Gesamtlösungen für Quartiere (Wärme- und Kälteversorgung aus erneuerbarer Vor-Ort-Energie)
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Eine effiziente Wohnbauförderung sorgt mit zielgerichteten Anreizen für den Einsatz klimafreundlicher Heizsysteme
Gebäude zur Begrünung, Energiegewinnung und -speicherung nutzen und klimafit machen: Wien begreift Dachflächen und Fassaden von Gebäuden als wichtige Ressourcen, die für PV-Anlagen und, im Fall der Dächer, als Erholungsräume genutzt werden sollen. Begrünungen mildern die Aufheizung und tragen zur biologischen Vielfalt bei, für die aktive Gebäudekühlung wird Energie aus erneuerbaren Quellen genutzt. Wo möglich werden daher in den kommenden Jahren zusätzliche Gebäude begrünt. Dazu werden folgende Maßnahmen gesetzt:
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Systematische Ermittlung geeigneter Flächen im Gebäudebestand und bei Neubauten
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Forcierung von maximaler Solarenergienutzung auf Gebäudedächern über die Eigendeckung hinaus und Begrünung durch ordnungs- und förderungspolitische Maßnahmen sowie vereinfachte Genehmigungsverfahren
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Ausweitung der verpflichtenden Errichtung von Photovoltaikanlagen auf allen Neubauten sowie bei größeren baulichen Änderungen auf dem Dach
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Aktivierung von Gebäudemassen zur Energiespeicherung und Verbesserung des thermischen Komforts im Sommer und Winter
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Passive Gebäudekühlung (durch außenliegenden Sonnenschutz, Nachtlüften etc.) sowie aktive Kühlung mit Hilfe energieeffizienter und ressourcenschonender Technologien (erneuerbare Fernkälte, Erdwärmepumpen usw.)
Kreislaufwirtschaft im Bauwesen umsetzen: Zur Umsetzung des Prinzips der Kreislaufwirtschaft im Gebäudesektor setzt Wien im transdisziplinären Programm „DoTank Circular City Wien 2020−2030“ folgende Aktivitäten:
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Entwicklung einer Kreislaufwirtschaftsstrategie für Gebäude und Infrastruktur sowie eines detaillierten Umsetzungsfahrplans („Circular City Wien Roadmap“)
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Realisierung eines vollständig nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft errichteten Stadtteils auf dem Gelände des ehemaligen Nordwestbahnhofs – als innovatives Pionierprojekt in Kooperation von Forschung und Wirtschaft, Politik und Gesellschaft
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Adaptierung der Wiener Bauordnung sowie der baukulturellen Leitsätze unter Berücksichtigung der Prinzipien der Kreislaufwirtschaft
Digitalisierung im Bauwesen vorantreiben: Baustoffe sollen auf wirtschaftliche Weise wiederverwendet bzw. -verwertet werden. Dazu braucht es Wissen darüber, wo diese wann und in welcher Qualität verfügbar sind. Materialtransparenz soll durch Digitalisierung ermöglicht werden:
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Erarbeitung von Grundlagen für einen zukünftig zur Anwendung kommenden materiellen Gebäudepass
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Digitalisierung des Baubestandes: Erstellung eines digitalen „geoZwillings“, also eines vollständigen virtuellen 3D-Stadtmodells, das alle Objekte der Stadt enthält und mit weiteren Daten (Bevölkerungsentwicklung, Energieverbrauch, Instandhaltungsmanagement, Sensor- und Echtzeitdaten, materielle Gebäudepässe, usw.) verknüpft werden kann
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Entwicklung von rechtlichen und technischen Grundlagen für ein digitales Bauverfahren
In sozialen Wohnbau investieren: Wien hält den Anteil des geförderten Wohnbaus auf hohem Niveau:
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Langfristig abgesichertes, bedarfsgerechtes und leistbares Wohnungsangebot durch Genossenschafts- und Gemeindewohnungen – Blick insbesondere auch auf die Wohnbedürfnisse von vulnerablen Gruppen
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Laufende Weiterentwicklung der hohen Qualität des sozialen Wohnbaus . Bauträgerwettbewerbe sorgen für Innovationen bei Klimaschutz und Klimaanpassung (insbesondere in der Energie- und Wärmeerzeugung, Energieeffizienz und bei Begrünungsmaßnahmen), Architektur und sozialer Nachhaltigkeit. Der soziale Wohnbau in Wien schafft damit Lösungen, die der Markt alleine nicht hervorbringt.
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Qualitätssicherung neuer Stadtquartiere durch den Qualitätsbeirat
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Sicherung der Finanzierung durch eigene Budgetmittel und Bundesmittel, die zweckgebunden für den sozialen Wohnbau verwendet werden
Wo wir Unterstützung brauchen
Wien unterstützt die Erarbeitung einer österreichischen Wärmestrategie, die den ordnungsrechtlichen und förderpolitischen Rahmen für die vollständige Klimaneutralität des Gebäudesektors bis 2040 sicherstellen soll, und zwar insbesondere mit Blick auf eine Dekarbonisierung des derzeit weitestgehend dezentral versorgten Geschoßwohnbaus im urbanen Umfeld. Dabei wird Wien besonders folgende Eckpunkte einfordern:
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Einführung von Quoten bei der Zuteilung von Sonderfördermitteln des Bundes über die Wohnbauförderung hinaus, in Abhängigkeit von Anzahl der Fälle und wohnrechtlichen Bedingungen
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Priorisierung der Umstellung von Gebäuden mit Gasetagenheizungen durch ausreichende Sicherstellung von zusätzlichen Sonderfördermitteln für Klimaschutz
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Ausreichende zusätzliche Sonderfördermittel für sozial Benachteiligte
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Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Ausbau und die Dekarbonisierung der Fernwärme bzw. von Wärmenetzen
Um Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft im Bauwesen im großen Stil umzusetzen, braucht es:
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Etablierung überregionaler Bauteilbörsen zur Materialvermittlung
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Kapazitätsaufbau zum kreislauffähigen Planen und Bauen im Bildungswesen (Handwerk/Lehre, HTL, FH/Universität)
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bundesweite Regelungen zu Ressourceneinsparungen (bspw. Primärressourcen-Steuer)
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eine Förderlandschaft auf Bundesebene, um wirtschaftliche Anreize für zirkuläre Geschäftsmodelle (z. B. Product-as-a-Service, Circular Supply Chain) zu schaffen.
Der Druck auf Zugänglichkeit und Leistbarkeit von Wohnraum steigt vor allem im freifinanzierten Bereich. Ein aufgeweichtes Mietrecht begünstigt diese Dynamik und erschwert die Situation für einkommensschwächere Mieter*innen. Die Stadt Wien tritt daher schon lange für eine faire Reform des Mietrechts auf Bundesebene ein. Diese Überzeugungsarbeit wird fortgesetzt. Gleichzeitig muss die Wohnungsgemeinnützigkeit, die den rechtlichen und steuerlichen Rahmen für den Bau von leistbaren Wohnungen durch gemeinnützige Bauträger sichert, jedenfalls beibehalten werden.
Wien zeigt, wie es funktioniert:
WieNeu+
WieNeu+ ist ein integriertes Programm der Stadterneuerungsinitiative „Wir san Wien“. Von der ökologischen Gebäudesanierung über Energiegewinnung und -management, Grätzlentwicklung und Erdgeschoßnutzung bis hin zu stromsparender Gebäudekühlung, vertikalen Begrünungen oder kreislauffähigem Bauen – eine Vielzahl von Aktivitäten soll dazu beitragen, die Wiener Stadtteile zukunftsfit zu machen. Bürger*innen sowie lokale Unternehmen können sich aktiv in den Prozess einbringen. Den Anfang macht ein Pilotprojekt in einem Grätzl in Wien-Favoriten, in dem mehr als 35.000 Menschen leben und das in den kommenden Jahren umfassend aufgewertet wird.