2.4 Objekt- und Gebietsschutz
Naturdenkmale in Wien
Zahlen und Fakten
Aktuell gibt es 420 Naturdenkmale in Wien. Im vergangenen Jahr werden mit Stand 01.10.2023 drei neue Naturdenkmale ausgewiesen, darunter das Naturdenkmal mit der Nummer 863, ein Wilder Wein (Parthenocissus quinquefolia), der am Gebäudekomplex der Kirche in der Schützengasse 30/Boerhaavegasse/Rennweg 63 wächst. Die grüne Fassade des Zubaus der Erlöserkirche hat eine beruhigende Wirkung auf die Menschen, die durch die Boerhaavegasse gehen. Die „grüne Wand“ ist ein Trittstein einer natürlichen Umwelt inmitten der dichtverbauten Stadtlandschaft und wichtig für den Landschaftshaushalt im engen Betrachtungsraum. Zusätzlich ist die begrünte Fassade als ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz im bebauten Raum zu sehen und sorgt für ein angenehmes Mikroklima am Standort.
Einen besonderen Stellenwert bekommt 2023 die Böschung mit versteinerten Bäumen „Wald von Nachod“ im Burggarten nahe der Hofburg mit der Unterschutzstellung als Naturdenkmal mit der Nummer 862. Der Burggarten mit seiner Vegetation diente früher als feudaler Rahmen für das versteinerte Holz. Zuerst nur für die adeligen Bewohnerinnen und Bewohner der Hofburg zu besichtigen, später auch für die breite Öffentlichkeit zugänglich, soll der kleine „Wald aus der Vorzeit“ einen Brückenschlag zum Beginn der Geschichte anbieten. Gleichzeitig veranschaulicht das Denkmal den Besucherinnen und Besucher die Besonderheit und Seltenheit des künstlich erschaffenen „Waldes“.
Leider müssen mit Stand 01.10.2023 der Unterschutzstellungsstatus zweier Naturdenkmale „gelöscht“ werden: das Naturdenkmal 600 im 21. Wiener Gemeindebezirk, das aufgrund eines massiven Sturmschadens gerodet werden muss. Ein Teilwiderruf des Rechtsstatus als Naturdenkmal betrifft das Naturdenkmal 464.
2023 wurden insgesamt 86 Tafeln, Stelen und Hinweistafeln auf Naturdenkmale in Rahmen von Ortsaugenscheinen ausgetauscht, ersetzt oder neu installiert. Mehr als 2400 Fotos, die während des Arbeitsjahres aufgenommen wurden, dokumentieren die vielfältigen Wiener Naturdenkmale in Bestand und Veränderung im Laufe des Jahres 2023. Über 250 Geschäftsfälle mit unterschiedlichsten Inhalten wie Pflegemaßnahmen, Unterschutzstellungen oder Verfolgung von Eingriffen belegen den Wert dieser Mikrohabitate für die Wiener Bevölkerung und das Streben nach deren Erhalt.
Ein neuer technologischer Standard
Seit 2021 besteht eine strategische Partnerschaft zwischen der Umweltschutzabteilung mit der Universität Wien zum Zwecke der Vermessung und Untersuchung von Naturdenkmalen mit Georadar. 2021 wird erstmalig ein Naturdenkmal in Wien, das Naturdenkmal 762, der Judasbaum im Alten AKH, https://sketchfab.com/3d-models/judasbaum-cercis-siliquastrum-be81500a0ea14e38aee5ef4f5b995299 (Crazy Eye) durch VIAS, Immo Trinks untersucht. Diese Aufnahmen erfolgen in Rahmen des Forschungsprojektes ViDiNA. Weiterführend plant die Universität Wien gemeinsam mit dem Botanischen Garten unter strategischer Beteiligung der Umweltschutzabteilung die Vermessung und Erfassung der Baumwurzeln im Botanischen Garten. 2023 wurde im Rahmen der strategischen Zusammenarbeit mit der Universität Wien seitens des VIAS - Vienna Institute for Archaeological Science ein Antrag zur Förderung an den Biodiversitätsfonds eingebracht, der die intensive Untersuchung von monumentalen Bäumen im Wiener Stadtgebiet als Zielsetzung hat. Die Umweltschutzabteilung hat in Zusammenarbeit mit der GeoSphere Austria, Mario Wallner, Klaus Löcker und Alois Hinterleithner und dem VIAS - Vienna Institute for Archaeological Science, Immo Trinks, innovative Wege beschritten, um Naturdenkmale mit Georadar und 3D-Bildern zu erforschen. Zu diesem Zweck wurde 2023 eine Arbeitsgruppe „Georadar“ eingerichtet. Der Einsatz der Technik wäre ohne entsprechende Partnerinnen in der Stadt Wien nicht möglich. Wiener Wohnen ist hier als Vorreiter im Einsatz der 3D-Technologie vorrangig zu nennen. Durch den Einsatz der neuen Technologie sind Kostenersparnisse im Zuge von Voruntersuchungen bei Bauvorhaben mit bis zu 25 % möglich. Nachhaltige Schäden der Wurzeln werden durch die moderne, noninvasive Untersuchungsmethode vermieden. Die 3D-Visualisierung umfasst nicht nur die Baumwurzeln, sondern gezielt auch die oberirdischen Merkmale der Naturgebilde, die erstmals in 3D interpretiert und ausgewertet werden können. Die 3D-Überwachung ermöglicht die Identifizierung von Wachstumsmustern und -veränderungen im Kontext des Klimawandels. Die detaillierte 3D-Vermessung ermöglicht eine präzise Bewertung des Baumvolumens aufgrund der Belaubung und der Kohlenstoffspeicherung, was für die Quantifizierung der Rolle von Bäumen und Grünfassaden im städtischen Kohlenstoffkreislauf von großer Bedeutung ist. Bäume und Grünfassaden dienen als Kohlenstoffsenken und leisten somit einen Beitrag zur Minderung des Klimawandels.
Insgesamt werden 2023 818 m² Grünfläche mit Bodenradar untersucht, darunter im 19. Bezirk in der Silbergasse 225 m², im 4. Bezirk in der Rechten Wienzeile 25-27 127 m², im 20. Bezirk am Friedrich-Engels-Platz 17 153 m² und in der Wehlistraße 32-38 171 m², im 2. Bezirk in der Marinelligasse 10 25 m² und im 23. Bezirk, in der Karl-Krestan-Gasse 5 117 m².
3D-Modellierung und Photogrammetrie
Im Umweltgut https://www.wien.gv.at/umweltschutz/naturschutz/gebiet/naturdenkmaeler/ sind die Wiener Naturdenkmale online abrufbar. Über einen Link können exemplarisch 3D-Modelle von Naturdenkmalen abgerufen werden wie z. B. das Modell des Naturdenkmals 413, Libanonzeder, über den Link https://sketchfab.com/3d-models/libanonzeder-cedrus-libani-fbaabd5be82b4b44b3a64232116f74d7. Das generierte Modell wird freundlicherweise von Dr. Mario Wallner zur Verfügung gestellt.
Weltkulturerbe-Bestrebungen an Beispiel des Naturdenkmals 441 „Mauer Antonshöhe“
Die Anfragen zu einer Unterschutzstellung des Naturdenkmals 441 „Mauer Antonshöhe“, dem Neolithischen Feuerstein-Bergbau, https://sketchfab.com/3d-models/mauer-antonshohe-fa59ae110d624055b8bd9c40b41c8d0b, im 23. Wiener Gemeindebezirk als Weltkulturerbe werden derzeit seitens der Stadtarchäologie Wien von Karin Fischer Ausserer aus archäologisch denkmalpflegerischer Sicht behandelt. Die im Rahmen des Projektes ViDiNa, der Visualisierung und Digitalisierung der Naturdenkmale 2021, generierten Modelle sind dabei eine wertvolle Datenquelle.
„GeoTT“ - GeologieTimeTravel - Zeitreise in die Erdgeschichte am Beispiel von Naturdenkmalen
Im Wiener Stadtgebiet gibt es viele Naturdenkmale, die aufgrund ihrer wissenschaftlichen oder kulturellen Bedeutung, ihrer Eigenart oder Seltenheit, ihres besonderen Gepräges oder ihrer besonderen Funktion für den Landschaftshaushalt erhaltungswürdig sind. Das Naturhistorische Museum Wien mit Dr. Mathias Harzhauser als Leiter der Abteilung für Geologie & Paläontologie hat 2023 in Zusammenarbeit mit der Umweltschutzabteilung das Länder und Regionen übergreifende Projekt „GeoTT“ (GeologieTimeTravel) gestartet, um gezielt die geologischen Naturdenkmale in Wien wissenschaftlich zu erforschen. Das Projekt wird in den Folgejahren in den Bereichen Nachhaltigkeit, Erhalt des kulturellen und natürlichen Erbes, Natur- und Artenschutz, Fremdenverkehr, touristische Wertschöpfung und Erholungswirkung für die Wiener Bevölkerung sowie in der Werbung der Stadt Wien als Kultur- und naturnahe Großstadt starke Außenwirkung erzielen. Es liefert neue Daten für die Umwelt- und insbesondere für die Naturdenkmalforschung. Von den zehn in Österreich gelegenen Stationen der Zeitreise „GeoTT“ (GeologieTimeTravel) sind drei in Wien prominent angesiedelt: der Gspöttgraben (Tiefseesedimente), die Eichelhofstraße (Brandungsgerölle) und die Löwygrube (Eiszeit/Warmzeit). Die Wiener Umweltschutzabteilung wird das Projekt strategisch unterstützen.
Hierbei werden besondere Maßnahmen in Bezug auf Zustand und Erhalt der betroffenen Naturdenkmale seitens der Umweltschutzabteilung und der Stadt Wien ergriffen. Das Naturhistorische Museum plant, die Stationen der Zeitreise in Regionen-verbindende Radwege und themenorientierte Wanderwege einzubinden. „GeoTT“ (GeologieTimeTravel) steigert die Sensibilisierung für den Naturschutzdenkmalschutz in Wien und erschließt neue Zielgruppen durch die zu erwartende, intensive Webpräsenz eines Interreg-Projekts. Die intensive, interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Wissenschaften wie der Geologie oder der Landschaftsarchäologie mit der Stadt Wien, insbesondere mit der Wiener Umweltschutzabteilung zeichnet diese Abteilung als eine der wichtigsten Partnerinnen in der Schaffung neuen Wissens in Wien und über die Landesgrenzen hinaus aus.