3. Schwerpunkte und weitere Tätigkeitsfelder

3.2 Schwerpunkt „Kinder- und Jugendrechte“

Der Schutz und die Förderung der Kinder- und Jugendrechte stellen einen zentralen Bestandteil der menschenrechtlichen Agenda dar. Kinder und Jugendliche sind eine besonders verletzliche Gruppe in der Gesellschaft, die spezifische Bedürfnisse und Herausforderungen aufweist.

Sie haben das Recht, in einer sicheren und förderlichen Umgebung aufzuwachsen, die ihre Entwicklung und ihr Wohlbefinden unterstützt. Das Menschenrechtsbüro setzt sich dafür ein, Kinder- und Jugendrechte zu stärken und sicherzustellen, dass sie in allen Bereichen der städtischen Politik und Praxis verankert sind. Der Fokus auf diese Rechte ist entscheidend, um eine gerechte und inklusive Gesellschaft zu fördern, in der die Stimmen und Perspektiven junger Menschen gehört werden.

Die Fokusgruppe Kinder- und Jugendrechte besteht seit 2015 und somit seit dem Beginn des Menschenrechtsbüros. Das Schwerpunktthema wurde nach den Erfolgen der ersten fünf Jahre weitergeführt und die Fokusgruppe in den Jahren 2020 und 2023 um je ein neues Mitglied – eine Vertreterin der Stadt Wien – Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht sowie eine Vertreterin der Sucht- und Drogenkoordination/Psychosoziale Dienste Wien – erweitert.

Im Berichtszeitraum 2020-2023 fanden neun Sitzungen der Fokusgruppe Kinder- und Jugendrechte statt.

Die Mitglieder der Fokusgruppe Kinder – und Jugendrechte (Stand: 31.12.2023)
Stadt Wien - Menschenrechtsbüro
Stadt Wien - Kindergärten
Stadt Wien – Kinder- und Jugendhilfe
Stadt Wien – Bildung und Jugend
Stadt Wien – Integration und Diversität
Stadt Wien – Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht
Sucht- und Drogenkoordination/Psychosoziale Dienste Wien
Bildungsdirektion für Wien
Kinder- und Jugendanwaltschaft
Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte

Themen der Fokusgruppe im Jahr 2020

1. Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Kinder und Jugendliche

Die Fokusgruppe befasste sich 2020 insbesondere mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Kinder und Jugendliche, welche besonders stark und vielfältig betroffen waren. Gleichzeitig fanden ihre Perspektiven wenig Berücksichtigung in den politischen Entscheidungen der Bundesregierung. Auffallend betroffen durch die Krise waren beispielsweise ihr Recht auf Bildung, ihr Recht auf Gesundheit sowie ihr Recht auf Freizeit und Erholung.

Weiters wurden durch die Covid-19-Pandemie soziale Ungleichheiten verstärkt1. Im Gesundheitsbereich wurden beispielsweise Belastungen durch Ängste, depressive Verstimmungen und soziale Einschränkungen als Problemfelder erkannt2. Auswirkungen waren außerdem durch versäumte Routine- und Kontrolluntersuchungen sowie Impftermine, abgesagte Therapien, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung zu erwarten. Die Mitglieder der Fokusgruppe berichteten von entsprechenden Beobachtungen. In den Sitzungen der Fokusgruppe wurden unter anderem die folgenden zwei Themen als zentral betrachtet:

In der Fokusgruppe Kinder- und Jugendrechte setzten wir uns dafür ein, dass die Perspektiven junger Menschen in alle Bereiche der Stadtpolitik einfließen und ernstgenommen werden.

Stefanie Huhndorf,

stv. Leiterin des Menschenrechtsbüros

Umgang mit Anzeigen

Eines der dominierenden Themen war der Umgang mit Anzeigen der Polizei sowie mit Verwaltungsstrafen aufgrund der Covid-19-Verordnung. Die Einhaltung der Covid-19-Maßnahmen wurde von der Polizei in Wien streng kontrolliert und führte zu einer erheblichen Anzahl an Verwaltungsstrafverfahren bei Jugendlichen. Besonders betroffen waren Jugendliche aus armutsgefährdeten Familien, da durch den Wegfall der gewohnten Tagesstrukturen die psychischen Belastungen größer wurden, oftmals weniger Platz in den Wohnungen vorhanden war und die Ausgangsverbote folglich erhebliche Auswirkungen hatten. In Hinblick auf die Kontrollen durch die Polizei entstand zudem der Eindruck von „Racial- bzw. Ethnic Profiling“. Eine geforderte allgemeine Straffreistellung wurde nicht umgesetzt. Unter Einbeziehung verschiedener Stakeholder wurden Familien bzw. Jugendliche unterstützt, Rechtsmittel gegen die Strafen einzulegen.

Schule bzw. Home Schooling (Distance Learning)

Ein weiteres zentrales Thema der Fokusgruppe waren die Auswirkungen der Lockdowns auf Kinder und Jugendliche mit geringer familiärer Unterstützung. Die Kontaktaufnahme zu allen Schüler*innen war für Lehrer*innen aufwendig. In Fällen, in denen sie nicht gelang, wurde unter bestimmten Voraussetzungen eine Meldung an die Kinder- und Jugendhilfe erstattet, um eine Gefährdung abzuklären. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der technischen und räumlichen Ausstattung von Kindern aus armutsgefährdeten Familien. Lösungen wurden erarbeitet, um möglichst viele Kinder zu erreichen und zu informieren. Maßnahmen wurden auch für die Bereiche Sprachförderung und Bildungsarbeit ergriffen, welche durch die Pandemie vernachlässigt wurden. Die Angebote für Kinder, Jugendliche und Familien wurden gut angenommen. Neue Kommunikationswege ermöglichten individuelle Unterstützung und stärkten das Bewusstsein für psychologische Hilfsangebote. Der Austausch und das kreative Schaffen bei Kindern und Jugendlichen nahmen zu. Positive Entwicklungen waren die verbesserte Zusammenarbeit und neue Kooperationen innerhalb der Stadt Wien.

2. Covid-19: Lessons Learned

Im Rahmen der Tätigkeit der Fokusgruppe wurden die gewonnenen Erfahrungen aller Abteilungen aus der Arbeit während der Covid-19-Pandemie und der Bewältigung dieser gesammelt. Diese „Lessons Learned“ wurden in einer Sitzung vom Menschenrechtsbüro präsentiert und die Möglichkeit für weiteren Austausch zu diesen geboten. Positive Beispiele beinhalteten etwa den schnellen Ausbau digitaler Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit sowie neue Kommunikationswege für Familien. Es wurde jedoch auch festgestellt, dass viele Kinder und Jugendliche während der Ausgangsbeschränkungen nicht erreicht wurden, wodurch sich Benachteiligungen verstärkten und das Kindeswohl oft vernachlässigt wurde.

Verbesserungsvorschläge umfassten eine bessere Einbindung von Abteilungen, die mit Kindern arbeiten, in den Krisenstab der Stadt Wien. Zudem wurde die Einrichtung eines Informationskanals für Kinder empfohlen, um sie mit allen relevanten Informationen versorgen zu können. Weitere Anregungen betrafen spezifische, auf Kinder und Jugendliche ausgerichtete Angebote. Die Erfahrungen und Erkenntnisse der Fokusgruppe wurden in dem Empfehlungspapier „Kinder- und Jugendrechte in der Covid-19-Pandemie“ zusammengefasst. Ergänzt durch Perspektiven aus dem Gesundheitsbereich, bietet das Papier Entscheidungsträger*innen der Wiener Stadtverwaltung einen umfassenden Überblick und Impulse für Maßnahmen als Reaktion auf die Pandemie3.

Themen der Fokusgruppe im Jahr 2021

1. Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Kinder und Jugendliche

Auch 2021 waren die Folgen der Covid-19-Pandemie vor allem für Kinder und Jugendliche spürbar. In diesem Zusammenhang präsentierten die Mitglieder der Fokusgruppe in den Sitzungen ihre Tätigkeiten. Die Bildungsdirektion berichtete etwa, dass die Schulpsychologie häufige Problemlagen identifiziert habe. Von der Stadt Wien – Bildung und Jugend wurden Leitlinien für die Digitale Kinder- und Jugendarbeit herausgegeben.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der während der Pandemie besonders ins Augenmerk rückte, war die Zunahme von Schulabmeldungen. Fast alle in der Fokusgruppe vertretenen Abteilungen bzw. Organisationen hatten mit dieser Herausforderung zu tun. Das Menschenrechtsbüro koordinierte daher eine Stellungnahme der Fokusgruppe zum Thema, welche der Geschäftsgruppe Bildung, Jugend, Integration und Transparenz der Stadt Wien übermittelt wurde. In der Stellungnahme wurde festgestellt, dass keine spezifischen Gründe für Abmeldungen von Schüler*innen erhoben wurden, da dies gesetzlich nicht vorgesehen sei. Verschiedene Wahrnehmungen deuteten jedoch darauf hin, dass die Covid-19-Maßnahmen einen signifikanten Beitrag zum Anstieg der Abmeldungen geleistet haben könnten.

Weitere mögliche Gründe, die genannt wurden, waren Mobbingerfahrungen, Schulängste, psychische Erkrankungen, unzureichende Möglichkeiten zur inklusiven Beschulung von Schüler*innen mit Behinderungen, sowie die Zugehörigkeit von Haushaltsangehörigen zu Risikogruppen. Es sei außerdem problematisch, dass es nach einer Abmeldung keine weiteren Berührungspunkte zu den (ehemaligen) Schüler*innen gebe.

2. Europäische Kindergarantie

Die „Europäische Garantie für Kinder“ der Europäischen Kommission zielt darauf ab, Kinderarmut und soziale Ausgrenzung zu bekämpfen, indem sie allen Kindern und Jugendlichen Zugang zu elementaren Ressourcen ermöglicht. Im Rahmen der Fokusgruppe erfolgte ein Austausch dazu und es wurde hervorgehoben, dass sich eine Gelegenheit biete, geschäftsgruppenübergreifend Themen wie Bildung, Gesundheit, Soziales gemeinsam zu behandeln, um diese verschränkt zu betrachten und Zusammenhänge zu erfassen.

Gemeinsam arbeiten wir daran, Wien zu einem Ort zu machen, an dem ALLE Kinder und Jugendlichen sicher und mit GLEICHEN Chancen für ein GUTES LEBEN aufwachsen können, an dem ihre vielfältigen Biografien und Talente anerkannt, gefördert und gestärkt werden.

Karin König,

Stadt Wien – Integration und Diversität

3. Bericht der Kindeswohlkommission

Im Rahmen einer Sitzung der Fokusgruppe informierte Helmut Sax, Mitglied der unabhängigen Kommission für den Schutz der Kinderrechte und des Kindeswohls im Asyl- und Fremdenrecht, über den Bericht der Kommission vom Juli 20214. Die Kommission überprüfte sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen als auch die Anwendungspraxis und kritisierte, dass Kinderrechte und Kindeswohl in der Praxis nur unzureichend berücksichtigt werden. Trotz umfassender rechtlicher Absicherung der Kinderrechte sei die Umsetzung unbefriedigend. Es fehlen klare Vorgaben für die Kindeswohlprüfung, was zu inkonsistenter Anwendung und unterschiedlichen Bewertungen ähnlicher Fälle führt. Die Kommission bemängelte außerdem die Situation betreffend der Obsorge unbegleiteter Minderjähriger sowie deren Unterbringung und Betreuung während laufender Asylverfahren. Der Bericht enthält zahlreiche Empfehlungen, darunter eine umfassende und strukturierte Kindeswohlprüfung bei allen Entscheidungen im Asyl- und Fremdenrecht. Zudem sollen Verfahren besonders geschulten Referent*innen und Richter*innen zugeteilt werden.

Themen der Fokusgruppe im Jahr 2022

1. Niederlassungs-, Aufenthalts- und Staatsbürgerschaftsrecht

Das Thema wurde in die Fokusgruppe Kinder- und Jugendrechte eingebracht, da Mitarbeiter*innen der von der Stadt Wien geförderten Vereine der Offenen Kinder- und Jugendarbeit sowie der Fair-Play-Teams bei Verfahren im Niederlassungs-, Aufenthalts-, sowie im Staatsbürgerschaftsrecht vor unterschiedlichen Herausforderungen standen. Das Menschenrechtsbüro stellte Kontakt zur Stadt – Einwanderung und Staatsbürgerschaft her, um auf die Thematik hinzuweisen und eine Kooperation zu initiieren. Es wurden sodann Fallbeispiele aus der Jugendarbeit gesammelt, sowie Erfahrungen der Kinder- und Jugendhilfe – Referat Asylvertretung und der Kinder- und Jugendanwaltschaft miteinbezogen, und die daraus resultierenden Herausforderungen thematisch aufgearbeitet.

Zur weiteren Bearbeitung der Thematik fanden Sitzungen zwischen dem Menschenrechtsbüro, der Stadt Wien – Einwanderung und Staatsbürgerschaft, der Kinder- und Jugendhilfe – Referat Asylvertretung und der Stadt Wien – Bildung und Jugend statt, in denen die erarbeiteten Themen ausführlich erläutert wurden. Im Juni 2022 fanden zwei Workshops, organisiert durch die Stadt Wien – Einwanderung und Staatsbürgerschaft, für Mitarbeiter*innen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, der Fair-Play-Teams sowie für Sozialarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe statt. Beim ersten Termin wurden allgemeine Grundlagen und spezifische Fragestellungen zum Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht behandelt, der zweite Termin widmete sich dem Staatsbürgerschaftsrecht und besonderen Fragestellungen des Familienrechts.

Während der vorbereitenden Sitzungen kamen Zweifel an der Verfassungskonformität bestimmter Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes auf, insbesondere im Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern. Konkret betrafen die Fragen die Abhängigkeit von Minderjährigen vom Einkommen ihrer Eltern beim Staatsbürgerschaftserwerb sowie die unterschiedliche Behandlung von unehelichen und ehelichen Kindern. Zur Klärung dieser Fragen beauftragte das Menschenrechtsbüro ein Rechtsgutachten5, welches von der Anwältin und Fremdenrechtsexpertin Julia Ecker und ihrem Mitarbeiter Norbert Kittenberger erstellt wurde. Es zeigt in mehreren Punkten Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität auf. In weiterer Folge richtete die Stadt Wien – Einwanderung und Staatsbürgerschaft ein neues Referat für Kinder und Jugendliche ein6.

2. Ukrainische Kinder und Jugendliche in Wien

Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit der Fokusgruppe im Jahr 2022 lag auf den Fragen und Herausforderungen, die sich aus dem Angriffskrieg auf die Ukraine für Kinder und Jugendliche ergaben. In mehreren Sitzungen der Fokusgruppe hatten die Mitglieder die Gelegenheit, ihre Erfahrungen auszutauschen und bestehende Unklarheiten zu diskutieren. Die Fokusgruppe diente als Plattform, um diese Themen aus menschenrechtlicher Perspektive und mit Expertise aus verschiedenen Tätigkeitsfeldern zu beleuchten. Berührungspunkte ergaben sich bspw. daraus, dass ukrainische Kinder Wiener Kindergärten und Schulen besuchten. Ukrainische Sprachförderkräfte wurden teilweise zusätzlich als Dolmetscher*innen in elementarpädagogischen Einrichtungen herangezogen. Die Stadt Wien – Kinder- und Jugendhilfe stellte fest, dass es wenig unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus der Ukraine gäbe. Die meisten Kinder bzw. Jugendlichen kämen mit Bekannten und Verwandten an und meldeten sich über die offiziellen Anlaufstellen. Informationsmaterial der Abteilungen, insbesondere die „Start Wien Website“7, standen auch in ukrainischer Sprache zur Verfügung.

Themen der Fokusgruppe im Jahr 2023

1. Kinderarmut

Schwerpunkt einer Sitzung der Fokusgruppe war das Thema Kinderarmut, das nicht nur finanzielle Not, sondern auch Bildungsarmut sowie psychosoziale und gesundheitliche Aspekte umfasst.

Die Covid-19-Pandemie verschärfte die Situation für Kinder und Jugendliche zusätzlich. Bereits im Vorjahr 2022 fand im Rahmen der Fokusgruppe eine Präsentation zum Thema seitens der Stadt Wien – Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht statt, die den Mitgliedern nicht nur wichtige Informationen übermittelte, sondern zu einem regen Austausch führte. Mitglieder der Fokusgruppe berichteten 2023 neuerlich von ihren Erfahrungen. Das Thema Kinderarmut wurde bereits vor sieben Jahren in einem Round Table des Menschenrechtsbüros gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und dem Bund behandelt8, jedoch konnten die damaligen Empfehlungen nicht vollständig umgesetzt werden. In der Fokusgruppe kam man zu dem Schluss, dass sich das Problem seither verschärft habe und breiter in der Gesellschaft sichtbar geworden ist. Die Sitzung der Fokusgruppe bat um die Möglichkeit, das Thema nochmal aufzugreifen und vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie zu kontextualisieren.

2. Kinderschutzkonzepte

In einer Sitzung erfolgte ein Austausch zu Kinderschutzkonzepten. Durch eine Gesetzesnovelle wurden Kinderschutzkonzepte in den Wiener Kindergärten verpflichtend; ebenso in Wiener Schulen auf Basis eines Erlasses der Bildungsdirektion für Wien. Das Menschenrechtsbüro sammelte und sichtete diverse Leitfäden zur Erstellung von Kinderschutzkonzepten und leitete diese in Folge an die Mitglieder der Fokusgruppe weiter. Zur Etablierung von Kinderschutzkonzepten im Magistrat der Stadt Wien wurde weiters in Zusammenarbeit zwischen dem Menschenrechtsbüro und der Kinder- und Jugendanwaltschaft ein Pilotprojekt gestartet. Die Stadt Wien – Wiener Wasser wird als Pilotdienststelle ein Kinderschutzkonzept für ihre Abteilung umsetzen.

3. Jugendliche im öffentlichen Raum

Die Sucht- und Drogenkoordination/ Psychosoziale Dienste Wien brachte das Thema als Schwerpunkt einer Sitzung ein, da festgestellt wurde, dass es im Rahmen von Vernetzungsgremien und durch Beschwerden von Bürger*innen eine signifikante Zunahme von Meldungen zum Verhalten von Jugendlichen in Bezug auf Lärmbelästigungen, Drogenkonsum bzw. -handel und Gewalt gab. Auch die Mobile Soziale Arbeit der Suchthilfe Wien beobachtete ein zunehmend auffälliges (risikoreiches/aggressives) Verhalten von Jugendlichen. Als Ursachen für die Veränderungen im Verhalten wurden psychische Belastungen während der Covid-19-Krise und finanzielle Belastungen durch die Teuerung vermutet. Die Probleme seien vielschichtig und beträfen unterschiedliche Gruppen mit jeweils spezifischen Problemen. Die Mitglieder der Fokusgruppe waren sich einig, dass die Besorgnis besteht, dass im Zuge medialer Berichterstattung ein negatives „Framing“ bestimmter sozialer Gruppen entstehen könnte, insbesondere von Jugendlichen und Obdachlosen, die möglicherweise als Zielgruppen für politische Rhetorik instrumentalisiert werden könnten. Die Fokusgruppe vereinbarte – unter Bezugnahme auf vorhandene Empfehlungen – ein Papier auszuarbeiten, um Leitlinien für eine menschenrechtsbasierte Kommunikation, insbesondere für politische Akteur*innen, zu entwickeln, um möglicherweise negativem „Framing“ entgegenzuwirken9.

4. Forschungsprojekt CARES

Im Rahmen der Fokusgruppe wurde das Forschungsprojekt CARES vom Projektleiter am Ludwig Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrecht vorgestellt. Untersuchungen zeigten, dass Kinder und Jugendliche von den Folgen der Covid19-Pandemie besonders stark und vielfältig betroffen sind. Das Forschungsprojekt CARES will diese Entwicklungen – sowie aktuelle weitere Belastungen (Inflation, Folgen des Kriegs in der Ukraine) – analysieren und in diesem Prozess Kinder und ihre Erfahrungen in den Mittelpunkt stellen. Auch die Erkenntnisse von Fachkräften werden ausgewertet, um künftig in der Kinderschutzarbeit insgesamt gestärkt auf Krisensituationen reagieren zu können. Auf Grundlage einer Kooperation mit dem Menschenrechtsbüro wird auf Basis der Forschungsergebnisse außerdem eine Sonderauswertung für Wien erstellt.

Seit 2021 werden jährlich zum Tag der Kinderrechte Fahnen gehisst, sowohl am Rathaus durch Vizebürgermeister und Stadtrat Christoph Wiederkehr als auch bei den Bezirksvorstehungen. Mit ihrem Aufdruck „Kinder haben Recht“ sollen sie sowohl auf Kinderrechte aufmerksam machen als auch das Engagement der Stadt Wien und der Bezirke in diesem Bereich nach außen sichtbar machen. Im Jahr 2021 wurden insbesondere die Leistungen der Wiener Kinder und Jugendhilfe als größte Kinderschutzorganisation Österreichs hervorgehoben10. Im Folgejahr, 2022, wurde das Recht auf Bildung thematisiert und Schüler*innen wurden zu einem Austausch zu Kinderrechten in das Büro des Bildungsstadtrats eingeladen11. 2023 stand das Recht auf Teilhabe und Mitbestimmung im Fokus, weswegen ein Dialog mit den Vertreter*innen des Wiener Jugendparlaments stattfand12. Die Menschenrechtsbeauftrage Shams Asadi nahm an allen Treffen teil.

Christoph Wiederkehr und Schüler*innen mit der Kinderrechte-Fahne © Markus Wache, Stadt Wien – Kommunikation und Medien

Am Wiener Rathaus wurde, gemeinsam mit Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr und Schüler*innen, die Kinderrechte-Fahne gehisst.

Das Menschenrechtbüro ist Kooperationspartner des Human Rights Space13, einem Begegnungsort für Kinder und Jugendliche zur Auseinandersetzung mit Kinder- und Menschenrechten. Ziel ist es, Menschenrechte erleb- und begreifbar zu machen und Kinder und Jugendliche zu inspirieren und zu unterstützen, sich aktiv für Kinder- und Menschenrechte einzusetzen. Partizipation und Inklusion stehen dabei im Mittelpunkt des Projekts, das barrierefrei und inklusiv angelegt ist. Der Human Rights Space wurde als gemeinschaftliches Projekt durch das Zusammenwirken von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Akteur*innen, unter anderem Jugendarbeiter*innen, Künstler*innen und Menschenrechtsexpert*innen, entwickelt und umgesetzt. Die Ausstellung wurde in einem zweijährigen Prozess gemeinsam mit über 200 Kindern und Jugendlichen gestaltet. Stimmen, Zeichnungen und Ideen der beteiligten Kinder und Jugendlichen sind in die Ausstellung eingeflossen. Das Menschenrechtsbüro war als Kooperationspartner an der Konzeptionierung des Projekts beteiligt.

Kinder und Jugendliche brauchen einen sicheren Ort, an dem sie ihre Rechte kennenlernen und unterstützt werden, wenn sie sich dafür einsetzen wollen.

Katharina Schuller,

Gründerin des Human Rights Space

  1. Vgl. Dawid, Armutsbetroffene und die Corona-Krise, Eine Erhebung zur sozialen Lage aus der Sicht von Betroffenen, Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Wien, September 2020, abrufbar unter: http://www.armutskonferenz.at/files/armuts- konferenz_erhebung_armutsbetroffene_corona- krise_2020.pdf.

  2. Vgl. Österreichische Liga für Kindergesundheit, Be- richt zur Lage der Kindergesundheit, abrufbar unter: https://www.kinderjugendgesundheit.at/site/ assets/files/1237/jb_kinderliga_2020_komprimiert.pdf

  3. Das Empfehlungspapier findet sich im Anhang 1 zum Tätigkeitsbericht.

  4. Siehe unter: https://www.bmj.gv.at/themen/Fokusthemen/ Kindeswohlkommission.html

  5. Siehe unter: https://www.wien.gv.at/menschen/integration/ menschenrechtsstadt/gutachten-staatsbuerger schaftsgesetz.html

  6. Siehe unter: https://www.ots.at/presseaussendung/ OTS_20240209_OTS0022/neues-team-fuer-kinder- in-wien-staatsbuergerschaft

  7. Siehe unter: https://start.wien.gv.at/

  8. Vgl. Menschenrechtsbüro, Tätigkeitsbericht 2015 - 2019, S. 12f., abrufbar unter: https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrup/ content/titleinfo/3245804

  9. Das Papier findet sich im Anhang 2 zum Tätigkeitsbericht.

  10. Siehe unter: https://presse.wien.gv.at/2021/11/20/wiederkehr- zum-tag-der-kinderrechte-in-wien-stellen-wir-die- rechte-von-kindern-und-jugendlichen-in-den- vordergrund

  11. Siehe unter: https://www.ots.at/presseaussendung/ OTS_20221118_OTS0075/wiederkehr-zum-tag-der- kinderrechte-recht-auf-bildung-als-basis-fuer- menschenrechte

  12. Siehe unter: https://www.ots.at/presseaussendung/ OTS_20231120_OTS0130/wiederkehr-zum- internationalen-tag-der-kinderrechte-recht-auf- teilhabe-als-basis-fuer-menschenrechte

  13. Siehe unter: https://humanrightsspace.at