Einführung

Einleitung

Der vorliegende zweite Tätigkeitsbericht des Menschenrechtsbüros Wien umfasst die Jahre 2020 bis 2023. Er beleuchtet die Tätigkeiten und Handlungsfelder des Menschenrechtsbüros in diesem Zeitraum und gibt Einblicke in die vielseitige Arbeit, die in diesen Jahren geleistet wurde.

Wien ist Menschenrechtsstadt – und das zum Erscheinen dieses Tätigkeitsberichts bereits seit 10 Jahren. Im Dezember 2014 beschloss der Wiener Gemeinderat die Deklaration „Wien – Stadt der Menschenrechte“1. Im vorangegangenen partizipativen Entstehungsprozess wurde das Ziel formuliert, die Einhaltung und Förderung der Menschenrechte zu stärken und das menschenrechtliche Bewusstsein, sowohl in der Verwaltung als auch unter den Bürger*innen der Stadt, weiter auszubauen. Mit dem Bekenntnis zur Menschenrechtsstadt setzte Wien nicht nur einen weiteren Schritt, sich als weltoffene, inklusive und gerechte Stadt zu positionieren. Sie wurde auch Teil eines Netzwerks aus europa- bzw. weltweiten Menschenrechtsstädten, in dem ein Austausch von Erfahrungen, Erkenntnissen und lokal entwickelten bewährten Verfahren stattfindet. Als Menschenrechtsstadt hat sich Wien dazu verpflichtet, Menschenrechtsstandards und -normen aufrechtzuerhalten und sich für deren Einhaltung und Umsetzung einzusetzen. Die Stadt ergreift Maßnahmen, um diese Verpflichtung zu erfüllen und eine auf dem menschenrechtsbasierten Ansatz ausgerichtete Politik zu verschiedenen Themenbereichen zu entwickeln.

Zur Umsetzung der Deklaration „Wien – Stadt der Menschenrechte“ wurde im Jahr 2015 das Menschenrechtsbüro der Stadt Wien eingerichtet.

Gleichzeitig mit der Eröffnung wurde die Menschenrechtsbeauftragte der Stadt Wien Shams Asadi als Leiterin des Büros eingesetzt. Seither koordiniert das Menschenrechtsbüro das Querschnittsthema Menschenrechte, welches sämtliche Bereiche der Stadtverwaltung betrifft, und macht das Engagement der Stadt nach außen sichtbar. In Umsetzung der Deklaration „Wien – Stadt der Menschenrechte“ bilden die Bewusstseinsbildung und das Menschenrechtslernen, Öffentlichkeitsarbeit sowie die internationale Zusammenarbeit und Vernetzung weitere Aufgaben.

Das Menschenrechtsbüro fungiert auch als Clearingstelle für Personen, die sich in ihren Menschenrechten verletzt sehen. Darüber hinaus vertritt die Menschenrechtsbeauftragte Shams Asadi seit 2012 alle Bundesländer im – bei der Volksanwaltschaft angesiedelten – Menschenrechtsbeirat, welcher der Volksanwaltschaft und ihren Kommissionen bei ihrer Aufgabe der präventiven Menschenrechtskontrolle als beratendes Gremium zur Seite steht2.

In seiner Arbeit verfolgt das Menschenrechtsbüro einen menschenrechtsbasierten Ansatz. Dieser stellt eine Methode zur Bewertung des institutionellen Rahmens, der gesellschaftlichen Gegebenheiten und der (globalen) Herausforderungen durch die „Linse“ der Menschenrechte dar. Gleichzeitig bietet der Ansatz einen konzeptionellen Rahmen für gesellschaftlichen Wandel, der auf internationalen, regionalen und nationalen Menschenrechtsstandards beruht und auf die Förderung und den Schutz der Menschenrechte ausgerichtet ist.

Vier Grundsätze leiten die Arbeit des Menschenrechtsbüros mit dem menschenrechtsbasierten Ansatz:

  • Teilhabe am und Zugang zum Entscheidungsprozess (participation)

  • Nichtdiskriminierung und Gleichheit (non-discrimination and equality)

  • Rechenschaftspflicht, Verantwortlichkeit und Rechtsstaatlichkeit (accountability)

  • Transparenz und Zugang zu Information (transparency)

Zentral für die Tätigkeit des Menschenrechtsbüros ist die Zusammenarbeit mit verschiedenen Magistratsabteilungen, anderen öffentlichen Institutionen, NGOs, zivilgesellschaftlichen Initiativen sowie Expert*innen. Kooperation und Vernetzung sind für die menschenrechtliche Arbeit essenziell. Der Dialog zwischen den Interessensgruppen wird etwa in Form von Fokusgruppen, öffentlichen Veranstaltungen und Konferenzen sowie Round Tables3 organisiert. Die Ergebnisse fließen in die Weiterentwicklung der Arbeit des Menschenrechtsbüros, wodurch der Prozess „Wien – Stadt der Menschenrechte“ fortgesetzt und vertieft wird.

Als Bindeglied zwischen der Wiener Stadtpolitik und dem Menschenrechtsbüro besteht außerdem eine Steuerungsgruppe. Sie dient dem Informationsaustausch aber auch der Koordinierung menschenrechtlicher Maßnahmen in der Stadt und soll die institutionelle Verankerung des menschenrechtsbasierten Ansatzes in der Verwaltung wie der Politik fördern. Näheres zur Steuerungsgruppe befindet sich in Kapitel VII.

Die Jahre 2020 bis 2023 waren für das Menschenrechtsbüro der Stadt Wien von außergewöhnlichen Herausforderungen und bedeutenden Entwicklungen geprägt.

Die Jahre 2020 und 2021 standen weltweit im Zeichen der Covid-19-Pandemie, deren Auswirkungen auch die Arbeit des Menschenrechtsbüros maßgeblich beeinflussten. Die pandemiebedingten Einschränkungen führten zu einer weitgehenden Verlagerung der Tätigkeiten ins Homeoffice. Zahlreiche Termine und Veranstaltungen mussten verschoben oder abgesagt sowie neue Methoden der Kooperation und Bewusstseinsbildung entwickelt werden. So konnte etwa die Veranstaltung zum internationalen Tag der Menschenrechte zwar nicht in gewohnter Form stattfinden, jedoch wurde mit dem Projekt „Wiener Lichtblicke“ ein neuer Weg gefunden, auch in der Pandemie das Thema Menschenrechte einer Vielzahl an Menschen zugänglich zu machen (siehe Kapitel IV).

Die Pandemie brachte überdies aus menschenrechtlicher Perspektive neue Fragestellungen und Herausforderungen mit sich, die in den inhaltlichen Schwerpunkten der Arbeit des Büros deutlich wurden.

Im Jahr 2022 rückten zusätzliche neue Themen in den Fokus. Der Angriffskrieg auf die Ukraine und die daraus resultierende Vertreibung zahlreicher Menschen stellte Wien vor neue Aufgaben. Besonders die Bedürfnisse der geflüchteten Kinder und Jugendlichen rückten in den Mittelpunkt der Arbeit der Fokusgruppe Kinder- und Jugendrechte des Menschenrechtsbüros. Hinsichtlich des Schwerpunkts „Bekämpfung von Menschenhandel“ standen insbesondere präventive Maßnahmen im Fokus.

Relevante Themen im Jahr 2023 waren etwa die Teuerung und die zunehmende Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen. Zudem machte der Konflikt im Nahen Osten erneut die Wichtigkeit der globalen Förderung und Verteidigung der Menschenrechte deutlich, da die Menschenrechtsverletzungen in dieser Region die internationalen Standards unter Druck setzen. Gleichzeitig war 2023 ein Jahr der Jubiläen. Bei der Wiener Menschenrechtskonferenz 2023 (siehe Kapitel IV, Seite 49) wurden 75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie 30 Jahre Weltmenschenrechtskonferenz in Wien gefeiert. Zudem startete 10 Jahre zuvor der Prozess zur Menschenrechtsstadt Wien.

Das Menschenrechtsbüro der Stadt Wien blickt somit auf ereignisreiche Jahre zurück. Dieser Bericht soll einen umfassenden Überblick über die konkreten Handlungsfelder und Tätigkeiten des Büros geben und aufzeigen, wie es gelungen ist, die Verwirklichung der Menschenrechte für alle weiter voranzutreiben. Es gilt, das Bewusstsein für die Relevanz der Menschenrechte – sowohl für unser tägliches Leben, als auch im globalen Kontext – weiter zu stärken und die zukünftige Arbeit im Einklang mit den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen zu gestalten.

Wiener Lichtblicke (2) © Christian Fürthner, Stadt Wien – Kommunikation und Medien

Die Fotografien im Bericht zeigen Eindrücke der „Wiener Lichtblicke“, eines Kunstprojekts, welches zum Internationalen Tag der Menschenrechte 2020/21 erstmals in Wien stattfand.

Weitere Informationen: Kapitel IV.


  1. Die Deklaration „Wien – Stadt der Menschenrechte“ ist abrufbar unter: https://www.wien.gv.at/menschen/integration/ menschenrechtsstadt/pdf/deklaration- menschenrechte.pdf

  2. Siehe Näheres hierzu unter: https://volksanwaltschaft.gv.at/praeventive- menschenrechtskontrolle

  3. Bei Round Tables werden einzelne Themen konkret hervorgehoben und zuständige Abteilungen der Stadtverwaltung, Expert*innen sowie Vertreter*innen relevanten Organisationen miteinbezogen, um Herausforderungen zu analysieren und Empfehlungen für die Stadtverwaltung und -politik auszuarbeiten.