10. Anhang

10.1 Anhang 1: Kinder- & Jugendrechte in der Covid-19-Pandemie (Jänner 2021)

„GOOD PRACTICE“ – BEISPIELE UND POSITIVE ERFAHRUNGEN

  • Der Umstieg ins „digitale Homeoffice“ erfolgte ohne große Schwierigkeiten

  • Neue (digitale) Wege zur Zusammenarbeit und zum Austausch innerhalb der Stadt und in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen wurden gefunden

  • Mehrsprachige Angebote wurden umgesetzt und konnten an Bedeutung gewinnen

  • Kinder und Jugendliche haben neue Kompetenzen (z.B. Selbstorganisation) erworben

  • Bei Kindern und Jugendlichen in Wohngemeinschaften konnte das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt und die Beziehungsarbeit gefördert werden

  • Die Akzeptanz für psychologische Angebote bei Eltern, Kindern und Jugendlichen stieg an • Kooperationen ermöglichten Zusatzangebote

HERAUSFORDERUNGEN

  • Kinder und Jugendliche werden während des Lockdowns nicht immer erreicht

  • Soziale Benachteiligungen im Bildungsbereich werden verstärkt

  • Strafen im 1. Lockdown trafen benachteiligte Jugendliche und es entstand der Eindruck von Diskriminierungen; eine allgemeine Straffreistellung wurde nicht umgesetzt

  • Psychische Belastungen nehmen zu – es besteht ein erhöhter Bedarf an psychosozialen Angeboten, die nicht zur Gänze abgedeckt werden

  • Die präventive Basisversorgung (Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen) ist rückläufig

  • Die Abstimmung und Zusammenarbeit kann in bestimmten Bereichen verbessert werden

  • Es besteht ein erhöhtes Potenzial für häusliche Gewalt und deren Nichterkennung

  • Die wechselnde Lage und die dbzgl. Kommunikation erschweren die Planung und Umsetzung von Maßnahmen

LÖSUNGSANSÄTZE

  • Flächendeckende technische Ausstattung für alle Schüler*innen sicherstellen

  • Zusätzlicher Ergänzungs- und Förderunterricht im kommenden Semester sowie zusätzliche Unterstützung, um Lernrückständen entgegenzuwirken, etablieren

  • Stärkere Berücksichtigung von kreativen und sportlichen Bereichen im Homeschooling ermöglichen

  • Ausbau psychologischer, psychosozialer und psychotherapeutischer Angebote forcieren

  • Maßnahmen zur Nachholung von versäumten Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen setzen

  • Maßnahmen zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit ausbauen

  • Finanzielle Hilfen für einkommensschwache Familien ausbauen

  • Zusätzliche Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche schaffen

  • Sicherstellung von Meldungen an die Kinder und Jugendhilfe und von Hausbesuchen durch Sozialarbeiter*innen, wenn Kindergartenkinder und Schüler*innen nicht erreicht werden

  • Weiteren Ausbau der Zusammenarbeit und Vernetzung vorantreiben

  • Technische Ausstattung von Mitarbeiter*innen verbessern

  • Klare Vorgaben des Bundes zur Erleichterung der Planbarkeit anfordern

  • Transparenz des Krisenstabs der Stadt Wien verbessern

  • Wert von Mehrsprachigkeit auch in Zukunft berücksichtigen

  • Partizipation von Eltern, Kindern und Jugendlichen verstärken

  • Unterstützungen für Schulen mit besonderen Herausforderungen ausbauen

  • Fortbildungen für Pädagog*innen, Elternarbeit und Menschenrechtsbildung für Kinder und Jugendlichen ausbauen

Kinder und Jugendliche bzw. ihre Rechte sind in der Zeit der Covid-19-Pandemie besonders betroffen. Gleichzeitig findet ihre Perspektive wenig Berücksichtigung in den politischen Entscheidungen. Auffallend betroffen durch die Krise sind beispielsweise das Recht auf Bildung, das Recht auf Gesundheit sowie das Recht auf Freizeit und Erholung. Weiters wurden durch die Covid-19-Pandemie soziale Ungleichheiten verstärkt. Dies ergibt auch eine Studie der Armutskonferenz1, die im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durchgeführt wurde.

Kinder und Jugendliche betreffend führt diese aus, dass Homeschooling insbesondere für armutsbetroffene Alleinerzieher*innen eine besondere Herausforderung speziell in Mehrkindfamilien darstellte. Weiters gibt es „Hinweise, dass Homeschooling die bestehenden sozial bedingten Unterschiede bei den Bildungschancen noch weiter vergrößert“. Im Rahmen der Studie wurde vor allem die fehlende technische Ausstattung (Computer, Internet, Drucker etc.) thematisiert, ferner psychische Belastungen, die sich (auch) im Zusammenhang mit finanziellen Unsicherheiten ergaben. Betreffend Kinder mit Migrationshintergrund wurde ausgeführt, dass Hilfsangebote für lernschwache Schüler*innen, die häufig auf Freiwilligenarbeit beruhen, nicht stattfinden konnten, da Helfer*innen – z.B. Pensionist*innen – oftmals Risikogruppen angehören und die Angebote nicht so leicht auf Onlinebetrieb umgestellt werden konnten.

Für den Gesundheitsbereich führt die österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit in ihrem Bericht zur Lage der Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich 20202 beispielsweise Belastungen durch Ängste, depressive Verstimmungen und soziale Einschränkungen aus. Auswirkungen sind außerdem durch versäumte Routine- und Kontrolluntersuchungen sowie Impftermine, abgesagte Therapien, Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung zu erwarten.

Die Mitglieder der Fokusgruppe Kinderrechte (Stadt Wien – Kindergärten, – Kinder und Jugendhilfe, – Bildung und Jugend sowie – Integration und Diversität, BD für Wien, Kija und L. Boltzmann Institut für Grund- und Menschenrechte) des Menschenrechtsbüros, welche sich im Rahmen von zwei Sitzungen ebenfalls mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Rechte von Kindern und Jugendlichen befasste, berichteten von ähnlichen Beobachtungen.

Die dominierenden Gesprächsthemen in den Sitzungen bildeten die Themen

  • Umgang und Anzeigen der Polizei sowie Strafen des Magistrats der Stadt Wien aufgrund der Covid-19-Verordnung und

  • Schule bzw. Homeschooling (Distance Learning) und damit im Zusammenhang stehende Lebensrealitäten von Kindern und Jugendlichen.

In Hinblick auf beide Themenstellungen wurde beobachtet, dass der soziale Hintergrund von Kindern und Jugendlichen eine wesentliche Rolle spielt(e). Die wesentlichen Erfahrungen und Erkenntnisse der in der Fokusgruppe vertretenen Abteilungen wurden in weiterer Folge anhand der Fragen

  1. Welche „Good Practice“-Beispiele und positive Erfahrungen können aus der bisher vergangenen Zeit der Krise mitgenommen werden?

  2. Welche Herausforderungen bestanden?

  3. Was kann besser gemacht werden? Was braucht es, um Kinder und Jugendliche besser – insbesondere auch im Falle einer weiteren Welle – berücksichtigen zu können?

verschriftlicht.

Für den Gesundheitsbereich wurden außerdem Gespräche mit einer Vertreterin der Stadt Wien – Gesundheitsdienst, Gesundheitsvorsorge Kinder und Jugendliche und einer Psychologin der Kinder- und Jugendhilfe – Fachbereich Psychologischer Dienst und Inklusion geführt. Seitens des Menschenrechtsbüros wurden die Beiträge, welche den Erfahrungszeitraum von Beginn des 1. Lockdowns bis Anfang 2021 erfassen, im vorliegenden Papier zusammengefasst, das Entscheidungsträger*innen in der Wiener Stadtverwaltung und -politik einen guten Überblick sowie Impulse für Maßnahmen als Reaktion auf die Herausforderungen in und nach der Pandemie bieten soll.

„GOOD PRACTICE“-BEISPIELE UND POSITIVE ERFAHRUNGEN

Insgesamt wurde insbesondere ein großer Push bzw. Entwicklungsfortschritt in Hinblick auf digitale Kommunikation (Austauschplattformen, E-Learning etc.) und digitale Angebote (Social Media, neue Formate etc.) wahrgenommen. Andererseits wurde deutlich, dass der persönliche Austausch und Kontakt durch virtuelle Möglichkeiten nicht ersetzt werden kann.

Zusammenarbeit und (digitale) Kommunikation innerhalb der Stadt

  • Der Umstieg auf Homeoffice funktionierte weitgehend ohne Schwierigkeiten. Der magistratsinterne technische Support sowie der Informationsaustausch – sowohl innerhalb als auch zwischen den Abteilungen (insb. zwischen Stadt Wien – Kindergärten, – Kinder- und Jugendhilfe, – Bildung und Jugend, – Gesundheitsdienst, SDW und Bezirken) – funktionierte gut, ebenso wie die Zusammenarbeit mit den Vereinen der offenen Kinder- und Jugendarbeit und der fachliche Austausch innerhalb der Kinderund Jugendarbeit (insb. über die Austauschplattform www.jugendarbeit.wien, virtuelle Stammtische etc.).

Zusammenarbeit und (digitale) Kommunikation mit Familien sowie Kindern und Jugendlichen

  • In allen Bereichen (Kindergarten, Schule, Jugendarbeit, soziale Arbeit) wurde berichtet, dass neue Kommunikationswege (Telefonate, E-Mail, div. Messenger-Apps etc.) gefunden und den Bedürfnissen der jeweiligen Familien entsprechend gut eingesetzt werden konnten; teilweise konnten bestimmte Gruppen online besser erreicht werden als zuvor.

  • Die digitalen Angebote der Kinder- und Jugendarbeit wurden rasch ausgebaut und adaptiert. Ab Mitte Mai hat sich eine Verschränkung von virtuellen Angeboten und Aktivitäten im öffentlichen Raum sowie – in geringem Ausmaß – auch Indoor bewährt.

  • Ein Covid-19-Informations-Service (inkl. Beratung in sozialen Fragen) in 26 Sprachen wurde von der Stadt Wien – Integration und Diversität eingerichtet und schriftliche Informationen zu Covid-19 und den Maßnahmen in wichtige Erstsprachen übersetzt. Mehrsprachige Angebote und Informationen für Migrant*innen konnten online – vor allem auf Social-Media-Kanälen – fortgesetzt werden.

  • Informationen für Kinder, z.B. Erklärvideos zu Covid-19 wurden gut aufgenommen. Familien sind durch die Art der Kommunikation (insb. Arbeiten mit Bildern) in sozialen Medien gut erreichbar.

Kompetenzen und Umfeld von Kindern und Jugendlichen

  • In Bildungseinrichtungen (Kindergarten und Schule) konnten neu erworbene Selbstständigkeit, Steigerung der Selbstorganisation und Zuversicht bei Kindern und Jugendlichen beobachtet werden.

  • Die Pandemie hat (aber auch) gezeigt, dass Schule und Kindergarten wichtige soziale Lernorte sind, sowie dass der persönliche Austausch – dies ebenso im Bereich der sozialen Arbeit – sowie Abläufe und Struktur unersetzbar sind.

  • Kinder und Jugendliche in Wohngemeinschaften konnten sich besser in diese einleben. Freizeitaktivitäten am Wochenende haben das Gefühl der Zusammengehörigkeit gestärkt, die Beziehungsarbeit konnte gefördert werden. Loyalitätskonflikte zur Herkunftsfamilie traten durch den Wegfall der Wochenendausgänge in den Hintergrund.

  • Bei Eltern, Jugendlichen und Kindern kam es zu einer Steigerung des Bewusstseins und der Akzeptanz für psychologische Hilfsangebote.

  • Familien mit Kindern verbringen mehr Freizeit im Freien.

Weitere positive Erfahrungen

  • Durch Kooperationen mit den Bezirken konnten Zusatzangebote geschaffen werden.

  • Webinare für Pflegeeltern ermöglichen die Fortführung der Pflegeelternausbildung und schaffen somit zusätzliche Kapazitäten für die Aufnahme von Pflegekindern.

  • Teilweise hatten Mitarbeiter*innen im Homeoffice mehr Zeit für Literaturarbeit, Recherche, Reflexion etc., teilweise konnten Mitarbeiter*innen andere Aufgaben (insbesondere Unterstützung in sozialpädagogischen Wohngemeinschaften) wahrnehmen. Zusammenarbeit und (digitale) Kommunikation

HERAUSFORDERUNGEN

  • Teilweise fehlte eine regelmäßige Abstimmung zwischen den kinder- und jugendrelevanten Magistratsabteilungen und verwandten Organisationen.

  • Der Zugang zum Krisenstab der Stadt Wien war nicht von Anfang an gewährleistet und kinder- und jugendrelevante Themen konnten erst verspätet eingebracht werden. Generell wurde die Organisation als intransparent empfunden.

  • Im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit war der Kontakt zur Polizei nicht immer gewährleistet, auch die Kooperation mit Schulen gestaltete sich zeitweise schwierig.

  • Mitarbeiter*innen (insb. auch Lehrer*innen) mussten vielfach mit privaten Geräten verschiedener Qualität und unterschiedlichen Alters arbeiten. Videokonferenzen konnten daher – teilweise auch an Geräten in den Schulen – nicht immer problemlos durchgeführt werden.

Allgemeine Auswirkungen auf Kinder und Jugendlichen

  • Nicht alle Kinder und Jugendlichen konnten während der Ausgangsbeschränkungen erreicht werden; diese Problemstellung betraf alle Organisationen.

  • Die Vereinbarkeit von Homeoffice und Homeschooling bzw. Kinderbetreuung war mitunter nur schwierig zu bewältigen. Soziale Benachteiligungen wurden spürbar bzw. verstärkt.

  • Fehlende Praktikumsstellen, Lehr- und Arbeitsplätze belasten Jugendliche und junge Erwachsene und führen zur Perspektivenlosigkeit. Die Jugendarbeitslosigkeit ist gestiegen.

  • Strafen, die während des 1. Lockdowns verhängt wurden, trafen vor allem Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien. Es entstand außerdem der Eindruck, dass die Polizei verstärkt Migrant*innen kontrollierte und anzeigte, wodurch sich negative Konsequenzen für das Zugehörigkeitsgefühl ergeben können; besonders betroffen waren in diesem Zusammenhang auch Jugendliche aus Wohngemeinschaften. Laut Rückmeldung der Jugendarbeiter*innen und der Jugendinfo nahm die Bearbeitung der Strafen viel Zeit in Anspruch und der Ausgang des Verfahrens verlief sehr individuell. Eine allgemeine Straffreistellung ist nicht erfolgt. In den darauffolgenden Lockdowns agierte die Polizei nicht mehr so offensiv und es erfolgten weitaus weniger Anzeigen. Der Austausch zwischen Polizei und der Stadt Wien – Bildung und Jugend bzw. Jugendarbeit konnte verbessert werden.

Psychische und körperliche Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

  • Bei Kindern und Jugendlichen in Wohngemeinschaften spielt die individuelle Vorgeschichte in Hinblick auf die psychische Belastung durch die Ausgangsbeschränkungen eine zusätzliche Rolle und die Möglichkeiten zur Selbstregulierung sind eingeschränkter. Insbesondere während des 2. Lockdowns sind die Anfragen wegen Angst und depressiver Symptomatik angestiegen. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass im 1. Lockdown die Perspektive – aufgrund der zeitlichen Absehbarkeit des Endes der Maßnahmen – positiver war, während sich die Pandemie mittlerweile zu einer zeitlich nicht abschätzbaren Situation entwickelt hat. Im Bereich der Wohngemeinschaften der Kinder- und Jugendhilfe ist psychologische Betreuung grundsätzlich vorhanden; bei Pflegefamilien gab bzw. gibt es einen erhöhten Bedarf an Beratungen, der das Angebot zeitweise übersteigt.

  • Kurzfristige Beratungsangebote konnten gut aufgenommen werden (z.B. verzeichnete Rat auf Draht 30 Prozent mehr Anrufe und Chats). Langfristige Betreuung ist aber nicht flächendeckend vorhanden. Gruppenangebote finden zurzeit nicht statt. Es besteht die Befürchtung, dass Kinder und Jugendliche „verloren gehen“.

  • Insbesondere für Jugendliche stellt der eingeschränkte soziale Kontakt eine hohe Belastung dar, da das Bedürfnis nach Austausch in der Peergroup als ein zentraler Bestandteil der Identitäts- und Autonomieentwicklung groß ist. Einschränkungen in dieser Hinsicht entstehen zusätzlich durch den Wegfall von Praktika und Lehrstellen.

  • Für Kinder und Jugendliche, welche in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe leben, entfielen vorübergehend die Wochenendausgänge bzw. Besuche der Eltern, womit (auch) negative Gefühle verbunden waren.

  • Elternberatungen blieben während des 1. Lockdowns geschlossen – während der darauffolgenden Ausgangbeschränkungen war es möglich, Termine zu vereinbaren; die Betreuungszahlen sind jedoch weiterhin gesunken (keine kurzfristigen Termine möglich). Ein großer Bedarf ist spürbar. Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen und routinemäßige Vorsorgeuntersuchungen sind teilweise entfallen und dadurch Lücken entstanden bzw. konnten Förderimpulse und Anregungen zur Gesundheit und Entwicklung nicht gegeben werden. Die präventive Basisversorgung ist insgesamt rückläufig.

  • An den Schulen durchgeführte Impfungen können – von nicht anwesenden Schüler*innen – nicht nachgeholt werden. In den Bezirksgesundheitsämtern wurden bzw. werden ebenfalls keine Impfungen durchgeführt.

  • Ein erhöhtes Potenzial für häusliche Gewalt ist gegeben. Durch die Ausgangsbeschränkungen erhöht sich die Gefahr, dass Betroffene nicht erkannt werden. Besondere Herausforderungen im Bildungsbereich Soziale Benachteiligungen wurden insbesondere im Bildungsbereich spürbar. Bildungsimpulse und Bildungsangebote (Homeschooling) konnten teilweise nicht wahrgenommen werden. (Gründe: fehlende Ausstattung der Familien bzw. der Kinder und Jugendlichen: kein ausreichendes Guthaben/Datenvolumen bzw. kein W-LAN, kein Laptop bzw. PC und Drucker, fehlendes Know-how im Umgang mit technischen Geräten und entsprechenden Tools etc., Eltern hatten nicht genug Ressourcen, um Kinder und Jugendliche zu unterstützen, Anspannungen insbesondere, wenn Eltern in der Zeit arbeitslos wurden, Überforderung, Platzmangel in den Wohnungen bzw. keine Rückzugsorte zum Lernen, zunehmende mangelnde Motivation bei Schüler*innen). Ebenso spielt die Möglichkeit des Kindergartenbesuchs für diese Familien eine größere Rolle.

Nachteile ergaben sich überdies aufgrund des nicht mehr stattfindenden Kindergarten- oder Schulbesuchs in Bezug auf den Lernfortschritt in Deutsch für Kinder und Jugendliche mit Sprachförderbedarf.

Kindergarten

  • Teilweise besuchten Kinder auch nach Wegfall der Ausgangsbeschränkungen nicht den Kindergarten, insbesondere um im selben Haushalt lebende Elternteile/Angehörige, die einer Risikogruppe angehören, keinem Infektionsrisiko auszusetzen.

Schule

  • Die Bedarfserhebung in den Schulen bezüglich der Ausstattung mit technischen Geräten hat nicht optimal funktioniert. Durch die Geräte-Initiative des Bildungsministeriums für die Sekundarstufe und die Bereitstellung von 5000 Geräten durch die Stadt Wien im 1. Lockdown erfuhr das Distance-Learning eine Verbesserung (bzw. eine höhere Reichweite), welche während des 1. Lockdowns nicht in der Form gewährleistet war. Weitere Geräte-Initiativen im Zusammenhang mit dem 8-Punkte-Plan der Digitalisierung des Bildungsministeriums wurden gestartet und diese Geräte werden noch bis zum Ende dieses Schuljahres an die Schulen ausgeliefert. Eine flächendeckende Ausstattung mit digitalen Endgeräten für alle Schüler*innen ist zum derzeitigen Zeitpunkt jedoch noch nicht gegeben. Dies betrifft teilweise auch die Schulstandorte selbst bzw. ist nicht jeder Klassenraum mit Geräten und W-LAN ausgestattet. Um eine ausreichende Infrastruktur zu gewährleisten, braucht es sowohl zeitliche als auch weitere finanzielle Ressourcen. Es sind außerdem Fälle bekannt, in denen die zur Verfügung gestellten Geräte – aus Angst der Eltern davor, dass diese kaputtgehen und dann bezahlt werden müssen – nicht benutzt werden.

  • Die Vorgabe, sich auf eine einheitliche Kommunikationsplattform an einem Schulstandort zu verständigen, erleichterte im Laufe der Pandemie die Umsetzung des Distance-Learnings. Für Eltern, deren Kinder unterschiedliche Schulen besuchen, besteht teilweise nach wie vor die Herausforderung, verschiedene Plattformen zu bedienen bzw. ihre Kinder hierbei zu unterstützen.

  • Die – anstelle des Präsenzunterrichts – angebotene Betreuung in der Schule wurde – insbesondere im 1. Lockdown – überwiegend nicht in Anspruch genommen, obwohl sie gebraucht wurde. Im Gegensatz zum 1. Lockdown, wo nur eine Betreuung von Kindern von Eltern in systemrelevanten Berufen vorgesehen war, wurde bei den folgenden Lockdowns viele Schüler*innen betreut, und zwar ohne Angabe von Gründen. Durch das Betreuungsangebot waren bspw. während des 2. Lockdowns im Vorschulbereich ca. 30 Prozent und im Mittelschulbereich ca. 9,5 Prozent der Gesamtschüler*innen in den Schulen anwesend.

  • Seitens der Kija wurde berichtet, dass den Wohngemeinschaften der Kinder- und Jugendhilfe empfohlen wurde, die Kinder und Jugendlichen eher nicht in die Schule zu schicken, wenn kein Präsenzunterricht stattfindet. Dies stellt jedoch voraussichtlich nicht für alle Kinder und Jugendlichen die optimale Lösung dar.

  • Für Schüler*innen im sonderpädagogischen Bereich bildet Homeschooling keine Alternative, teilweise wurden Schüler*innen in der schulischen Sozialisation weit zurückgeworfen.

  • Kreative, forschende und sportliche Bereiche werden/wurden durch Homeschooling wenig bis gar nicht berücksichtigt.

  • Externist*innen wurden bei den Jahresabschlüssen keine Erleichterungen gewährt.

Personalausstattung

  • In Krisenzentren und Wohngemeinschaften der Kinder- und Jugendhilfe war der zusätzliche Personalbedarf besonders hoch und konnte nur durch Überstunden, Unterstützung durch pädagogisches Personal aus anderen Bereichen und Abteilungen und durch zusätzlichen Abschluss von Werkverträgen mit Aushilfskräften gedeckt werden.

Vorgaben und Kommunikation durch die Bundesregierung

  • Die ständig wechselnde Rechtslage bzw. Kommunikation betreffend der Ausgangsbeschränkungen sorgten für Verunsicherung bei Kindern und Jugendlichen und erschwerten auch die diesbezügliche Beratung.

  • Die Maßnahmen und Regelungen im Bildungsbereich konnten nur schwer umgesetzt bzw. auch diesbezügliche Informationen an Vereine, Eltern, Kinder und Jugendliche nicht weitergegeben werden (Informationen waren falsch, ungenau und/oder unbekannt bzw. sehr kurzfristig). Eine besondere Herausforderung stellte hier teilweise auch die Information an mehrsprachige Eltern dar.

  • Kindergärten werden seitens der Bundesregierung als Betreuungs- und nicht als Bildungseinrichtung benannt und teilweise nicht oder verspätet mitgedacht. Während es für Schulen einheitliche Regelungen gab, waren in neun Bundesländern unterschiedliche Regelungen für Kindergärten und -gruppen vorgesehen.

  • Kinder und Jugendliche bzw. das Kindeswohl waren allgemein zu wenig in die Maßnahmen miteinbezogen. Die einzig auf das Thema Schule fokussierte Beleuchtung der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen wird deren Lebensrealität nicht gerecht und verfehlt damit diese Adressat*innengruppe.

LÖSUNGSANSÄTZE

Zusammenarbeit und (digitale) Kommunikation

  • Die regelmäßige Abstimmung und Vernetzung aller kinder- und jugendrelevanten Abteilungen innerhalb der Stadtverwaltung kann weiter verbessert werden.

  • Die Zusammenarbeit zwischen Polizei und offener Kinder- und Jugendarbeit (zur Vermeidung von Verwaltungsstrafen) sowie zwischen Polizei, Kinder- und Jugendhilfe und Interventionsstelle (bei Wegweisungen und Betretungsverboten) kann verbessert werden (teilweise ist dies bereits erfolgt). Außerdem braucht es verlässliche Strukturen betreffend die Zusammenarbeit von Schulen und offener Kinder- und Jugendarbeit.

  • Der Krisenstab der Stadt Wien kann die Abteilungen besser berücksichtigen und seine Arbeit transparenter machen (z.B. durch Nennung von Ansprechpersonen und regelmäßige Veröffentlichung von Sitzungsergebnissen etc.)

  • Eine entsprechende technische Ausstattung für alle in diesem Kontext relevanten Mitarbeiter*innen und Schulen sowie einheitliche Online-Kommunikationsmittel für Mitarbeiter*innen wären wünschenswert.

  • Klare, frühzeitige und transparente Vorgaben seitens des Bundes sind ein wesentlicher Faktor, um Maßnahmen ohne Probleme umsetzen zu können.

  • Insbesondere im Schulbereich werden kurzfristige Informationen primär und rasch über die Medien mitgeteilt. Durch die Einrichtung von Krisenteams in den Schulen zu Beginn des Schuljahres konnten zwischenzeitlich wichtige Vorbereitungen für die verschiedenen Phasen getroffen werden. Eine vorausschauende Planung von zumindest ca. einer Woche würde eine Erleichterung für alle im Schulsystem Beteiligten bedeuten und eine professionelle Umsetzung von Maßnahmen begünstigen.

  • Der Wert und die Wichtigkeit von Mehrsprachigkeit sollte vermehrt – unabhängig von der jetzigen Krise – berücksichtigt werden und ausreichend mehrsprachige Mitarbeiter*innen und Informationsmaterial in der Regelstruktur rechtzeitig zur Verfügung stehen.

Angebote und Maßnahmen für Kinder und Jugendliche

  • Eine spezielle App für Kinder und Jugendliche, um sie mit Informationen über Covid-19 zu versorgen, wäre nützlich, um Informationen leichter zugänglich zu machen. Kostenfreies W-LAN im öffentlichen Raum kann den Zugang zu Informationen erleichtern.

  • Angebote zur Freizeitgestaltung in Kleingruppen auch während der Ausgangsbeschränkungen bzw. legale Ausnahmen könnten Abfederungen der Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche ermöglichen. Für Kinder und Jugendliche, welche in Einrichtungen der Stadt Wien – Kinder und Jugendhilfe leben, soll nach Möglichkeit ein Kontakt zur Familie z.B. im Rahmen von Spaziergängen beibehalten werden.

  • Eine starke Präsenz der offenen Kinder- und Jugendarbeit im virtuellen und im öffentlichen Raum kann zur Entlastung beitragen.

  • Wenn Kinder und Jugendliche wiederholt von Schule oder Kindergarten nicht erreicht werden können, würden Besuche von Sozialarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe (bzw. der Schulsozialarbeiter*innen) notwendige Hilfe ermöglichen.

  • Wichtig sind Maßnahmen zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit: Angebote in Bezug auf den Übergang vom Bildungssystem in den Arbeitsmarkt, Lehrstellen, Ausbildungsplätze; bspw. durch den Ausbau des Projekts U25 oder des Jugendcolleges StartWien etc.

  • Finanzielle Unterstützung von einkommensschwachen Familien kann deren Perspektive verbessern.

  • Verstärkte Partizipation von Kindern und Jugendlichen sollte selbstverständlich sein, um von ihnen selbst zu erfahren, wie es ihnen geht, was sie brauchen und welche Ideen sie zur Bewältigung der Situation haben.

  • Eine Studie zu den Auswirkungen der Krise auf Kinder und Jugendliche (Armut, Bildungschancen etc.) könnte mehr Klarheit bringen.

  • Schutz vor Diskriminierungen (Stichwort „Asylantenvirus“) muss gewährleistet werden.

Psychische und körperliche Gesundheit von Kindern und Jugendlichen

  • Kurz- bis mittelfristig bräuchte es ein zusätzliches Angebot für Beratungen, insbesondere für (Pflege-)Familien. Langfristig wäre ein Ausbau von psychosozialer Betreuung und Psychotherapie für Jugendliche und Familien wünschenswert – durch die Belastungen sind langfristige Folgen in psychologischer Hinsicht zu erwarten; insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie bestand bereits vor der Pandemie ein hoher Bedarf an zusätzlichem Angebot.

  • Niederschwellige Möglichkeiten, Untersuchungen und Impfungen nachzuholen, können dazu beitragen, Lücken in der Gesundheitsversorgung zu schließen.

Bildungsbereich

Kindergarten

  • Einheitliche Regelungen für alle elementaren Bildungseinrichtungen und Horte in ganz Österreich mit regionalem Gestaltungsspielraum können zu mehr Klarheit beitragen.

  • Maßnahmen, um den Besuch – insbesondere im verpflichtenden Kindergartenjahr – möglichst umfassend zu gewährleisten (Unterstützung und Information an die Eltern etc.) sowie die Einführung des zweiten verpflichtenden Kindergartenjahrs können sozialen Benachteiligungen entgegenwirken.

Schule

  • Zusätzlicher Ergänzungs- und Förderunterricht während des 2. Semesters könnte Lernrückständen entgegenwirken, eine Sicherung des Wissensstandes der Schüler*innen gewährleisten und das Nachholen von versäumten Lernprozessen ermöglichen. Die Bereitstellung von zusätzlichen Stunden- und Förderressourcen, eventuell eine Einstellung von zusätzlichen Lehrer*innen sowie der vermehrte Einsatz von Schulpsycholog*innen würde zur Unterstützung beitragen.

  • Weitere Maßnahmen zur Unterstützung bei Homeschooling kann Benachteiligungen im Bildungsbereich verringern (z.B. Ausbau von altersgerechten und geeigneten Lernmaterialien und Software, Sicherstellung, dass technische Fehler nicht zu Lasten der Schüler*innen gehen, Förderung des Deutscherwerbs etc.); zusätzliches Lehrpersonal kann beim Distance Learning in Wohngemeinschaften unterstützen.

  • Mittel- und langfristig sollte insbesondere auf soziale Inklusion Bedacht genommen bzw. darauf hingearbeitet werden, (verstärkte) Benachteiligungen im Bildungsbereich (wieder) auszugleichen.

  • Benachteiligungen von Externist*innen sollten verhindert werden.

  • Technische Ausstattung für alle Kinder und Jugendlichen für das Homeschooling sollte evidenzbasiert und sozial gestaffelt sichergestellt sein (Geräte, W-LAN etc.); ebenso sollte eine entsprechende Einschulung bzw. fachliche Begleitung beim Erlernen des Umgangs mit Geräten und Tools sowie ein garantierter Zugang zu virtuellen (zusätzlichen) Angeboten gewährleistet sein. Hinsichtlich der zur Verfügung gestellten Geräte bedarf es einer entsprechenden Kommunikation und Information, damit diese auch tatsächlich und entsprechend genützt werden.

  • Der Zugang von schulexternen Personen zur Unterstützung und für Projekte etc. sollte gewährleistet werden.

  • Mittel- bis langfristig können insbesondere Lehrer*innenausbildungen u.a. zu den Themen Diversität, Elternbildung und Partizipation von Kindern und Jugendlichen dazu beitragen, soziale Benachteiligungen zu mindern.

  • Eine Sozialindexierung von Schulen kann mithelfen, einen Ressourcenausgleich für Schulen mit hohen Herausforderungen besondere Unterstützung gewähren zu können.

  • Bildung zu Kinder- und Menschenrechten kann dazu beitragen, Kinder und Jugendliche zu stärken.

  • Etablierung eines multiprofessionellen Ansatzes bzw. Neustrukturierung an Schulen (sodass z.B. jeder Standort über ein*en Direktor*in, ein*en Administrator*in, Pädagog*innen, eine “School Nurse”, ein*en Sozialarbeiter*in und ein*en Schulpsycholog*in verfügt).

  1. Dawid, Armutsbetroffene und die Corona-Krise, Eine Erhebung zur sozialen Lage aus der Sicht von Betroffenen, Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten- schutz, Wien, September 2020, abrufbar unter: http://www.armutskonferenz.at/files/armutskonferenz_erhebung_armutsbetroffene_corona-krise_2020.pdf

  2. Österreichische Liga für Kindergesundheit, Bericht zur Lage der Kindergesundheit, abrufbar unter:

    https://www.kinderjugendgesundheit.at/site/assets/files/1237/jb_kinderliga_2020_komprimiert.pdf