5. Rechtskonform

5.1 Herausforderungen im Vollzug des Staatsbürgerschaftsgesetzes

Copyright: Stadt Wien - Einwanderung und Staatsbürgerschaft
Copyright: Stadt Wien - Einwanderung und Staatsbürgerschaft

Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht ist kompliziert und der Prüfaufwand im behördlichen Verfahren extrem aufwändig. Obwohl es sich um ein Bundesgesetz handelt, ist Wien als einzige Millionenstadt Österreichs besonders betroffen. Rund 700.000 der in Wien lebenden Menschen haben nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Monatlich werden über 1.000 Antragstermine für die österreichische Staatsbürgerschaft gebucht.

Lebensunterhalt

Bundesgesetzliche Voraussetzung für eine Einbürgerung ist unter anderem, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Die Berechnung des Lebensunterhalts ist komplex und je nach Lebenslage und Einkommensquelle stark ausdifferenziert. Das Einkommen aus den letzten sechs Monaten vor Antragstellung ist immer nachzuweisen. Weitere 30 Monate aus den letzten sechs Jahren vor Antragstellung sind zu bestimmen, aus denen der Lebensunterhalt berechnet wird. Für die Antragsteller*innen ist es oft kaum möglich, die 30 besten Monate herauszufiltern.

Dazu kommen gegebenenfalls die Beurteilung, ob ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch vorliegt, Existenzminimumberechnungen, Abgleich mit den passenden ASVG-Richtsätzen und vieles mehr. Einkünfte aus dem Ausland sind sehr schwer nachvollziehbar und bedeuten einen großen Ermittlungsaufwand. Eine Einbürgerung kann auch daran scheitern, dass andere Personen Sozialhilfe bezogen haben.

Beispiel: Eine gut integrierte erwerbstätige Frau beantrag nach vielen Jahren in Österreich die Staatsbürgerschaft. Alle Voraussetzungen wären erfüllt, jedoch scheint ein Sozialhilfebezug ihrer Mitbewohnerin auf. Die Behörde muss diesen Punkt prüfen und die Antragstellerin muss nachweisen, dass sie nicht von der Sozialhilfe der Mitbewohnerin profitiert hat, etwa durch gemeinsame Einkäufe von Lebensmitteln. Gelingt dieser Nachweis nicht, muss die Einbürgerung abgewiesen werden.

Tatsächlicher Aufenthalt

Voraussetzung für eine Einbürgerung nach dem Staatsbürgerschaftsgesetz des Bundes ist, dass sich die Antragsteller*innen maximal 20 % der für die Einbürgerung nötigen „Wartezeit“ (gerechnet vom Entscheidungszeitpunkt) im Ausland aufgehalten haben. Wurde diese Grenze überschritten, ist der Antrag abzuweisen. Die Behörden müssen in einem Ermittlungsverfahren alle Auslandsaufenthalte erheben. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Auslandsaufenthalte berufliche oder private Gründe hatten. Es zählt schlicht die Gesamtzahl der im Ausland verbrachten Tage – so sieht es das Staatsbürgerschaftsgesetz vor.

Beispiel: Eine Studentin hatte einen Studienaufenthalt im Ausland, den sie für die Recherche für ihre Masterarbeit an einer österreichischen Universität nutzte. Sie war länger als 20 % der für die Einbürgerung nötigen Aufenthaltszeit im Ausland. Die Einbürgerung musste abgewiesen werden, nachdem die Studentin alle Ein- und Ausreisen der letzten Jahre vorgelegt hatte.

Unbescholtenheit

Mehrere verhältnismäßig geringe Verwaltungsstrafen können ein Einbürgerungshindernis sein. Die Behörden haben neben gerichtlichen Strafen auch alle Verwaltungsstrafen zu erheben und eine Abwägung vorzunehmen. Dies ist sehr ressourcenintensiv. Die Vorgaben des Staatsbürgerschaftsgesetzes und der Höchstgerichte sind streng und somit muss Personen, die manchmal ihr gesamtes Leben in Österreich verbracht haben, wegen verhältnismäßig geringen Straftaten die österreichische Staatsbürgerschaft verwehrt werden.

Zudem können weder die Staatsbürgerschaftsbehörden noch die Antragsteller*innen selbst sämtliche relevanten Strafverzeichnisse selbst (z.B. elektronisch) abfragen, sondern diese Informationen müssen bei anderen Behörden angefragt werden; die Wartezeit auf diese Informationen beträgt mitunter mehrere Monate.

Ein großer Verwaltungsaufwand wird durch den Umstand verursacht, dass nicht nur konkrete Verurteilungen oder Bestrafungen ein Einbürgerungshindernis darstellen können, sondern dass Einbürgerungswerber*innen nach ihrem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bieten müssen, dass sie „zur Republik bejahend eingestellt“ sind und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen noch andere öffentliche Interessen gefährden. Diese gesetzliche Voraussetzung ist anhand des gesamten behördlich oder gerichtlich dokumentierten Verhaltens zu beurteilen, das zunächst zu erheben und sodann abzuwägen ist. Die Feststellung dieses Verhaltens ist insbesondere in Fällen, in denen es zu keiner rechtkräftigten Bestrafung gekommen ist, schwierig.

Frau bekommt Staatsbürgerschaftsurkunde überreicht
Überreichung einer Staatsbürgerschaftsurkunde, Copyright: Stadt Wien – Jacqueline Zsifkovits