Kultur ist überlebensnotwendig für unsere Gesellschaft
Der Blick auf diese Aspekte kann nur ein multiperspektivischer sein, da er die vielen Dimensionen einer Stadt erfassen muss. Erst aus unterschiedlichen Perspektiven und mit verschiedenen Erkenntnismethoden entsteht ein tragfähiges Bild von einer dynamischen, sich stets wandelnden, erweiternden Stadt in all ihrer Diversität und ihren vielschichtigen Dimensionen. Es braucht dazu das Wissen der Vielen, insbesondere von jenen, die das kulturelle Feld ausmachen, um nicht etwas zu übersehen oder voreilige Schlüsse zu ziehen, die folgenreich für das kulturpolitische Handeln wären. Es braucht Zeit für intensive Dialoge mit allen – den Künstler*Innen, dem Publikum, der Politik und der Verwaltung. Allen, die zum Gelingen der Kulturlandschaft beitragen.
Die Stadt Wien lebt mit und durch ihr vielfältiges kulturelles Schaffen in allen Sparten und Bereichen. Kultur gehört zur DNA dieser Stadt. Und sie kann sich nicht im Bewahren erschöpfen. Will sie lebendig sein, muss sie sich wach und kritisch in Bezug setzen zu Vergangenheit wie Gegenwart. Und ganz dem Zukünftigen zugewandt, muss sie gleichzeitig das stetige Wachsen der Stadt begleiten.
Das kulturelle Leben soll alle Menschen in Wien erreichen, die Sinne auf Empfang stellen und alte wie neue soziale Räume schaffen. Kunst und Kultur sind essenziell für uns als Gesellschaft, für eine freie und demokratische Gemeinschaft. Sie laden anhaltend dazu ein, sich selbst zu reflektieren, ermutigen dazu, visionär zu denken, alternative Haltungen zu entwickeln und Handlungen zu setzen. Was trägt essenziell zu einer demokratischen Zivilgesellschaft bei? Es sind die Räume, die sich öffnen für das Nachdenken über Differenz und komplexe Inhalte, Fragestellungen und Herausforderungen, das Aufzeigen von Rissen in der Gesellschaft, auch das Verhandeln von mitunter unpopulären Ideen und visionären Konzepten. Die Fragen, was uns ausmacht, wo wir stehen, wie wir uns als Gemeinschaft der Vielen in all ihrer Diversität definieren und von welcher zukünftigen Gesellschaft wir träumen, werden in der Kunst zentral verhandelt. Auf dem Gebiet der Kultur entstehen soziale Räume, die allen zugänglich sein sollten – hier reflektieren wir über Fragen von Identität – sei es auf individueller oder auch gesellschaftspolitischer Ebene. Empathisches Denken und Fühlen entsteht durch Erfahrungen. Denn das Mittel, mitunter verfestigte Denk- und Handlungsmuster aufzubrechen, Einfühlungsvermögen hervorzubringen, ist in der Kunst das sinnliche Erleben und Eröffnen von neuen Seh- und Hörweisen. Auch das ermöglicht Kunst in all ihren Ausdrucksformen.
Das, was von Gesellschaften an nächste Generationen weitergegeben wurde, waren seit jeher Erzeugnisse der Kunst, der Architektur, der Literatur, des Films, des Theaters, der Oper und immer auch der Musik in ihren vielfältigen Genres. Kultur ist kein Luxus, sie ist nicht reduzierbar auf Freizeitangebote oder Umwegrentabilitäten, sondern überlebensnotwendig für unsere Gesellschaft.
Vor diesem Hintergrund hat Kulturpolitik eine immense Verantwortung gegenüber den Menschen, die in dieser Stadt leben. Eine Kulturstrategie für Wien zu entwickeln, heißt, im Dialog mit den unterschiedlichen Akteur*innen und im Austausch mit der Öffentlichkeit die Weichen für die Zukunft zu stellen. In einer Zeit enormer Herausforderungen und Krisen müssen wir mit sozialem Blick, mit ökologischem Bewusstsein und innovativen Ideen nachhaltige Politik gestalten und über Ausschlussmechanismen sowie zukünftige Formen von Inklusion nachdenken.
Insofern war die Entscheidung für die Erarbeitung einer Kulturstrategie auch eine für einen umfassenden Prozess, der politisches Handeln als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreift. Die von uns ausgearbeiteten Handlungsfelder haben die unterschiedlichen Themen, in denen Kulturpolitik bereits agiert, sichtbar gemacht, vorhandenes Handeln verstärkt und zugleich fokussiert.
Inklusive und leistbare Kultur, Fair Pay und soziale Absicherung, krisenresiliente Kultur, Kulturelle Infrastruktur und neue Räume, Zeitgemäße Gedenk- und Erinnerungskultur, Diversität und Chancengleichheit, Ökologisches Handeln und Klimaverträglichkeit, die Herausforderungen der Digitalisierung – all das wurde in intensiven Gesprächen und Workshops miteinander diskutiert. Mit Blick auf 2030 wurden auch Schritte und mögliche Maßnahmen auf dem Weg in den Blick genommen, die wir gemeinsam angehen werden.
Ich bin allen dankbar, die sich Zeit genommen und involviert haben, um die Zukunft der Kulturmetropole Wien ein Stück weit mitzugestalten.
Die vorliegende Kulturstrategie versteht sich nicht als abgeschlossenes Papier, das in den Schubladen verstaubt, sondern als Bericht auf dem Weg, als kondensierte Zusammenfassung eines Prozesses, der – weil wir die Politik des Dialogs ernst meinen – auch in unterschiedlichen Formaten weitergeführt werden wird.
Wir werden sie weiter brauchen, die Blicke der Vielen.
Mag.a Veronica Kaup-Hasler
Amtsführende Stadträtin für Kultur und Wissenschaft