4.1 Fair Pay im Fokus kulturpolitischer Diskussionen
Forderungen nach fairer Bezahlung für Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen sind in den vergangenen Jahren in den Fokus aller kulturpolitischen Diskussionen gerückt. In Wien wurde mit dem Fair Pay-Symposium im April 2019 auf die Brisanz des Themas aufmerksam gemacht. Das Symposium fand auf Initiative von Stadträtin Veronica Kaup-Hasler in Kooperation mit den Interessenvertretungen IG Kultur Wien, dem Dachverband der Filmschaffenden, mica – music austria/Initiative der freien Musikszene Wien, der IG Bildende Kunst, IG Autor*innen und der IG Freie Theaterarbeit statt. Der intensive Wissensaustausch, der auf dieser Veranstaltung geschah, diente als Basis für die Entwicklung von Maßnahmen, die auf die Spezifika der einzelnen Sparten Rücksicht nahmen.
In weiterer Folge nahm die Wiener Fortschrittsregierung ihr Bekenntnis zu Fair Pay 2020 in ihr Regierungsprogramm auf.
Parallel dazu wurde das Wiener Kulturbudget seit 2018 stetig um insgesamt fast 51% erhöht. Im Jahr 2018 war das Kulturbudget mit 224 Mio. Euro veranschlagt, im Jahr 2022 waren es 287 Mio. Euro. Diese Tendenz wurde auch nach der Evaluierung fortgesetzt, sodass das Budget für 2023 270 Mio EUR betrug (311 Mio EUR inklusive der Mittel, die zur Abfederung der Krisen zusätzlich ausbezahlt werden konnten). Für 2024 können für das Kulturbudget 338 Mio EUR veranschlagt werden.
Die Webseite der Kulturabteilung der Stadt Wien verweist zudem auf Honorarempfehlungen sowie Musterverträge und weitere Fair Pay-Tools. Damit werden die Einreichenden unterstützt, faire Kalkulationen zu erstellen. Bei konkreten Förderungen bezieht das Kuratorium für Tanz, Theater und Performance, das in der Subventionsvergabe der Stadt Wien als Beirat für die Förderempfehlungen fungiert, seit 2020 Honoraruntergrenzen in seine Beurteilung der Förderanträge mit ein.
Um die Wirksamkeit dieser vielfältigen Aktivitäten im Detail bewerten zu können, wurde das Institut Educult im Jahr 2022 von der Stadt Wien beauftragt, eine Evaluierung durchzuführen. Dort wurde untersucht, welche Fair Pay-Maßnahmen von der Stadt Wien seit 2018 im Kulturbereich gesetzt wurden und wie diese bei den Wiener Künstler*innen angekommen sind. Dazu wurden die Kulturbudgets der Jahre 2018 bis 2021 analysiert, 23 qualitative Interviews mit Interessenvertreter*innen, Vertreter*innen von Wiener Kulturinstitutionen, Beiratsmitgliedern aller Sparten, sowie Vertreter*innen der Kulturverwaltung geführt und drei Fokusgruppen mit Künstler*innen aus den Bereichen Bildende Kunst und Neue Medien, Darstellende Kunst und Musik durchgeführt.
Die Evaluationsergebnisse zeigen, dass die große Mehrzahl der Befragten den politischen Fokus der Stadtregierung auf Fair Pay anerkennt und begrüßt. Dieses Augenmerk spiegelt sich auch in den erhöhten Kulturbudgets wider. Die Budgetsteigerungen schlugen sich in deutlich erhöhten Förderniveaus nieder: so konnte im Zeitraum 2018 bis 21 beispielsweise eine Steigerung um 23% im Bereich Darstellende Kunst/Freie Szene oder um 63% im Bereich der literarischen Projektförderungen festgestellt werden. Generell zeigt sich quer durch alle Sparten die Tendenz, dass Einzelkünstler*innen und die Freie Szene die erste Zielgruppe von Fair Pay-Maßnahmen waren.
Außerdem ziehen Beirät*innen, die in den verschiedenen Sparten Förderempfehlungen aussprechen, Fair Pay nun stärker als Kriterium in die Beurteilung der Projekte mit ein, indem sie bewerten, ob die eingereichten Kalkulationen adäquate Honorare zulassen. In den Darstellenden Künsten wird den Antragsteller*innen explizit empfohlen, ein Kalkulationsblatt basierend auf einem Berechnungstool, das von der Interessensgemeinschaft Freie Theater erarbeitet wurde, dem Förderantrag beizulegen; dieses wird bei der Empfehlungsentscheidung berücksichtigt.
Aufgrund der Erhöhungen des Kulturbudgets war es möglich, dass mehr Projekte eine höhere Förderung von der Stadt erhielten, was diesen wiederum erlaubte, die beteiligten Künstler*innen besser zu bezahlen. Die Anzahl der Projekte, die in diesem Sinne mit höherem Budget gefördert wurden, stieg von 2018 bis 2022. Damit konnte die sogenannte „Gießkannenpolitik“ reduziert und Projekte adäquater unterstützt werden.
Eine wichtige kulturpolitische Maßnahme mit Hinblick auf Fair Pay war die Einführung der Arbeitsstipendien zu jährlich jeweils 18.000 EUR. Für das Jahr 2022 wurden 84 dieser Stipendien vergeben. Durch die finanzielle Absicherung über ein ganzes Jahr hinweg tragen sie deutlich zur Entprekarisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Stipendiat*innen bei. Zugleich stehen die Stipendien für einen Paradigmenwechsel in der Kulturförderung, da sie direkt Künstler*innen und Arbeitsprozesse und nicht deren Ergebnisse fördern.
Zusätzliche indirekte, nicht monetäre Maßnahmen sind etwa die Stärkung bzw. Etablierung von Servicestellen wie der Vienna Club Commission, die Vienna Film Commission oder der Kreativen Räume Wien. Sie tragen ebenso wie die parallel laufende Raumoffensive zur angestrebten Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Künstler*innen bei.
Dieses Paket an verschiedenen Maßnahmen – Erhöhung des Kulturbudgets und die damit ermöglichte Aufstockung der einzelnen Förderungen, Investitionsvorhaben und verbesserte Infrastruktur sowie die Beauftragung von Serviceeinrichtungen, die die Künstler*innen unterstützen – ist ein erster, wesentlicher Schritt, um künstlerische Arbeit zu entprekarisieren. Die Evaluierung der Maßnahmen 2018 bis 21 hat deutlich gezeigt, dass es zu spürbaren Verbesserungen gekommen ist.
Diese positive Bilanz bestätigt den Weg der Stadt Wien und ermutigt, gemeinsam mit den künstlerischen Szenen weitere Schritte zu gehen.