3.2 Repräsentative Befragung zur Kulturstrategie 2030
Um die kulturelle Beteiligung der Wiener*innen abzubilden und somit eine weitere Grundlage für künftige kulturpolitische Maßnahmen zu haben, wurde im dritten Quartal 2023 eine repräsentative Befragung zum Kulturkonsum durchgeführt. Die Studie wurde im Rahmen eines geladenen Vergabeverfahrens an das Forschungsinstitut SORA vergeben. SORA konnte damit an zwei Erhebungen anschließen, nämlich an eine Studie zur kulturellen Beteiligung in Wien aus dem Jahr 2015 sowie an eine umfassende Erhebung, die 2022/23 im Auftrag des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport bundesweit durchgeführt wurde.
Die vorliegende Erhebung beschreibt den Kulturkonsum der Wiener*innen vor dem Hintergrund demografischer Daten wie Alter, Ausbildung, Geschlechtszugehörigkeit oder Einkommen. Für kulturpolitisches Handeln ist die räumliche Differenzierung nach Bezirksgruppen besonders relevant, da die Zugänglichkeit zu Kunst und Kultur im Fokus aller politischen Bestrebungen steht. Basierend auf der Häufigkeit von Kulturbesuchen wurde eine Typologie erstellt, die soziale und räumliche Faktoren zusammenführt und somit einen differenzierten Befund liefert. Ergänzt wird die Erhebung mit der Bewertung der Befragten der acht Handlungsfelder, die im Rahmen der Kulturstrategie bearbeitet wurde. Das Ergebnis zeigt, dass die Wiener*innen diese Themen als wichtig erachten – ungeachtet der Intensität der jeweils eigenen kulturellen Beteiligung. Im Folgenden werden die Ergebnisse in einer Kurzfassung zusammengefasst, die Langfassung findet sich unter https://kulturstrategie2030.wien.gv.at/.
Ergebnisse der repräsentativen Befragung zur Kulturstrategie 2030 der Stadt Wien
Executive Summary
Harald Glaser/David Baumegger (SORA)
Executive Summary
Die Stadt Wien erarbeitet in einem partizipativen Prozess die zukünftige kulturpolitische Strategie für das Jahr 2030. Dabei wurden bisher im Austausch mit Expert*innen und Vertreter*innen der Kunst- und Kulturszene in Dialogforen, Workshops und Gesprächen grundlegende Ziele formuliert und acht zentrale Handlungsfelder erarbeitet:
SORA wurde im Juni 2023 damit beauftragt, diese Handlungsfelder durch eine repräsentative Befragung der Wiener Wohnbevölkerung auf deren Einschätzung der Wichtigkeit hin abzufragen. Zusätzlich wurde die Kulturnutzung der Wiener*innen 2022/23 untersucht. Von Anfang August bis Mitte September wurden 1.005 Wiener*innen ab 15 Jahren telefonisch und online befragt – mit der Möglichkeit, auf Deutsch oder auf Englisch an der Umfrage teilzunehmen.
Kulturelles Kapital und Kulturnutzung korrelieren stark
In welchem Ausmaß Personen über kulturelles Kapital verfügen, steht im Zusammenhang damit, ob Personen aus kunst- und kulturinteressierten Familien kommen, in ihrer Schulzeit durch kulturelle Bildung das Interesse an Kunst und Kultur entwickelt und ausgebaut haben und welchen Stellenwert für sie die Vermittlung von Kunst und Kultur im Rahmen des Schulsystems einnimmt. 27% der Wiener*innen zählen zu häufigen Kulturnutzer*innen mit mehr als zehn Kulturbesuchen in den letzten 12 Monaten. Mit höherem kulturellen Kapital steigt auch die Kulturnutzung: 40% der Wiener*innen mit hohem kulturellem Kapital zählen zu häufigen Kunst- und Kulturbesucher*innen. 24% der Wiener*innen, die über mittleres kulturelles Kapital verfügen, sind häufige Kunst- und Kulturbesucher*innen. Demgegenüber besuchen nur 15% der Personen mit niedrigem kulturellem Kapital häufig Kulturveranstaltungen. Umgekehrt steigt der Anteil jener, die gar keine Kulturveranstaltung besucht haben, unter Menschen mit niedrigem kulturellem Kapital auf 31%.
Kulturnutzung hängt außerdem stark mit Bildung, Bezirk und dem Auskommen mit dem Einkommen zusammen
Während rund ein Drittel (34%) der Wiener*innen mit Matura häufig Kulturveranstaltungen besucht, tut dies rund ein Fünftel (21%) der Wiener*innen ohne Matura. Rund vier von zehn Bewohner*innen der inneren Bezirke (1-9), jeweils ein Viertel der Bewohner*innen im Süden und Nordwesten sowie nur ein Sechstel der Befragten in den beiden Flächenbezirken 21 und 22 besuchen häufig Kulturevents und -einrichtungen. Zudem sind 30% der Wiener*innen, die gut bzw. einigermaßen mit ihrem Einkommen auskommen, häufige Kulturnutzer*innen – im Vergleich dazu sind dies nur 21% der Wiener*innen, die schwer oder gar nicht mit ihren Einkünften auskommen.
Qualität des Angebots mit Abstand wichtigster Faktor für Besuchsentscheidung – gefolgt von Preisen, Zeit und Erreichbarkeit
Für rund drei Viertel (76%) der Wiener*innen ist ein interessantes Angebot der ausschlaggebende Grund, bestimmte Kunst- oder Kulturveranstaltungen zu besuchen. Vor allem für häufige Kulturbesucher*innen (86%) ist das konkrete Angebot ein überaus wichtiger Entscheidungsgrund für einen Besuch von Kulturveranstaltungen oder Kunststätten. Im Vergleich dazu spielen die Rahmenbedingungen in der Frage, ob und welche Kultureinrichtungen Wiener*innen besuchen, eine untergeordnete Rolle. Ein günstiger Preis ist für 38%, genügend Zeit für 34% bzw. gute Erreichbarkeit für 31% ein entscheidendes Kriterium, um Kulturveranstaltungen bzw. Kunststätten aufzusuchen. Des Weiteren spielt das Preisargument bei Wiener*innen mit knappem bzw. nicht ausreichendem Einkommen (52%) eine überdurchschnittlich wichtige Rolle. Gratiseintritt ist vor allem für Junge zwischen 15 und 29 Jahren (39%) ein wichtiges Entscheidungskriterium, ob eine Veranstaltung besucht wird.
Alle acht Handlungsfelder als wichtig bewertet
Auf einer Skala von 0 bis 10 – wobei die niedrigste Zahl die geringste Wichtigkeit und die höchste Zahl die größte Wichtigkeit ausdrückt – werden alle acht Handlungsfelder mehrheitlich als wichtig beurteilt. Dabei haben die Befragten „Leistbare Kultur und inklusive Teilhabe“ von den acht Handlungsfeldern als am wichtigsten bewertet, gefolgt von „Diversität und Gleichberechtigung“. Auf ähnlich hohem Niveau liegen die Aspekte „Fair Pay und soziale Absicherung“, „zeitgemäße Gedenk- und Erinnerungskultur“ sowie „krisenresiliente Kunst & Kultur“. Danach folgen die Handlungsfelder „kulturelle Infrastruktur“ und „Klimaverträglichkeit“. „Digitalisierung in Kunst und Kultur“ wurde am niedrigsten bewertet.
Am höchsten bewertete Handlungsfelder „Leistbare Kultur und inklusive Teilhabe“, „Diversität und Gleichberechtigung“ sowie „Fair Pay und soziale Absicherung“
Leistbare Kultur und kulturelle Teilhabe ist vor allem für Wiener*innen mit schwieriger finanzieller Situation, Wiener*innen mit Migrationshintergrund und Wiener*innen zwischen 50 und 64 Jahren besonders wichtig. Diversität und Gleichberechtigung wird von Wiener*innen mit Migrationshintergrund und Wiener*innen zwischen 50 und 64 Jahren wichtiger bewertet. Fair Pay und soziale Absicherung sind für Wiener*innen mit Maturaabschluss und wiederum Wiener*innen zwischen 50 und 64 Jahren von größerer Bedeutung.
Nutzungstypologie und Typologie zum kulturellen Kapital sind die größten Einflussfaktoren bei der Bewertung der Handlungsfelder
Wiener*innen, die über niedriges kulturelles Kapital verfügen bzw. Nichtbesucher*innen beurteilen die acht Handlungsfelder signifikant als weniger wichtiger, jedoch nicht als gänzlich unwichtig. Auch ihnen sind faire und nachhaltige Rahmenbedingungen für den Wiener Kulturbetrieb und niederschwellige Angebote wichtig. Leistbare Kultur und inklusive Teilhabe wird dabei vor allem von Personen, deren Einkommen knapp bzw. nicht ausreicht, als wichtig bewertet.