3. Demografie & Einwanderungsrecht

3.8 Rechtliche Grundlagen für Einwanderung nach Österreich und Wien

Die Einwanderung von ausländischen Staatsangehörigen und deren Lebenssituation in Österreich werden von drei höchst unterschiedlichen rechtlichen Regimen bestimmt, je nachdem, ob die Einwandernden EWR- oder Schweizer Staatsbürger*innen, Drittstaatsangehörige oder Geflüchtete/Schutzbedürftige sind.

Nur ein geringer Teil der Einwanderung nach Österreich und Wien wird über Niederlassungsquoten gesteuert bzw. kann über Quoten gesteuert werden. Die Freizügigkeit von EWR- und Schweizer Staatsbürger*innen unterliegt keiner zahlenmäßigen Beschränkung. Auch der Familiennachzug von drittstaatsangehörigen Familienangehörigen zu ihren österreichischen, EWR- und Schweizer Familienangehörigen unterliegt keiner Quotenbeschränkung. Die einzige Quote, die zahlenmäßig relevant ist, ist die Quote zur Begründung einer Familiengemeinschaft von Drittstaatsangehörigen mit ihren in Österreich niedergelassenen drittstaatsangehörigen Familienangehörigen.

Die Steuerung der Einwanderung erfolgt zunehmend über restriktive Erteilungsvoraussetzungen im Gesetz und deren strenge Anwendung. Vor allem Art und Höhe des nachzuweisenden Einkommens, Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft und Deutschkenntnisse vor der Einreise sind dabei relevant.

Die humanitär bzw. menschenrechtlich begründete Fluchtmigration im Kontext des internationalen und EU-Rechtsregimes unterliegt ebenfalls keiner zahlenmäßigen Beschränkung bzw. darf rechtlich einer solchen nicht unterworfen werden.

In den Bereichen Migration und Asylwesen sind über die Jahrzehnte im Rahmen der Europäischen Union (EU) beschlossene EU-Richtlinien (RL) oder Verordnungen (VO) für den Bundesgesetzgeber relevant und verbindlich geworden. Seit dem Vertrag von Maastricht (1992) wird u.a. das Ziel verfolgt, die Migrationsregelungen auch für Drittstaatsangehörige nach und nach zu „vergemeinschaften“, d.h. den Kompetenzen und Regelungen der Europäischen Union (EU) zu unterstellen und damit in der EU zu harmonisieren. Weiters wurde das Ziel verfolgt, die Rechte der langfristig niedergelassenen Drittstaatsangehörigen jenen der EU-Bürger*innen anzugleichen oder zumindest anzunähern.

Chart

Tabelle

Anteil in %
Zuzüge aus anderen Bundesländern (alle Staatsbürgerschaften) 31,57
Zuzüge EU/EFTA-Bürger*innen 24,96
Zuzüge österr. Staatsbürger*innen 3,63
Flucht (Neuzugänge in die Grundversorgung aus dem Ausland oder aus Erstaufnahmestellen anderer Bundesländer) 25,51
Drittstaatsangehörige: Aufenthaltstitel Familienzusammenführung 3,84
Drittstaatsangehörige: Aufenthaltstitel Arbeit 1,74
Drittstaatsangehörige: Aufenthaltsbewilligungen Schüler*innen & Studierende 2,33
Drittstaatsangehörige: sonstige Aufenthaltstitel 1,23
Drittstaatsangehörige: sonstige Zuwanderung 5,19

Abb.16: Zuzüge nach Wien aus dem Inland und Ausland nach Staatsbürgerschaft sowie rechtlicher Grundlage im Jahr 2022 (in %).

Berücksichtigt man sowohl den Anteil an Fluchtmigration, Zuzüge von EU/EFTA und österreichischen Staatsbürger*innen als auch Binnenwanderungen, die alle im Hinblick auf den Zuzug nicht direkt reguliert werden können – im Jahr 2022 waren das 86 % aller Zuzüge nach Wien –, wird deutlich, dass nur ein geringer Teil der Zuwanderung durch das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) steuerbar ist (Abb. 16). Das sind im Wesentlichen die Familienangehörigen von niedergelassenen Drittstaatsangehörigen, die einer jährlichen Quotenbeschränkung unterliegen. Darüber hinaus gibt es nur winzige Quoten z.B. für Daueraufenthaltsberechtigte aus anderen EU-Staaten. Im Jahr 2022 wanderten 134.839 Personen nach Wien zu, wobei nahezu ein Drittel aus Binnenmigration bestand (42.571; 32 %) und mehr als ein Viertel davon Fluchtmigration war (34.399; 26 %); 29 % (38.543) betrug der Zuzug von EU/EFTA- und österreichischen Staatsbürger*innen (Abb. 16). Aufgrund des 2022 hohen Anteils an Fluchtmigration fällt die Zahl der Zuwanderung, die nicht mit dem NAG gesteuert werden kann, besonders hoch aus, aber auch in den Vorjahren stellt die eindeutige Mehrzahl der Zuzüge nicht steuerbare Zuwanderung dar.

EWR- und Schweizer Staatsbürger*innen

Für EWR- und Schweizer Staatsbürger*innen und deren Familienangehörige, auch wenn sie Drittstaatsangehörige sind, gilt die unionsrechtlich und mit der Schweiz im Rahmen eines Freizügigkeitsabkommens gewährleistete Personenfreizügigkeit. Das bedeutet, dass sie sich in jedem Mitgliedstaat des EWR niederlassen und dort unter den Voraussetzungen des EU-Rechts leben und sich aufhalten können. Für die Niederlassung in Österreich benötigen sie eine so genannte Anmeldebescheinigung, die bei der örtlich zuständigen Einwanderungsbehörde, in Wien die Abteilung für Einwanderung und Staatsbürgerschaft, beantragt werden muss. Das Recht, sich in einem anderen EWR-Land für mehr als drei Monate aufzuhalten, besteht, wenn der*die EWR- oder Schweizer Staatsbürger*in einer unselbstständigen oder selbstständigen Beschäftigung nachgeht, eine Ausbildung macht oder ausreichende eigene finanzielle Mittel hat, sodass er*sie nicht auf Sozialhilfeleistungen angewiesen ist.

Der Kreis der freizügigkeitsberechtigten EU-Bürger*innen wurde durch mehrere EU-Erweiterungen sukzessive ausgedehnt (2004, 2007 und 2013). Nach Ablauf von möglichen Übergangsfristen – Österreich wählte jeweils die längsten von insgesamt sieben Jahren – wurden inzwischen alle Beschränkungen für die Arbeitnehmer*innenfreizügigkeit aufgehoben.

„Brexit“

Seit 1.1.2021 zählt das Vereinigte Königreich von Großbritannien infolge seines Austritts aus der EU („Brexit“) nicht mehr zur Gruppe der EU-Staaten. Es ist nunmehr ein so genannter Drittstaat. D.h., wenn britische Staatsangehörige nach Österreich einwandern möchten, gelten für sie die Regelungen für Drittstaatsangehörige (siehe nächster Abschnitt). Am 31.12.2021 endete für britische Staatsangehörige und ihre Familienangehörigen, die bereits vor dem 31.12.2020 im Bundesgebiet zum unionsrechtlichen Aufenthalt berechtigt waren, die Frist zur Beantragung eines Aufenthaltstitels gemäß Artikel 50 EUV.

Drittstaatsangehörige

Die Einwanderung von Drittstaatsangehörigen ist im österreichischen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) geregelt und wurde in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten häufig reformiert.

Vor allem die Einwanderung zum Zweck der Arbeitsaufnahme und Beschäftigung wurde über die letzten Jahrzehnte zunehmend erschwert. Eine Einwanderung zum Zweck des Arbeitens ist heute für hoch qualifizierte und gut bezahlte Fach- und Schlüsselkräfte mit Drittstaatsbürgerschaft möglich. Verschiedene Kategorien von Rot-Weiß-Rot-Karten ermöglichen hoch und mittel qualifizierten Arbeitnehmer*innen und selbstständig Erwerbstätigen die dauerhafte Einwanderung auf Basis eines Mindestpunktesystems. Diese werden nach (aus)bildungsbezogenen Kriterien der Antragsteller*innen und arbeitsmarktpolitischen Kriterien vergeben.

In den letzten Jahren wurden aufgrund des zunehmenden Fach- und insgesamten Arbeitskräftemangels in Österreich manche dieser Voraussetzungen erleichtert und das gesamte Punktesystem für die Rot-Weiß-Rot-Karten zugänglicher gestaltet, zuletzt auch auf Sprachkenntnisse in anderen Sprachen als Deutsch und Englisch abgestellt. Die so genannte Fachkräfte-Verordnung, die jährlich eine Liste von Mangelberufen auf Bundes- und auch Bundesländerebene festsetzt, ist inzwischen auf nahezu 100 Berufe angewachsen.

Einfach qualifizierte Arbeitskräfte können nur als Saisonarbeitskräfte im Bereich der Land- und Forstwirtschaft und im Tourismus tätig sein. Bei diesen wurde Ende 2021 für so genannte Stammsaisoniers eine Erleichterung des Zugangs zu Beschäftigungsbewilligungen außerhalb von Kontingenten beschlossen. Im Juli 2022 wurde weiters für Stammmitarbeiter*innen im Bereich von Landwirtschaft und Tourismus der Zugang zur Rot-Weiß-Rot (RWR)-Karte eröffnet. Eine RWR-Karte können danach Saisonarbeitskräfte erhalten, die über zwei Kalenderjahre mindestens sieben Monate pro Kalenderjahr im selben Wirtschaftszweig als registrierte Stammsaisoniers beschäftigt waren. Für sonstige Schlüsselkräfte wurde mit derselben Novelle das Erfordernis der Mindestentlohnung auf 50 % der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage gesenkt.

In Österreich ausgebildete Student*innen können unter bestimmten im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) festgelegten Voraussetzungen von temporärer auf dauerhafte Niederlassung zur Erwerbstätigkeit als Schlüsselkraft (Rot-Weiß-Rot-Karte, Blaue Karte EU, Forscher*in etc.) umsteigen. Die Voraussetzungen, vor allem Einkommenskriterien, wurden über die Jahre erleichtert, die Anwendungsfälle erweitert. Zuletzt geschah dies im Juli 2022, als für Studienabsolvent*innen das Erfordernis einer festgesetzten Mindestentlohnung gänzlich beseitigt wurde. Weiterhin muss das monatliche Bruttogehalt zumindest dem ortsüblichen Entgelt inländischer Studienabsolvent*innen entsprechen. Im Rahmen derselben Reform wurde für Start-up-Gründer*innen das erforderliche Startmindestkapital von EUR 50.000,- auf EUR 30.000, -- herabgesetzt. Die Reform trat am 1. Oktober 2022 in Kraft.

Neben der ausbildungs- und berufsbezogenen Zuwanderung temporärer oder dauerhafter Art ist es möglich, eine Familienzusammenführung zu beantragen. Der Familiennachzug von Drittstaatsangehörigen zu ihren drittstaatsangehörigen Familienangehörigen ist eine der wenigen Einwanderungsarten, die weiterhin einer jährlichen Niederlassungsquote unterliegt. Für 2021 betrug diese Quote für Wien 2.550 mögliche Aufenthaltstitel für Familienangehörige. Letztlich wurden 1.421 Aufenthaltstitel in dieser Kategorie im Jahr 2021 erteilt. Auch für die Jahre 2022 und 2023 betrug und beträgt diese Quote 2.550 Plätze. Die Zahl der erteilten Aufenthaltstitel wird in der Jahresstatistik des Bundesministeriums für Inneres für das Jahr 2022 nicht mehr ausgewiesen.

Die Familie muss strenge Kriterien im Hinblick auf das Einkommen, die Unterkunft und Deutschkenntnisse bereits vor der Einreise erfüllen. Die Einkommensrichtsätze, die für das Jahr 2023 gelten, betragen für Alleinstehende 1.110,26 Euro, für Ehepaare 1.751,56 Euro und für jedes Kind zusätzlich 171,31 Euro. Sozial- und Familientransferleistungen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde wie die Familienbeihilfe oder Ausgleichszulage, werden dabei nicht berücksichtigt. Die Berechnung des Lebensunterhalts, der für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erforderlich und ausreichend ist, ist eine höchst komplexe Angelegenheit: Es müssen u.a. regelmäßige Aufwendungen wie Mietzahlungen, Kreditraten, Unterhaltszahlungen ab einem Freibetrag von 327,91 Euro (Wert der sog. freien Station für 2023) hinzugerechnet und die umfangreiche höchstgerichtliche, bisweilen äußerst strenge Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs berücksichtigt werden. Das Bundesministerium für Inneres hat zum Thema eine 50-seitige Informationsbroschüre erstellt, die diese Komplexität und auch die herausfordernde Aufgabe der Vollzugsbehörden anschaulich macht.

Ehegatt*innen können zu ihren Partner*innen nur nachziehen, wenn sie mindestens 21 Jahre alt sind, und Kinder – einschließlich Stief- und Adoptivkinder – zu ihren Eltern nur dann, wenn sie noch nicht 18 Jahre alt und unverheiratet sind.

Geflüchtete und anderweitig schutzbedürftige Menschen

In einem besonderen rechtlichen Regime sind Aufnahme und Verbleib von Menschen geregelt, die vorübergehenden oder dauerhaften Schutz vor Verfolgung und Krieg suchen (Flüchtlinge, Kriegsvertriebene). Laut Definition der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist ein Flüchtling eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung, Religion, Nationalität oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe ihre Heimat oder den aktuellen Aufenthaltsstaat verlassen muss bzw. bereits verlassen hat.

Basierend auf der GFK aus 1951 und einem Zusatzprotokoll zur GFK aus dem Jahr 1967 wurde ein österreichisches Asylgesetz erlassen. Dieses erfuhr seit den 90er Jahren zahllose Novellierungen. Seit dem EU-Beitritt Österreichs kam eine Reihe von EU-Richtlinien und Abkommen hinzu, mit denen gemeinsame Mindeststandards für die Durchführung von Asylverfahren, Betreuungsstandards während der Durchführung eines Asylverfahrens und Kriterien für den dauerhaften oder temporären Schutz von Menschen in der gesamten EU sichergestellt werden sollen. Geregelt wurde auch, welcher EU-Staat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist, wenn Asylsuchende auf ihrer Flucht durch mehrere EU-Staaten gereist sind (Dubliner Übereinkommen). Dies hat zur Folge, dass sich das Asylverfahren in seinem ersten Abschnitt auf die Frage konzentriert, ob Asylantragstellende bereits in einem Drittland der Durchreise sicher vor Verfolgung waren („sicherer Drittstaat“) oder in ein nach dem Dubliner Abkommen für die Prüfung des Asylantrags erstzuständiges Land in der EU zurückgeschickt werden können. Erst wenn diese Frage verneint wird, wird die Person zum eigentlichen österreichischen Asylverfahren zugelassen. Erst dann wird die Frage der Flüchtlingseigenschaft geprüft und beantwortet. Dafür zuständig ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA).

Erst ab der Zeit nach Zulassung zum Asylverfahren ist das Land Wien beziehungsweise der Fonds Soziales Wien (FSW) im Rahmen der so genannten Grundversorgung für die Wohn- und anderweitige Versorgung, Verpflegung und Krankenversicherung der Asylwerber*innen zuständig.

Wird dem Antrag Folge gegeben, erhält der/die Antragsteller*in Asyl (= internationaler Schutzstatus) zunächst auf drei Jahre befristet. Nach drei Jahren wird überprüft, ob die Voraussetzungen für die Gewährung weiterbestehen. Erst wenn dies bejaht wird, wird die Asylberechtigung auf unbefristete Dauer erteilt. Der Asylstatus gewährt – mit Ausnahme der Wahlrechte – Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürger*innen im Hinblick auf ein dauerndes Aufenthaltsrecht und Möglichkeiten, am Erwerbsleben teilzunehmen sowie sozialen Schutz und soziale Rechte zu genießen.

Menschen, die vor Kriegen oder vor anderen das Leben und die körperliche Integrität und Sicherheit gefährdenden Umständen flüchten, haben Anspruch auf vorübergehenden (subsidiären) Schutz, solange diese Gefährdungssituation aufrechtbleibt. Der subsidiäre Schutzstatus räumt das Recht ein, eine unselbstständige Arbeit aufzunehmen und bei Eintreten einer existenziellen Notlage soziale Leistungen in Anspruch zu nehmen. In Wien gehört dazu vor allem das Recht, Leistungen der Wiener Mindestsicherung zu erhalten.

Asylberechtigte müssen ihren Antrag auf Familienzusammenführung binnen drei Monaten nach Asylgewährung stellen, andernfalls kommen strengere Voraussetzungen zur Anwendung. Wohnraum, Einkommen und Krankenversicherung müssen dann nachgewiesen werden. Subsidiär Schutzberechtigte müssen drei Jahre warten, ehe ihre Familienangehörigen zu ihnen nachziehen können.

Die Anzahl der Menschen, die jährlich neu um Asyl ansuchen, wird nur auf Bundesebene im Rahmen des Asylwerberinformationssystems (AIS) erhoben. Die Zahlen auf Bundesländerebene können nur im Kontext der Neuaufnahmen in die Grundversorgung geschätzt werden.

Kriegsvertriebene aus der Ukraine

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der am 24.2.2022 begann, führte zur Flucht von mehr als 8,2 Millionen Menschen (Stand Mai 2023) in andere europäische Staaten.

Ukrainische Staatsangehörige konnten bereits davor visumsfrei in die EU einreisen und sich 90 innerhalb von jeweils 180 Tagen in der EU aufhalten und frei bewegen. Die so genannte Massenzustrom-Richtlinie der EU (2001/55/EG) sieht vor, dass den vertriebenen Menschen als Gruppe ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht von zunächst einem Jahr mit automatischer Verlängerungsmöglichkeit um ein Jahr zukommt. Bereits am 4.3.2022 beschloss der Rat der Innen- und Justizminister*innen der EU-Staaten, dass den vertriebenen Menschen, die nach Kriegsbeginn fliehen mussten, als Gruppe ein vorübergehender Schutz nach dieser Richtlinie (RL) zuteilwerden soll, ohne dass sie einen Asylantrag stellen müssen. Es ist das erste Mal, seit es diese Richtlinie gibt, dass sie zur Anwendung kommt.

Österreich hat den EU-Beschluss auf Basis von § 62 Asylgesetz in einer Verordnung eng umgesetzt, die vor allem ukrainischen Vertriebenen sowie Drittstaatsangehörigen mit einem Schutzstatus in der Ukraine einen vorübergehenden Aufenthalt bietet. So wurde etwa nicht-ukrainischen Staatsangehörigen, die in der Ukraine ohne Schutzstatus z.B. als Student*innen niedergelassen waren, kein Aufenthaltsrecht in Österreich eingeräumt. Die EU-Richtlinie hätte dies ermöglicht, und andere EU-Staaten wie z.B. Deutschland haben dies auch umgesetzt.

Das Aufenthaltsrecht wird durch eine Karte für Vertriebene dokumentiert. Die Karte wird nach der Erstregistrierung bei der Polizei vom BFA per Post zugeschickt. Mit dem Vertriebenenstatus erhalten die Menschen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt, zur Krankenversicherung und zum Bildungssystem. Sie benötigten und erhielten auf Antrag des Arbeitgebers eine Beschäftigungsbewilligung ohne vorherige Arbeitsmarktprüfung. Sie haben weiters Anspruch auf Familienbeihilfe.

Sie werden bei Vorliegen von Hilfsbedürftigkeit auch in die Grundversorgung der Länder aufgenommen. Ende Dezember 2022 wurden nach langen Verhandlungen und Gesprächen aller Partner*innen der Grundversorgungsvereinbarung ausgewählte Kostenhöchstsätze für alle Menschen in der Grundversorgung erhöht, dies rückwirkend und zwar in den Bereichen Mietzuschüsse und Verpflegung im individuellen Wohnen sowie bei den Tagsätzen für Wohnen und Betreuung im organisierten Wohnen.

Diese rechtlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich deutlich von jenen für die Geflüchteten der Jahre 2015/16, die – obwohl auch aus Kriegs- und Krisengebieten wie Syrien und Afghanistan kommend – einen Asylantrag stellen mussten, der sie während der Dauer des Asylverfahrens in vieler Hinsicht schlechter stellte als der Vertriebenenstatus.

Aktuelle Entwicklungen

Mit Ende Jänner 2023 wurde das auf ein Jahr befristete Aufenthaltsrecht für alle aus der Ukraine Vertriebenen mit österreichischer Karte automatisch um ein Jahr bis 4. März 2024 verlängert. Die neuen Karten werden den Menschen vom BFA automatisch zugeschickt, eine Antragstellung ist nicht erforderlich.

Freier Zugang zum Arbeitsmarkt

Durch eine Reform des Ausländerbeschäftigungsgesetzes wurden ukrainische Vertriebene mit entsprechender Karte vom Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen und haben seit 21. April 2023 freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Wird infolge der längeren Dauer des Krieges eine dauernde Integration erforderlich, kann in der österreichischen Vertriebenen-Verordnung auch Folgendes festgelegt werden: Bestimmte Gruppen der Aufenthaltsberechtigten können einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland stellen, der ihnen trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes erteilt werden kann.