3. Demografie & Einwanderungsrecht

3.2 Entwicklung der Wiener Bevölkerung seit 1961

Chart

Tabelle

Wanderungsbilanz Geburtenbilanz Wachstum absolut
1961 3011 -6515 -3504
1962 5835 -6645 -810
1963 4671 -6072 -1401
1964 4882 -5834 -952
1965 5512 -7681 -2169
1966 8560 -6551 2009
1967 10918 -7289 3629
1968 8546 -7246 1300
1969 7776 -9215 -1439
1970 6157 -10284 -4127
1971 12266 -11318 948
1972 15276 -10684 4592
1973 12848 -10612 2236
1974 -5483 -10682 -16165
1975 -2953 -12412 -15365
1976 -1218 -13367 -14585
1977 2595 -12770 -10175
1978 -4164 -12873 -17037
1979 -2253 -11797 -14050
1980 4549 -10953 -6404
1981 3616 -10130 -6514
1982 -8371 -9626 -17997
1983 -596 -10172 -10768
1984 4025 -9017 -4992
1985 5456 -9374 -3918
1986 2817 -8289 -5472
1987 6140 -7366 -1226
1988 7596 -6077 1519
1989 11793 -4934 6859
1990 14590 -4454 10136
1991 23314 -3637 19677
1992 18545 -3471 15074
1993 14733 -2820 11913
1994 -4201 -2568 -6769
1995 -143 -3522 -3665
1996 6293 -3104 3189
1997 1631 -2947 -1316
1998 4224 -2847 1377
1999 9111 -2826 6285
2000 7460 -2041 5419
2001 18943 -1776 17167
2002 21488 -488 21723
2003 17094 -494 17564
2004 19658 873 22159
2005 17181 713 19880
2006 6772 1316 8797
2007 10809 1060 9975
2008 7445 1673 8914
2009 8878 822 9860
2010 10977 1702 12860
2011 11821 2252 14229
2012 22314 1861 24162
2013 22711 2359 25500
2014 26692 3246 30591
2015 39185 3405 42889
2016 22277 4773 27356
2017 16791 4152 21194
2018 5679 3151 8715
2019 9887 3785 13700
2020 8841 1255 9758
2021 9581 1273 10644
2022 49647 1101 50504

Abb.1: Geburtenbilanz, Wanderungsbilanz und daraus entstehende Bevölkerungsveränderung in Wien seit 1961.

Zuwanderung ist ein zentrales Merkmal der Demografie Österreichs und vor allem auch seiner Hauptstadt Wien. Ohne Zuwanderung würde die Bevölkerung des Landes in den kommenden Jahrzehnten laut Prognosen massiv schrumpfen.

Von einer schrumpfenden zu einer wachsenden Stadt

Zuwanderung ist dabei eng sowohl mit der Geschichte als auch der Gegenwart Wiens verbunden. 1914 war die Stadt mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 2,2 Millionen Menschen eine der bevölkerungsreichsten Metropolen Europas. Industrialisierung und Urbanisierung im 18. und 19. Jahrhundert machten Wien zu einer florierenden Stadt. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte ein deutlicher Rückgang von Einwohner*innen ein, sowohl durch die Auswanderung in die sich neu formierenden benachbarten Nationalstaaten in Zentral- und Osteuropa als auch aufgrund einer sinkenden Geburtenrate. Mit dem Zweiten Weltkrieg und der Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung der Stadt nahm die Bevölkerung weiter ab. 1951 wies Wien nur mehr 1,62 Millionen Einwohner*innen auf.

Die moderne Einwanderungsgeschichte des Landes und damit auch Wiens setzte in den 1960er Jahren mit der Anwerbung von Gastarbeiter*innen ein, welche durch das so genannte Raab-Olah-Abkommen (1961) initiiert wurde. Das Abkommen – benannt nach dem damaligen österreichischen Wirtschaftskammerpräsidenten Raab und dem Vorsitzenden des Österreichischen Gewerkschaftsbundes Olah – sah vor, dass Arbeitskräfte auf Basis eines Rotationsprinzips für zeitlich begrenzte Beschäftigungsverhältnisse ins Land kommen und bei Bedarf durch neue Arbeiter*innen aus diesen Ländern ersetzt werden. Aufgrund des im Vergleich zu den ebenfalls anwerbenden Nachbarländern Österreichs (Deutschland, Schweiz) niedrigen Lohnniveaus scheiterte das erste Anwerbeabkommen mit Spanien (1962). Erst die darauffolgenden Abkommen mit der Türkei (1964) und dem ehemaligen Jugoslawien (1966) führten zu Arbeitsmigration, die wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung beitrug und Wien bis heute prägt. Das Rotationsprinzip war ungeeignet für die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes, da es eine ständige Einschulung der Arbeiter*innen erfordert hätte. Es kam daher bald zu längerfristiger Einwanderung.

1961, ein Jahr vor der Aufnahme von Gastarbeiter*innen, lag die Zahl der ausländischen Staatsangehörigen bei 1,45 % der Wiener Gesamtbevölkerung. Mit der Zuwanderung der Arbeitskräfte aus der Türkei und dem damaligen Jugoslawien erfuhr die Stadt in den 1960er Jahren erstmals wieder ein Bevölkerungswachstum. Mit der Ölkrise (1973) und der damit einhergehenden Verschärfung der Einwanderungsbestimmungen in Österreich wurde aus vormals zirkulärer dann permanente Migration. Aus Gästen wurden Wiener*innen. Zwar ging die Zahl der neu zuwandernden Gastarbeiter*innen nach den Einwanderungsbeschränkungen im Zuge der Ölkrise stark zurück, dieser Rückgang wurde aber durch den Zuzug der Familien der bleibenden Arbeiter*innen abgeschwächt.

Weitere Zuwanderung nach Wien erfolgte einerseits im Zuge des Falls des Eisernen Vorhanges, andererseits als Folge der Bürgerkriege (ab 1991) im damaligen Jugoslawien. In dieser Periode wurden sowohl Fluchtmigration als auch Familienzusammenführung die zentralen Motive für Zuwanderung. Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (EU, damals Europäische Gemeinschaft) im Jahre 1995 wuchs die Zuwanderung vor allem aus EU-Staaten, d.h. es kam verstärkt zu EU-Binnenmigration. Diese Entwicklung setzte sich mit den Erweiterungen der EU in den Jahren 2004, 2007 und 2013 bzw. mit dem Ende der Übergangsfristen für die neuen EU-Mitgliedstaaten (2011, 2014 sowie 2020) weiter fort. Seit Mitte der 2000er Jahre wurden die EU und EFTA zu den wichtigsten Herkunftsregionen von Zuwanderer*innen nach Wien.

Die Phase rund um 2015, im Zuge derer es zu einer verstärkten Fluchtmigration von Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan kam, ließ die Bevölkerung Wiens weiter wachsen. Im Jahr 2015 wanderten insgesamt 78.063 Menschen aus dem Ausland nach Wien, darunter 5.985 Personen aus Syrien (55 % Männer, 45 % Frauen), und 3.986 Personen aus Afghanistan (69 % Männer, 31 % Frauen). Der ursprünglich höhere Zuzug von Männern aus diesen Konfliktregionen erklärt sich u.a. sowohl durch die relativ hohen Kosten der Reise nach Europa als auch durch die unsicheren Routen. Wie bei den meisten Wanderungsbewegungen gab es auch 2015 eine Reihe an miteinander verbundenen Gründen, warum Menschen migrierten. Hauptmotive waren einerseits anhaltende Konflikte und mangelnde Sicherheit, insbesondere der syrische Bürgerkrieg, politische Verfolgung und wirtschaftliche Verschlechterungen, andererseits die zunehmend schwierige Situation für Geflüchtete in ursprünglichen Aufnahmeländern, wie etwa dem Iran.

Wenngleich 2015 insgesamt die Zuzüge aus Drittstaaten überwogen, kamen 44 % der Zuzüge aus dem Ausland aus dem EU/EFTA-Raum (34.222 Personen), der Rest teilte sich auf die übrigen Weltregionen (inklusive Drittstaaten in Europa mit einem Anteil von 17 %) auf.

Die Vertreibung von Ukrainer*innen im Zuge der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 stellte einen weiteren wichtigen Moment der Zuwanderung nach Wien dar. Die Fluchtmigration aus der Ukraine führte 2022 dabei zu einer höheren Anzahl von flüchtenden Menschen als im Jahr 2015. Aufgrund des Ausreiseverbots ukrainischer Männer zu militärischen Zwecken waren von dieser Zuwanderung stark Frauen und Kinder betroffen. Lediglich 14 % aller ukrainischen Zugewanderten aus dem Ausland im Jahr 2022 nach Wien im Alter zwischen 18 und 60 waren Männer. Insgesamt wanderten 28.690 Ukrainer*innen im Jahr 2022 aus dem Ausland nach Wien zu.

Gleichzeitig bleibt die EU-Binnenwanderung ein bedeutender Faktor für die positive Wanderungsbilanz der Stadt. Insgesamt ist Zuwanderung nach wie vor überwiegend ein regionales Phänomen, d.h. die meisten Wanderungen finden innerhalb von Europa statt, und Zuwanderung aus Europa ist für Wien daher besonders relevant.

Seit dem Beitritt zur Europäischen Union 1995 ist Wien aufgrund der Wanderungsbilanz und der seit 2004 erstmals positiven Geburtenbilanz um 439.430 Personen gewachsen. Bis inklusive 2003 starben in Wien jedes Jahr mehr Menschen als geboren wurden. Seither basiert das Bevölkerungswachstum sowohl auf einer positiven Wanderungsbilanz (es wandern mehr Menschen nach Wien zu als ab) als auch auf einer positiven Geburtenbilanz.

Gemeinsam mit einer weiterhin positiven Geburtenbilanz führte die Wanderungsbilanz zu einem Wachstum der Wiener Bevölkerung gegenüber dem Vorjahr um 50.504 Personen im Jahr 2022 (Stand 01.01.2023 Sollten sich die vorläufigen Bevölkerungsdaten bestätigen, wurde Wien im September 2023 wieder zu einer Metropole mit mehr als zwei Millionen Einwohner*innen.

Verjüngung der Bevölkerung Wiens

Die beschriebene Zuwanderung hat in den letzten Jahrzehnten zu einer Verjüngung der Wiener Bevölkerung geführt – sowohl absolut als auch im Vergleich zu den anderen acht Bundesländern in Österreich (Abb. 2).

Durch die Zuwanderung von jungen Menschen ist das durchschnittliche Alter der Wiener*innen gesunken, während die anderen Bundesländer deutlich gealtert sind.

Chart

Tabelle

Burgenland Kärnten Niederösterreich Oberösterreich Salzburg Steiermark Tirol Vorarlberg Wien
1961 34,69 32,98 36,74 34,14 33,74 34,83 33,24 32,08 42,61
1962 34,74 33,01 36,7 34,08 33,7 34,81 33,12 31,94 42,57
1963 34,77 33,05 36,64 34,01 33,64 34,77 32,98 31,8 42,52
1964 34,82 33,09 36,59 33,94 33,57 34,75 32,84 31,68 42,48
1965 34,88 33,13 36,54 33,9 33,51 34,74 32,73 31,56 42,4
1966 34,97 33,2 36,51 33,86 33,46 34,74 32,63 31,48 42,3
1967 35,08 33,26 36,49 33,86 33,42 34,74 32,55 31,43 42,15
1968 35,19 33,35 36,48 33,85 33,39 34,75 32,47 31,4 42,02
1969 35,29 33,43 36,48 33,83 33,38 34,76 32,43 31,36 41,91
1970 35,39 33,52 36,47 33,84 33,41 34,8 32,43 31,34 41,84
1971 35,49 33,64 36,46 33,88 33,45 34,86 32,48 31,36 41,7
1972 35,61 33,76 36,5 33,95 33,48 34,94 32,55 31,37 41,56
1973 35,76 33,92 36,58 34,07 33,57 35,06 32,67 31,43 41,46
1974 35,92 34,13 36,7 34,21 33,73 35,21 32,82 31,55 41,51
1975 36,09 34,38 36,85 34,38 33,91 35,37 33 31,72 41,55
1976 36,27 34,63 36,99 34,56 34,06 35,53 33,17 31,94 41,6
1977 36,47 34,87 37,14 34,75 34,22 35,71 33,34 32,15 41,64
1978 36,66 35,1 37,3 34,94 34,4 35,89 33,55 32,38 41,71
1979 36,84 35,33 37,46 35,13 34,58 36,08 33,78 32,6 41,77
1980 37 35,53 37,58 35,3 34,75 36,24 33,96 32,81 41,74
1981 37,13 35,71 37,65 35,43 34,88 36,37 34,11 33,02 41,63
1982 37,27 35,88 37,75 35,55 34,98 36,51 34,28 33,25 41,67
1983 37,44 36,05 37,88 35,7 35,08 36,66 34,45 33,5 41,64
1984 37,62 36,26 38,01 35,87 35,2 36,85 34,65 33,76 41,59
1985 37,83 36,48 38,13 36,05 35,35 37,04 34,86 34,01 41,5
1986 38,04 36,69 38,25 36,22 35,51 37,23 35,07 34,22 41,46
1987 38,27 36,91 38,38 36,4 35,7 37,44 35,29 34,44 41,46
1988 38,5 37,15 38,52 36,57 35,9 37,64 35,49 34,66 41,35
1989 38,71 37,35 38,6 36,7 36,03 37,83 35,66 34,76 41,22
1990 38,89 37,53 38,62 36,77 36,11 38,01 35,81 34,81 41,07
1991 39,03 37,66 38,62 36,79 36,19 38,15 35,93 34,87 40,83
1992 39,16 37,75 38,62 36,83 36,27 38,25 36,01 34,97 40,68
1993 39,33 37,88 38,66 36,91 36,38 38,39 36,11 35,14 40,61
1994 39,49 38,09 38,76 37,05 36,59 38,58 36,27 35,36 40,72
1995 39,62 38,32 38,89 37,24 36,81 38,78 36,48 35,57 40,81
1996 39,81 38,56 39,04 37,45 37,03 38,99 36,69 35,78 40,85
1997 40,06 38,83 39,22 37,68 37,29 39,21 36,92 36,03 40,95
1998 40,34 39,12 39,42 37,92 37,55 39,46 37,17 36,3 41,02
1999 40,62 39,41 39,63 38,16 37,82 39,71 37,45 36,57 41,05
2000 40,93 39,72 39,86 38,42 38,1 39,98 37,73 36,86 41,1
2001 41,25 40,05 40,14 38,72 38,42 40,26 38,03 37,15 41,14
2002 41,55 40,39 40,39 38,99 38,7 40,53 38,32 37,4 41
2003 41,81 40,7 40,58 39,2 38,9 40,75 38,57 37,63 40,91
2004 42,06 41 40,77 39,43 39,16 40,97 38,82 37,87 40,84
2005 42,31 41,28 40,96 39,66 39,43 41,19 39,07 38,13 40,85
2006 42,57 41,58 41,17 39,93 39,72 41,44 39,35 38,41 40,92
2007 42,84 41,89 41,4 40,2 40,01 41,69 39,64 38,71 40,96
2008 43,08 42,2 41,65 40,47 40,29 41,94 39,92 39,02 41,01
2009 43,32 42,53 41,9 40,76 40,61 42,17 40,22 39,33 41,04
2010 43,62 42,86 42,19 41,04 40,91 42,42 40,52 39,65 41,05
2011 43,88 43,18 42,45 41,32 41,2 42,65 40,8 39,95 41,08
2012 44,08 43,48 42,68 41,56 41,44 42,88 41,04 40,25 41,04
2013 44,3 43,76 42,91 41,77 41,68 43,09 41,25 40,51 41
2014 44,54 44,03 43,11 41,94 41,89 43,28 41,46 40,76 40,96
2015 44,7 44,22 43,25 42,05 42,02 43,41 41,6 40,93 40,79
2016 44,79 44,38 43,3 42,1 42,12 43,48 41,69 41 40,76
2017 45,03 44,61 43,47 42,24 42,28 43,65 41,86 41,17 40,78
2018 45,27 44,85 43,67 42,39 42,46 43,84 42,08 41,36 40,91
2019 45,51 45,11 43,85 42,55 42,67 44,03 42,32 41,56 41,02
2020 45,72 45,35 44,03 42,73 42,85 44,21 42,56 41,78 41,13
2021 45,89 45,49 44,18 42,87 43,02 44,35 42,78 41,96 41,18

Abb.2: Entwicklung des Durchschnittsalters der Bevölkerung in den neun österreichischen Bundesländern im Jahresdurchschnitt seit 1961.

In den 1960er und 1970er Jahren galt Wien als eine der demografisch ältesten Städte der Welt. Wichtige Gründe dafür waren Geburtenausfälle während der beiden Weltkriege und während der Wirtschaftskrise der 1930er Jahre. Das durchschnittliche Alter der Wiener*innen betrug im Jahr 1961 rund 42,6 Jahre und lag damit um etwa sechs Jahre über dem österreichweiten Durchschnitt und etwa zehn Jahre über dem damals jüngsten Bundesland Vorarlberg. Doch während in den folgenden Jahren das durchschnittliche Alter der Bevölkerung in den anderen Bundesländern deutlich stieg, sank es in Wien sogar geringfügig. Seit 2015 ist Wien das demografisch jüngste Bundesland in Österreich. Das durchschnittliche Alter der Wiener*innen lag 2021 bei rund 41,2 Jahren. Verantwortlich für diese Entwicklung ist die Zuwanderung junger Frauen und Männer sowohl aus den anderen Bundesländern als auch aus dem Ausland.