Die Begutachtung und Betreuung von Kindern stellt allgemein ganz besondere Herausforderungen an das Gesundheitssystem und erfordert entsprechende Kenntnisse und Erfahrung im Umgang mit diesen und auch den Eltern. Deshalb ist es umso wichtiger, dass entsprechende Untersuchungen von Personal mit hoher Expertise durchgeführt werden1.

Das Kindeswohl ist oberstes Prinzip und die Sicherheit des Kindes ist zu garantieren.

Die Gewährleistung einer adäquaten kindgerechten medizinischen Versorgung kann letztlich nur durch Spezialist*innen mit Ausbildung bzw. Erfahrung in der Kinder- und Jugendgynäkologie erfolgen. Da FGM/C bei Kindern mit schwerwiegenden Konsequenzen bis zum Entzug der Obsorge einhergehen kann, müssen eine sichere Diagnosestellung sowie die Kenntnis von Differentialdiagnosen wie Lichen sclerosus oder Labiensynechien durch die Begutachtenden die Grundvoraussetzung für solche Untersuchungen sein.

Die Betreuung von Kindern bezieht selbstverständlich die Eltern mit ein. Es ist wichtig, ein Setting zu schaffen, in dem Eltern und Kinder entspannt und in Ruhe ihre Anliegen äußern können.

Versorgung von Kindern bedeutet in erster Linie Prävention. Hier steht die Aufklärung im Vordergrund. Die Eltern benötigen sachliche Information, keinesfalls eine vorwurfsvolle Haltung und müssen darüber informiert werden, dass ein gesundheitlicher Nachteil mit akuten und chronischen Folgeschäden durch die Genitalverstümmelung von Mädchen entsteht. Auch die psychische Verletzung ist anzusprechen.

Bei bereits beschnittenen Mädchen gilt im Kindesalter Zurückhaltung in Hinblick auf therapeutische Verfahren und ein zuwartendes Vorgehen2. Ausschließlich im Falle von Beschwerden beziehungsweise drohenden Langzeitfolgen (z.B. bei ausgeprägter Harnabflussstörung wie Hydronephrose) sollte interveniert werden. Die Untersuchung sowie Therapie sollte auch hier ausschließlich durch Expert*innen stattfinden.

Bei Abwehrhaltung des Kindes (z.B. Zusammenpressen der Beine) muss auf eine Evaluation an diesem Tag verzichtet werden. Das psychische Wohl des Kindes steht im Vordergrund!

Jugendliche suchen manchmal auch nur das Gespräch ohne Untersuchung und brauchen generell oft Zeit, bis sie bereit dafür sind. Sie sind oft nicht gewohnt ihre eigene Vulva anzusehen, geschweige denn, diese zu berühren. Besteht bereits eine Partnerschaft, leiden Betroffene oft unter Dyspareunie oder können gar keinen Geschlechtsverkehr ausüben. Durch die fehlende Aufklärung und Beeinträchtigung der sexuellen Gesundheit entsteht ein starker Leidensdruck3.

Fußnoten

  1. Creighton, S.M. and D. Hodes, Female genital mutilation: what every paediatrician should know. Arch Dis Child, 2016. 101(3): p. 267-71.

  2. Jaeger, F., M. Caflisch, and P. Hohlfeld, Female genital mutilation and its prevention: a challenge for paediatricians. European Journal of Pediatrics, 2009. 168(1): p. 27-33.

  3. Ekenze, S.O., O.M. Mbadiwe, and H.U. Ezegwui, Lower genital tract lesions requiring surgical intervention in girls: perspective from a developing country. J Paediatr Child Health, 2009. 45(10): p. 610-3.