4.2 Fiskalgeltung der Grundrechte
Unter Fiskalgeltung der Grundrechte versteht man, dass der Staat und die anderen Gebietskörperschaften auch dann an die Grundrechte und an das aus dem Gleichheitsgrundsatz abzuleitende Sachlichkeitsgebot gebunden sind, wenn sie nicht hoheitlich, sondern in der Rechtsform des Privatrechts handeln.
Bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Formen des Privatrechts wird von Lehre und Judikatur einhellig von einer Fiskalgeltung der Grundrechte ausgegangen, sodass der privatwirtschaftlich handelnde Staat insbesondere bei der Gewährung von Förderungen und Vergabe von öffentlichen Aufträgen sowie bei der Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge an den Gleichheitsgrundsatz gebunden ist.
In seinem Urteil vom 26.01.1995, 6 Ob 514/95, sprach der OGH zum Gleichheitsgrundsatz und zum Sachlichkeitsgebot im Rahmen der Fördergewährung Folgendes aus:
Die Bindung an den Gleichheitsgrundsatz auch bei privatrechtlicher Subventionsvergabe besagt, daß gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln sind. Entspricht es, wie im hier zu behandelnden Fall, der überwiegenden Praxis, die Subvention bei Vorliegen bestimmter typischer Voraussetzungen zu gewähren, darf im Einzelfall nur dann davon abgewichen werden, wenn besondere sachliche, am Förderungszweck ausgerichtete Gründe dies rechtfertigen, so etwa wenn kein wirtschaftliches Interesse an weiterer Förderung besteht, die Vermögensverhältnisse des Subventionswerbers schlecht sind, im Antrag versucht wird, über das Vorliegen der Voraussetzungen zu täuschen oder dgl. Die bloße Berufung auf die in den Richtlinien festgehaltene Tatsache, daß kein Rechtsanspruch auf Förderung bestehe, allein ohne Vorliegen einer objektiv sachlich gerechtfertigten Differenzierung, die nach dem Sinn und Zweck des Förderungszieles zu beurteilen ist, genügt nicht. Ein Vorbringen, daß die Subventionsmittel erschöpft seien, wurde nicht erstattet. In einem Fall willkürlicher Weigerung stünde dem Benachteiligten ein direkter Leistungsanspruch zu (…).
Daraus folgt, dass die Ablehnung einer Förderung im Vergleich zu anderen Fördergewährungen jedenfalls objektiv gerechtfertigt – also sachlich – sein muss, und nicht willkürlich erfolgen darf. Als Gründe für eine sachliche Ablehnung kommen in Anlehnung an das soeben zitierte Judikat des OGH z.B. eine Erschöpfung der Fördermittel, kein öffentliches Interesse an der Förderung, Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Förderwerberin bzw. des Förderwerbers und unrichtige Angaben im Förderantrag in Betracht.
Liegt eine eindeutig in der jeweiligen Förderrichtlinie definierte Fördervoraussetzung nicht vor, wird die Nichtgewährung der jeweiligen Förderung jedenfalls als sachlich gerechtfertigt angesehen werden können.
Auch im Urteil vom 24.03.2003, 1 Ob 272/02k, wiederholte der OGH, dass die bloße Berufung auf einen in der Förderrichtlinie festgehaltenen Ausschluss auf einen Rechtsanspruch auf die Förderung für eine Nichtgewährung der Förderung nicht genüge, sondern vielmehr sachliche Gründe vorliegen müssen:
Auch in der Förderungsverwaltung greift die Rechtsprechung immer wieder auf den Grundsatz der Gleichbehandlung zurück (…), um Diskriminierungen – so insbesondere auch durch die Annahme eines Kontrahierungszwangs – entgegenzutreten. Danach sind nach ihren Voraussetzungen gleiche Sachverhalte auch gleich zu behandeln. Werden Subventionen bei Vorliegen bestimmter typischer Voraussetzungen gewährt, so darf davon nur abgewichen werden, wenn das durch besondere sachliche, am Förderungszweck orientierte Gründe gerechtfertigt ist. Es genügt dabei insbesondere die bloße Berufung auf die in den Förderungsrichtlinien festgehaltene Tatsache, dass kein Rechtsanspruch auf Förderung bestehe, für eine gerechtfertigte Leistungsverweigerung nicht (…).
Bei Vorliegen sämtlicher Fördervoraussetzungen muss daher eine Förderung gewährt werden, wenn auch sonst keine sachlichen und objektiven Gründe gegen die Gewährung der Förderung sprechen und wenn sie anderen Förderwerber*innen bei Vorliegen derselben Voraussetzungen gewährt wurde. Der OGH hat dies in seinem Urteil vom 21.06.2004, 10 Ob 23/03k wie folgt formuliert:
Hat sich daher eine Gebietskörperschaft in einem Selbstbindungsgesetz zur Leistung unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet, so ist sie von Gesetzes wegen angehalten, diese Leistung jedermann, der diese Voraussetzungen erfüllt, zu erbringen, wenn sie eine solche Leistung in anderen Einzelfällen bereits erbracht hat. Auf eine solche Leistung besteht daher ein klagbarer Anspruch.
Lässt sich keine sachliche Rechtfertigung für die Verweigerung der Förderung finden, muss die Förderung daher gewährt werden. Das bedeutet aber nicht, dass jede/r Förderwerber*in automatisch mit denselben Förderbeträgen zu unterstützen ist – auch bei der Festlegung der Höhe der Förderung muss sachgerecht differenziert werden.
Die Ablehnung einer Förderung aufgrund einer nicht vorhandenen Deckung im Budget ist zwar grundsätzlich denkbar und möglich, allerdings sollte dieser Ablehnungsgrund restriktiv zum Einsatz gelangen und aufgrund der soeben dargestellten Judikatur des OGH wird daher dringend empfohlen, die Fördervoraussetzungen im Hinblick auf das konkrete Förderprogramm möglichst genau und bestimmt zu definieren, damit bei Ablehnung des Förderantrages ein sachlicher Grund vorgewiesen werden kann: nämlich das Nichtvorliegen einer oder mehrerer Fördervoraussetzungen.
Bei zeitlich befristeten Förderprogrammen (z.B. im Rahmen von Calls, Ausschreibungen, Kleinprojekte-Förderungen), für die ein Rahmenbetrag („Fördertopf“) genehmigt wurde, ist zum Zwecke der Transparenz in der Förderrichtlinie explizit darauf hinzuweisen, dass selbst bei Vorliegen sämtlicher Fördervoraussetzungen eine Förderung nur bei entsprechender budgetärer Verfügbarkeit gewährt werden kann.
Die Förderdienststelle hat somit im Zusammenhang mit der Gewährung oder Ablehnung einer Förderung die Grundrechte und insbesondere den Gleichheitssatz (Sachlichkeitsgebot) zu berücksichtigen. Es besteht eine Verpflichtung zur Gleichbehandlung aller Förderwerber*innen bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen.
Das bedeutet, dass eine Förderung bei Vorliegen der Fördervoraussetzungen grundsätzlich gewährt werden muss, wenn keine sachlichen Gründe dagegensprechen. Auch eine Ablehnung muss sachlich begründet sein und darf nicht willkürlich erfolgen.