Ingrid Moritz
Ingrid Moritz wurde 2010 für ihren "steten Einsatz für Einkommensgerechtigkeit" mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet.
Ingrid Moritz ist Leiterin der Abteilung "Frauen - Familie" in der Wiener Arbeiterkammer (AK). Gemeinsam mit ihrem Team thematisiert sie unermüdlich die strukturelle Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt und erarbeitet Vorschläge zur Verringerung bestehender Lohnunterschiede. Wenngleich heute viele Frauen erwerbstätig sind, verdienen sie oft nicht genug, um ihre Existenz unabhängig zu sichern. Um etwas zu bewegen, müsste nicht nur (Frauen-) Arbeit neu bewertet, sondern auch bezahlte wie unbezahlte Arbeit umverteilt und Geschlechterrollen aufgebrochen werden. Im Engagement dafür setzt sie auf Solidarität und breite Bündnisse.
Biografie
Ingrid Moritz wird 1963 in Zell an der Pram (OÖ) geboren. Aufgrund ihres entwicklungspolitischen Interesses inskribiert sie zunächst Ethnologie an der Universität Wien. Weil ihr die Ausrichtung dieser Studienrichtung in den 1980er-Jahren aber zu exotisierend ist, wählt sie schließlich Politikwissenschaft als Hauptfach. 1991 schließt sie das Studium mit einer Diplomarbeit über die Beziehungen zwischen Österreich und Kuba ab, wo sie zuvor einen halbjährigen Forschungsaufenthalt verbracht hat.
Arbeiterkammer (AK)
Im selben Jahr beginnt sie ihre Tätigkeit in der Abteilung "Frauen - Familie", zunächst als Beraterin für Fragen rund um Mutterschutz, Karenzgeld und Gleichbehandlungsrecht. Im Jahr 1998 wird sie Leiterin der Abteilung, die auf das von Käthe Leichter 1925 gegründete Frauenreferat zurückgeht. Im Zuge der Umstrukturierungen innerhalb der AK, in denen die Beratungstätigkeit gebündelt wird, verschiebt sich der Abteilungsfokus auf die Grundlagen- und interessenpolitische Arbeit. Hat es bisher einen juristischen Schwerpunkt in der Abteilung gegeben, so ist Ingrid Moritz ein "Kompetenzenmix" wichtig. Die Zusammenarbeit von Expertinnen unterschiedlicher Bereiche ermöglicht die Beleuchtung eines Themas von mehreren Seiten. Insbesondere die Integration einer ökonomischen Expertise ist Ingrid Moritz ein Anliegen, um die Finanzierbarkeit von Vorschlägen realistisch abklären zu können.
2001 leitet sie ein Gender Mainstreaming Pilotprojekt, in dem mehrere Abteilungen der AK auf ihre Geschlechterpolitik durchleuchtet und konkrete Maßnahmen erarbeitet werden. Dabei wurde gemeinsam mit der Abteilung Betriebswirtschaft festgestellt, dass die Branchenanalysen hauptsächlich auf Industrie und Produktion ausgerichtet sind, wo wesentlich mehr Männer arbeiten. Dieses Projekt lieferte wichtige Impulse zur gendergerechten Weiterentwicklung der Angebotspalette. Der Dienstleistungssektor, in dem viele Frauen beschäftigt sind, ist in bisherigen Analysen hingegen unterrepräsentiert geblieben. Dabei sind gerade Branchenanalysen wichtig für die Lohnverhandlungen der Gewerkschaften. Aufgrund der von ihrem Team erhobenen Statistiken gelingt es zum Beispiel, das Angebot auf Bereiche wie den sozialen Sektor zu erweitern (Moritz, Ingrid (2008) Gender Mainstreaming in der AK Wien. In Appiano-Kugler, Iris; Kogoj Traude (Hgg.) Going Gender And Diversity, Wien. 5 bis 81).
Thema Kinderbetreuungsgeld
Als unter der schwarz-blauen Regierung 2002 das Kinderbetreuungsgeld eingeführt wird, hat sie den Mut, sich als eine der ersten öffentlich dagegen auszusprechen. Während damals nicht auszuschließen ist, dass dieses angesichts mangelnder Kinderbetreuungseinrichtungen auf breitere Zustimmung stößt, steht für Ingrid Moritz fest, dass die damit gegebenen Anreize für lange Auszeiten Frauen in alte Rollen zurückdrängen. Die mittlerweile erreichte Flexibilisierung des Modells, die auch die häufig gewählten Kurzvarianten vorsieht, wertet sie als großen Fortschritt.
Thema Einkommenstransparenz
Eines der brennenden Themen der vergangenen Jahre ist in ihren Augen die Einkommenstransparenz. "Was ist daran so tabu"? fragt sie und kritisiert die bestehende "Intransparenz und Schweigekultur zum Einkommen" (zitiert in: AUF - Eine Frauenzeitschrift 2011/Nr. 152, Seite 7).
Hinsichtlich der Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern ist Österreich im EU-Durchschnitt nahezu trauriges Schlusslicht. Ingrid Moritz ist an der Ausverhandlung einer Novellierung des Gleichbehandlungsgesetztes beteiligt, das seit März 2011 in Unternehmen das Vorlegen von Einkommensberichten vorsieht. Zudem können verpflichtende Einkommensangaben bei Jobinseraten erreicht werden, die eine wichtige Orientierung bieten. Im Rahmen eines Side Events bei der UN Weltfrauenkonferenz 2011 in New York präsentiert sie die österreichischen Erfahrungen. Zwar könnten ihrer Meinung nach bei der Implementierung noch Verbesserungen erzielt werden, dennoch wertet Ingrid Moritz das Verhandlungsergebnis als Erfolg.
Einkommensgerechtigkeit betrifft dabei nicht nur die Unterschiede zwischen Frauen und Männern, sondern auch zwischen Jüngeren und Älteren sowie zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Gerade die Perspektive von Migrantinnen strukturell in den Bereich der Grundlagenarbeit zu integrieren, ist ihrer Meinung nach sehr wichtig.
Thema Arbeitszeitverteilung
Aktuell beschäftigt Ingrid Moritz zunehmend die Frage der Arbeitszeitverteilung. Während Frauen oftmals wegen mangelnder Kinderbetreuungsplätze unfreiwillig in die Teilzeit gedrängt werden, hat sie den Eindruck, dass das "Ernährermodell" nicht zuletzt aus Sicht der Männer brüchig wird. Zunehmend wollen sich viele nicht mehr auf eine reine Erwerbsorientierung reduzieren lassen. Der springende Punkt dabei ist nicht die Anpassung von Frauen an das männliche Vollzeitmodel. Vielmehr soll tendenziell eine Erhöhung der (bezahlten) Arbeit bei Frauen und ein Abbau der Arbeitszeit bei Männern erreicht werden.
Zentral ist dabei die Stärkung einer eigenständigen Existenz von Männern und Frauen. Dem steht bislang hinderlich entgegen, dass der Ausbau von sozialer Infrastruktur hauptsächlich von seiner Kosten- und kaum von seiner Nutzenseite gesehen wird. Im Gegensatz zu anderen öffentlichen Ausgaben, wie dem Straßenbau, wird etwa flächendeckende Kinderbetreuung nicht als Investition gesehen. Dabei wird kaum erforscht, argumentiert sie, welche Kosten durch den Mangel dieser Dienstleistungen verursacht werden.
Engagement und Vernetzung
Austausch mit Kolleginnen sowie interne und externe Vernetzung sind Ingrid Moritz ein großes Anliegen. Sie ist Mitinitiatorin einer Arbeitsgruppe zu Diversität und Migration und Co-Leiterin einer Pflegearbeitsgruppe. In dieser soll der Pflegebereich aus der Sicht der Beschäftigten analysiert und Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden. Gleichzeitig wird dafür sensibilisiert, dass die Gewährleitung der Pflege auch eine enorme Entlastung von Frauen mit sich bringen würde, die diese Arbeit oft unbezahlt verrichten müssen.
Aktiv ist Ingrid Moritz auch im Arbeitsmarktservice (AMS), dort war sie eine der ersten Frauen auf ArbeitnehmerInnen-Seite, auf deren Expertise in Gremien zurückgegriffen wurde. Seit 2002 ist sie Ersatzmitglied des AMS-Verwaltungsrates. In einer gemeinsamen Vernetzung mit Frauen der AK, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und des Arbeitsmarktservices (AMS) diskutiert Ingrid Moritz arbeitsmarktpolitische Interessen von Frauen und macht diese geltend.
Neben ihrem frauenpolitischen Einsatz ist ihr auch das Engagement gegen rassistische Ausgrenzung ein wichtiges Anliegen. Seit den 1990er-Jahren ist sie Vorstandsmitglied im Beratungszentrum für Migrantinnen und Migranten und seit 2001 Obfrau des Vereins.
Ingrid Moritz' Einsatz für Einkommensgerechtigkeit
- Leitung der AK-Abteilung Frauen-Familie (seit 1998), u.a. Mitverhandlung bei der Novelle des Gleichbehandlungsgesetztes zur Erhöhung von Einkommenstransparenz (2011)
- Vernetzung und breite Bündnisse zur Verbesserung von Einkommensgerechtigkeit
- Einsatz für einen höheren Frauenanteil in Führungs- und Entscheidungspositionen innerhalb des Arbeitsmarktservices (AMS)
Stadt Wien | Frauenservice Wien
Kontaktformular