Beate Wimmer-Puchinger

Beate Wimmer-Puchinger hat für die Gesundheit von Frauen in Wien Pionierinnenarbeit geleistet. Für ihr Engagement in der wissenschaftlichen Forschung und in der politischen Praxis wurde die "Pionierin der Wiener Frauengesundheit" (zitiert nach Wiener Frauenpreis, 2016, Jury-Begründung) 2016 mit dem Wiener Frauenpreis ausgezeichnet. Durch Wimmer-Puchingers umfassende Arbeit sind heute zahlreiche Aspekte der Gesundheit von Frauen selbstverständliche Bestandteile des Wiener Gesundheitswesens.

Biografie und beruflicher Werdegang

Beate Wimmer-Puchinger mit dem Frauenpreis

Preisträgerin Beate Wimmer-Puchinger

Beate Wimmer-Puchinger wurde 1948 in Oberösterreich geboren. Nach der Matura am Realgymnasium in Wels studierte sie Psychologie an der Universität Wien.

Mit der Promotion im Jahre 1974 schlug Wimmer-Puchinger eine wissenschaftliche Laufbahn ein: 1976 wurde sie Universitätsassistentin am Institut für Tiefenpsychologie und Psychotherapie in Wien. Von 1978 bis 1990 forschte sie als wissenschaftliche Assistentin am Ludwig Boltzmann Institut für Geburtenregelung und Schwangerenbetreuung an der Semmelweis Frauenklinik. 1985 folgten die Habilitation zum Thema "Schwangerschaft und Krise" und die Venia Docendi für Psychologie.

Wimmer-Puchinger hatte Lehraufträge in Berlin, in der Schweiz und in den USA inne. Schließlich wurde ihr 1993 von der Universität Salzburg der Titel "außerordentliche Universitätsprofessorin" verliehen. 1990 gründete Wimmer-Puchinger das Ludwig Boltzmann Institut für Frauengesundheitsforschung an der Semmelweis Frauenklinik, das sie bis 2004 leitete. In zahlreichen Publikationen und Studien befasste sich die Wissenschaftlerin mit der gesundheitlichen Situation von Frauen, insbesondere in Bezug auf postpartale Depression, sexistische Körpernormen, Gesundheit und soziale Ungleichheit, Gesundheit und Migration und andere.

Frauengesundheit als politisches Ziel

Maßnahmen zur Früherkennung von Depressionen nach der Geburt, Vorsorge gegen Brustkrebs, Schulungen zur Früherkennung von häuslicher Gewalt, eine Hotline für Betroffene von Essstörungen, Angebote für Frauen mit sozialer Benachteiligung, Programme zu weiblicher Genitalverstümmelung: All diese Errungenschaften waren zunächst keineswegs selbstverständlich. "Gesundheit hat ein Geschlecht, aber das vor 30 Jahren den Männern zu erklären, war teilweise eine große Herausforderung", erzählte die Klinische Psychologin und Gesundheitspsychologin im Interview als Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wien (zitiert nach wien.at: "'Gesundheit hat doch ein Geschlecht' - Interview mit der Frauengesundheitsbeauftragten Beate Wimmer-Puchinger"). Frauengesundheit hat also wesentlich mit politischem Willen zu tun. Das stellt Wimmer-Puchinger unmissverständlich klar: "Es bedarf auch der entsprechenden Politik und der PolitikerInnen, die das zulassen." (zitiert nach ebenda)

Frauengesundheitsprogramm für Wien

Doch es habe sich gelohnt, denn heute werde die Stadt Wien für die politische Verankerung von Frauengesundheit im Ausland bewundert. Tatsächlich war Wien nach Glasgow die zweite Stadt in Europa, die sich mit einem eigenen Programm die Gleichbehandlung von Frauen im Gesundheitswesen zum Ziel gesetzt hatte. Am 9. November 1998 beschloss der Wiener Gemeinderat einstimmig das Wiener Frauengesundheitsprogramm. Für diesen politischen Erfolg hatte Wimmer-Puchinger wesentliche Vorarbeiten geleistet: 1992 gründete sie Österreichs erstes Frauengesundheitszentrum F.E.M. an der Semmelweis Frauenklinik. Als Modellprojekt der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellte F.E.M. durch seine Ansiedlung in einem Krankenhaus ein europaweit einzigartiges Setting dar.

Zugleich verfasste Wimmer-Puchinger 1995 den Ersten Österreichischen Frauengesundheitsbericht und publizierte ein Jahr später im Auftrag der Stadt Wien den Ersten Wiener Frauengesundheitsbericht. Der Bericht zeigt geschlechtsspezifische Gesundheitsfaktoren und Defizite in Prävention und Versorgung auf. In der Folge veranlasste der damalige Gesundheitsstadtrat Sepp Rieder die Entwicklung eines eigenen Frauengesundheitsprogramms für Wien. Wimmer-Puchinger wurde als erste Wiener Frauengesundheitsbeauftragte mit der Umsetzung des Programms beauftragt.

Die ersten Initiativen des Frauengesundheitsprogramms waren der Bau des zweiten Frauengesundheitszentrums F.E.M. Süd, eine große Kampagne zur Verbesserung der Brustkrebs-Vorsorge und eine Kampagne zum Thema Essstörungen. Wimmer-Puchingers Engagement begann aber schon viel früher.

Im Rahmen ihrer Tätigkeiten an der Semmelweis Frauenklinik verankerte die Forscherin und zweifache Mutter ein umfassendes klinisch-psychologisches Betreuungsmodell für schwangere Frauen. In den 1970er Jahren löste sie mit einer von Wissenschaftsministerin Hertha Firnberg in Auftrag gegebenen Studie über Motive zum Schwangerschaftsabbruch eine heftige Debatte in den Medien, aber auch in der Bischofskonferenz und im Parlament aus. Dieses Ereignis und die Arbeit als Psychologin in der Semmelweis Klinik stellten persönliche Schlüsselmomente dar: "Begonnen hat es mit einer Auftragsstudie für das Wissenschaftsministerium. Das hat mich schon sehr geprägt. Danach habe ich als Psychotherapeutin in der Semmelweisklinik gearbeitet, das hat sein Übriges dazu getan. Und nach einer Sitzung wieder mit einer vom Vater sexuell missbrauchten Frau dachte ich: Schluss jetzt! Es reicht! Ich muss weg von der Couch, ich muss ran an die Strukturen." (zitiert nach ebenda)

Vorkämpferin für Frauengesundheit

Frauengesundheit war zu dieser Zeit eben noch keine Selbstverständlichkeit. Im Zuge der Frauenbewegung der 1970er- und 1980er-Jahre musste Frauengesundheit erst definiert und erkämpft werden. Der männliche Körper stellt die versteckte Norm einer patriarchalen Medizin dar. Die historische Rolle des 'männlichen Blicks' der Medizin" führte unter anderem dazu, dass Frauen zu oft Medikamente verabreicht wurden (vergleiche Beate Wimmer-Puchinger, 2010, "Frauengesundheit als Spiegel sozialer Ungleichheit", in: Hilde Wolf; Margit Endler; Beate Wimmer-Puchinger, "Frauen - Gesundheit - Soziale Lage. Festschrift anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Frauengesundheitszentrums FEM Süd. Wien: Facultas. Seite 17) Frauengesundheit aber meint genau das Gegenteil: über den eigenen Körper selbst bestimmen zu können. Frauengesundheit betrifft das gesamte Leben von Frauen und umfasst alle Lebenslagen einer Frau (vergleiche die Definition von Frauengesundheit des American College of Women's Health Physicians; in: Beate Wimmer-Puchinger, 2005, "Frauengesundheit in Österreich - eine 10-Jahresperspektive"). Dabei zählen nicht nur biomedizinische oder körperliche Aspekte, sondern vor allem "biopsychosoziale" - also auch psychologische und soziale Faktoren: etwa die Rahmenbedingungen des Schwangerschaftsabbruchs, sexistische Körpernormen oder soziale Benachteiligung. Ein zentraler Aspekt ist die Berücksichtigung der Diversität von Frauen: Dementsprechend hat Wimmer-Puchinger im F.E.M. Süd eine türkischsprachige Beratung bei der Gesundenuntersuchung etabliert.

Im Zweiten Österreichischen Frauengesundheitsbericht aus dem Jahr 2005 unterstreicht Wimmer-Puchinger, dass die Mehrfachbelastung für Frauen ein Gesundheitsrisiko darstellt: Sowohl Einkommen als auch Pensionen von Frauen sind geringer als jene von Männern. Jedoch wird unbezahlte häusliche Pflege zum Großteil von Frauen übernommen. Auch die Medikamentierung von Frauen ist weiterhin bedenklich: 70 Prozent aller verschriebenen Psychopharmaka werden Frauen verabreicht. Dabei sind Frauen doppelt so häufig wie Männer von Depressionen betroffen. Aus einer Gender-Perspektive könne die gesellschaftlich tradierte Frauenrolle als Ursache gesehen werden: "Sozialisation zur passiven, abhängigen Frau; Mehrfachbelastung durch Beruf und Familie; stärkere Betroffenheit von häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch." (zitiert nach Beate Wimmer-Puchinger, 2005: "Frauengesundheit in Österreich - eine 10-Jahresperspektive") Auch das von Medien und Modeindustrie geprägte Frauenbild ist nach wie vor schädlich für die Gesundheit: So betreffen Essstörungen laut Bericht fast ausschließlich Frauen.

Auszeichnungen

Vor zwei Jahren hat Wimmer-Puchinger ihre Arbeit als Frauengesundheitsbeauftragte beendet. Für ihre Leistungen hat sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten: unter anderem das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien (2010), das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (2011) und den Frauenpreis der Stadt Wien (2016). Im einem Interview zieht Wimmer-Puchinger mit einem aussagestarken Bild und einer klaren Message eine mitunter positive Bilanz: "Sexismus ist ein drängendes Thema: Schönheits-OPs nehmen zu, junge Mädchen fühlen sich nicht mehr wohl in ihren Körpern. In diesem Punkt gehen wir auf rosafarbenen Stöckelschuhen in die Vergangenheit zurück. Man muss leider bei jeder Generation wieder bei Null beginnen. Man muss weiter wachsam sein. Aber, ja doch, es geht aufwärts. Es gibt Hoffnung." (zitiert nach wien.at: "'Gesundheit hat doch ein Geschlecht' - Interview mit der Frauengesundheitsbeauftragten Beate Wimmer-Puchinger")

Seit 2017 hat Beate Wimmer-Puchinger als Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen (BÖP) eine neue Tätigkeit aufgenommen. Auch hier bleibt ihr gesellschaftliche Aufklärungsarbeit ein Herzensanliegen.

Publikationen

  • Beate Wimmer-Puchinger. 1992. Schwangerschaft als Krise. Psychosoziale Bedingungen von Schwangerschaftskomplikationen. Wien: Springer Verlag.
  • Beate Wimmer-Puchinger. Karin Gutierrez-Lobos. Anita Riecher-Rössler. 2015. Irrsinnig weiblich - Psychische Krisen im Frauenleben, Hilfestellung für die Praxis. Wien: Springer Verlag

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