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Landtag, 26. Sitzung vom 23.11.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 19 von 68

 

Ich komme schon zum Ende, Wir müssen gerade in der Schule handeln. Wir müssen die notwendige Fürsorge, und darin besteht Demokratie letzten Endes, füreinander walten lassen, und das allerdings nicht nur in der Schule. Eine wehrhafte Demokratie braucht uns alle. Wir können unsere Demokratie nur gemeinsam schützen, und dafür braucht es vor allem jeden Tag eine wachsame und aufrechte Haltung in gemeinsamer Verantwortung. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsident Ing. Christian Meidlinger: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abg. Hungerländer, und ich erteile ihr das Wort.

 

10.40.51

Abg. Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP)|: Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren!

 

Auch ich schließe mich dem Dank an. Ich finde es wichtig und gut, dass dieses Thema in diesen Landtag behandelt wird, wenn auch leider nur in einer Aktuellen Stunde mit fünf Minuten Redezeit. Nichtsdestotrotz ist das ein wichtiges Thema, und es ist schön, dass wir hier darüber sprechen.

 

Trotzdem hat mich der Titel „Unser Glaube heißt Demokratie“ einigermaßen verwundert. Jetzt verstehe ich, worauf Sie hinaus wollen, und ich komme am Ende meiner Rede dazu. Jetzt halte ich ganz grundlegend fest: Wir haben eine Trennung von Glauben beziehungsweise Religion und Staatsform. Diese Trennung ist gut. Diese Trennung hat sich in einer jahrhundertealten Geschichte und auf Grund vieler Lehren etabliert, die wir aus dieser Geschichte gezogen haben. Und ich glaube, es ist in zweifacher Hinsicht falsch - ich komme noch einmal darauf zurück -, diesen Bezug zwischen Glauben und Staatsform wiederherzustellen.

 

Meine Damen und Herren! Demokratie ist kein Wert an sich. Wenn das so dargestellt wird, dann beweist sich die Oberflächlichkeit Ihrer säkularisierten Denkweise. Demokratie ist kein Wert an sich. Demokratie ist eine Herrschaftsorganisationsform. Demokratie ist die Art, wie Macht in einem Gemeinwesen verteilt wird, nämlich nach Mehrheitsverhältnissen unter einem Minderheitenschutz. Wir sind uns jetzt einig, dass wir in dieser Art der Machtverteilung nach Mehrheitsverhältnissen leben wollen, und wir sind uns einig, dass wir diese Art der Machtverteilung schützen wollen. Aber dazu müssen wir uns fragen: Welche Voraussetzungen braucht eine Gesellschaft, damit sie Demokratie erstens hervorbringt und zweitens langfristig halten kann? Wir fragen also nach den Voraussetzungen und nicht nach dem Ergebnis.

 

Ich schlage vor, dass wir in diesem Zusammenhang eine Analogie zum Böckenförde-Theorem herstellen. Wer sich mit Rechtsphilosophie auseinandersetzt, kennt dieses. Das ist ein sehr bekanntes Theorem, und es lautet folgendermaßen: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selber nicht garantieren kann.“ Und das Gleiche, meine Damen und Herren, gilt für die Demokratie, weil der freiheitliche, säkularisierte Staat ist ein demokratischer Staat. Und was heißt das umgesetzt? Die Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie selber nicht garantieren kann, meine Damen und Herren. Eine zulässige Analogie, weil freiheitliche, säkularisierte Staaten ebenso wie Demokratien Ergebnisse von Wertehaltungen sind und nicht Wertehaltungen an sich.

 

Was wir uns also fragen müssen, als nächste Frage: Welche Geisteshaltungen sind es also, die wir tatsächlich schützen müssen? Welche Voraussetzungen müssen wir schützen, damit wir die Demokratie bewahren können? Das ist die nächste Frage. Und auch da hat Böckenförde, er wurde nämlich darauf angesprochen in einem Interview, gesagt: „Die freiheitliche Ordnung braucht ein verbindendes Ethos, eine Art des Gemeinsinns. Die Frage ist dann: Woraus speist sich dieses verbindende Ethos? Von der gelebten Kultur. Wenn man dann weiterfragt: Worauf basiert diese gelebte Kultur? Da sind wir dann in der Tat bei Quellen wie Christentum, Aufklärung und Humanismus.“

 

Geschätzte Damen und Herren von den NEOS! Ihre Oberflächlichkeit in der Denkweise und in der Analyse reicht für eine Kampagne, nämlich die aktuelle Kampagne der NEOS. Aber sie reicht nicht, um die Grundlagen der Demokratie zu schützen. (Beifall bei der ÖVP. - Abg. Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM: Bravo!) Weil Sie verstehen müssen, dass wir Grundlagen vermitteln müssen. Und was können diese Grundlagen sein? Zu diesen Grundlagen gehört die unantastbare Menschenwürde, die bei Menschen - wie ich -, die dem katholischen Glauben anhängen, aus der Ebenbildlichkeit des Menschen Gottes entsteht. Es geht um die unantastbare Menschenwürde, wenn wir das säkularisiert ausdrücken. Wir glauben an ein Menschenbild, das auf hellenistischem, christlichem, jüdischem Boden gewachsen und durch die Aufklärung gegangen ist. Wir glauben an die Freiheit des Individuums. Wir glauben an Meinungsfreiheit und Gewissensfreiheit. Wir glauben an Minderheitenrechte, die sind in einer Demokratie sehr wichtig. Wir glauben an die Trennung von Staat und Religion. Wir glauben an einen Ausgleich in Kompromissen. Wir glauben an die Errungenschaften der europäischen Kulturgeschichte.

 

Deshalb, weil wir als Kulturgemeinschaft an all diese Voraussetzungen glauben, haben wir die Demokratie entwickelt, und weil wir hier an diese Voraussetzungen glauben, wollen wir in Demokratien leben. Das sind die Voraussetzungen und Grundlagen, die wir vermitteln müssen, anstatt einer Worthülse „Demokratie“. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Es wurde hier immer wieder das Wort „wehrhafte Demokratie“ angesprochen. Das ist ein Terminus technicus: Eine wehrhafte Demokratie hat Institutionen, die sie verteidigt, zum Beispiel den Verfassungsschutz, zum Beispiel die Möglichkeit, Demokratiefeinde zu verbieten. Die Institutionen sind aber auch nur ein Ergebnis einer Mehrheitsfindung. Eine Institution trägt sich ja nicht selbst. Die Institution ist so lange da, so lange die demokratisch gewählte Mehrheit sagt: Wir wollen, dass diese Schutzinstitutionen da sind. Das heißt also: Die einzige Möglichkeit, dass wir langfristig ein demokratisches System schützen und weitertragen, besteht darin, dessen Grundlagen zu vermitteln. Das ist die einzige Werthaltung. Das müssen wir gegen anderslautende Werthaltungen verteidigen, die irgendwann einmal in anderen Herrschaftsorganisationsformen enden würden.

 

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