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Landtag, 34. Sitzung vom 25.01.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 33 von 55

 

Der Anspruch allerdings, dass das eine Bildungsreform sein soll, wird überhaupt nicht eingehalten. Es sind 103 Seiten, ich habe mir dieses Bundesgesetz und natürlich auch unser Gesetz wirklich durchgelesen. Als Jurist hat man ja eine gewisse Lust am Lesen von Gesetzestexten, aber ich muss nach sehr vielen Gesetzestexten, die ich mir schon durchgeschaut habe, ehrlich sagen, ein derart unsympathischer Gesetzestext wie diese sogenannte Bildungsreform ist mir in fast 30 Jahren juristischer Tätigkeit noch nie untergekommen. Da wurde eine sehr eigenartige Sprache verwendet und eine Detailverliebtheit in ganz primitive Sachen, die ich Ihnen noch näher ausführen werde. Ich glaube, ich gehöre nicht zu den ganz Dummen, aber ich bin da vor Absätzen gesessen und habe mir gedacht: Wie ist das jetzt, wenn eine Schule einen Lehrer aufnehmen soll? - Das geht ping pong, hin und her. Ich habe es nach mehrmaligem Durchlesen aufgegeben. Ich habe gestern unseren Bildungsdirektor gefragt, der das ja vollziehen muss, ich mache das halt als Denksportaufgabe. Der Verfassungsgerichtshof hat auch gesagt, man soll Gesetze nicht so verfassen, dass die Ausführung einer Denksportaufgabe gleichkommt. Das hat der Bundesgesetzgeber aber zusammengebracht, es ist eine einzige Denksportaufgabe. Mir wurde dann auch gesagt, dass es die Vollziehung auch noch nicht weiß, man wartet auf Verordnungen, die es auch noch nicht gibt, die erklären sollen, wie man das überhaupt lesen soll. Mit Bildung hat das Ganze also überhaupt nichts zu tun, es ist bestenfalls eine Verwaltungsstrukturreform. Diese, das muss man sagen, ist völlig missglückt. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Warum? - Das Grundproblem ist, dass das Schulwesen zwischen Bund und Ländern auf eine sehr eigenartige Weise aufgeteilt ist, vor allem die Lehrer betreffend. Wir haben die Bundeslehrer in den höheren Schulen, wir haben die Pflichtschullehrer - gezahlt wird alles vom Bund. Die Vollziehung für die Bundeslehrer haben die Bundeschulbehörden, Landesschulräte, Wiens Stadtschulrat übernommen. Die Länder als Dienstgeber haben ihre eigenen Lehrer, vollzogen in eigenen Landesabteilungen. Wien hat das - da sage ich noch etwas dazu - Gott sei Dank nicht gemacht. Es ist natürlich ein Unding. Ich bin ein großer Föderalist, aber eigentlich hätte man schon auch die Grundproblematik lösen müssen: Wer ist der Dienstgeber der Lehrer? - Ich denke, wenn alle Lehrer vom Bund bezahlt werden, dann wäre es eigentlich naheliegend, dass es letztendlich einen Dienstgeber gibt. Die Vollziehung kann man dann natürlich auch über Landesbehörden machen, das kommt ja auch anderswo vor. - Diese Problematik hat man nicht gelöst, weil das in unserem Föderalismus nicht vorgesehen ist.

 

Unser großer Staatsrechtler, der Vater unseres Bundes-Verfassungsgesetzes, der berühmte Professor und Verfassungsrichter Hans Kelsen, würde sich im Grab umdrehen, wenn er sich diese Behördenstrukturreform zu Gemüte führen müsste. Warum? - Kelsen hat über die Problematik des Föderalismus genau Bescheid gewusst und hat gesagt: Es gibt unmittelbare Bundesvollziehung - Finanz, Polizei -, es gibt unmittelbare Landesvollziehung, und dann gibt es noch diese Mischform, die mittelbare Bundesverwaltung, bei der Landesbehörden unter Aufsicht und Weisungsbefugnis des Bundes Bundesgesetze vollziehen. Was es aber auf keinen Fall geben soll, sind gemischte Bund-Länder-Behörden, denn das kann nicht gutgehen. Ich hoffe, dass es gutgehen wird, aber das hat Kelsen damals schon erkannt, dass das nichts ist.

 

Und genau das haben wir jetzt, erstmalig eine gemischte Bund-Landes-Behörde. Zwei Gebietskörperschaften, die gemeinsam auf einen Bildungsdirektor zugreifen können, die sich ausmachen müssen, wer was intern zahlt, die bei Bestellungen im eigenen Haus mitreden. - Das ist eigentlich ein Unding.

 

Es gibt schon jetzt in der Umsetzungsphase Probleme - falls das stimmt, und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln -, nämlich dass x Sitzungen zwischen neun Bildungsdirektionen, Ländern und dem Bundesministerium stattgefunden haben. Wie schaut die E-Mail-Adresse aus? Wie schaut das Logo aus? Wie groß ist das Bundeswappen und wie groß sind und wie schauen die Landeswappen aus? - Das sind Fragen, über die sich hochbezahlte Beamte, die ein neues Schuljahr vorbereiten müssen, Gedanken machen müssen. - Wie gestalten wir die E-Mail-Adresse? Wie schauen die Logos aus und wie gestalten wir die Homepages? - All das zeigt schon jetzt in der Anfangsphase, dass da strukturell ein Hund begraben ist. Diesen würde ich begraben lassen und nicht ausgraben. Jetzt haben wir aber einmal das Gesetz so, und mit den Problemen wird unsere Schulverwaltung noch lange leben müssen.

 

Ich habe es schon mehrfach gesagt, Wien hat da wirklich ein gutes Beispiel gegeben: Wir haben nie eine eigene Landesschulabteilung gehabt, sondern die Bundesschulbehörde Stadtschulrat, die natürlich unter dem politischen Einfluss des Landes Wien gestanden hat, hat auch die Landeslehrer verwaltet. Wir hatten keine eigene Landesschulabteilung wie viele Bundesländer. Wir hätten eigentlich dieses System auf ganz Österreich aufrollen können, aber das ist natürlich bei uns nicht möglich, man hat dieses Monstrum geschaffen. Allein schon die Bestellung des Bildungsdirektors - er ist Bundessondervertragsbediensteter und wird auf Vorschlag des Landeshauptmanns im Einvernehmen mit dem Bundesminister bestellt. Dafür muss man natürlich auch eine Regelung machen: Was ist, wenn es kein Einvernehmen gibt?, und so weiter. Allein das ist eigentlich ein Wahnsinn. Schlimm ist dann, dass auf den Bildungsdirektor zwei Gebietskörperschaften zugreifen können, es gibt zwei Weisungsstränge. Na, das wird lustig werden, wenn da Weisungen gegenläufig sind, und so weiter. Man sieht also schon jetzt bei der Umstellungsphase, dass das völlig missglückt ist.

 

Und dann versuchte man, uns diese Reform als große Entpolitisierung zu verkaufen, was heute schon gesagt wurde. Ich weiß nicht, warum wir als Politiker in der Verwaltung entpolitisieren wollen. Auch das ist ja von der Verfassung vorgesehen, dass an der Spitze immer ein politisch verantwortliches Organ stehen muss. Man kann jetzt wirklich darüber diskutieren, ob die Schulverwaltung, die Direktorenbestellung, ob das heute wirklich noch so etwas Interessantes ist. Ich persönlich glaube

 

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