Landtag, 21. Sitzung vom 23.11.2017, Wörtliches Protokoll - Seite 96 von 99
Primärversorgungseinheiten nicht so funktionieren werden oder gar nicht funktionieren werden, wie man es sich vorgestellt hat. Das ist relativ klar. Wir haben im Bereich der allgemeinmedizinischen Ausbildung einen erheblichen Mangel an Kolleginnen und Kollegen, die in Ausbildung sind. Wir hätten in Wien einen Bedarf von 300 Allgemeinmedizinern, 17 sind in Ausbildung. Sie können sich unschwer vorstellen, dass sie mit diesem Angebot den Bedarf in keiner Weise decken können.
Zusätzlich - und das ist ein sehr verunglücktes Gesetz, das Ärzteausbildungsgesetz von 2015 - müssen die Kolleginnen und Kollegen in Ausbildung zur Allgemeinmedizin eine sechsmonatige Praxis in einer allgemeinmedizinischen Ordination machen, deren Finanzierung nicht gesichert ist. Das heißt, man macht jetzt als Allgemeinmediziner die Basisausbildung in einem Krankenhaus, muss dann nach einer weiteren Spitalsausbildung sechs Monate in die Praxis zu einem anderen Allgemeinmediziner und weiß nicht, ob man das bezahlt bekommt. Sie können sich vorstellen, dass es bei diesem geringen Prozentsatz an jungen Kolleginnen und Kollegen, die sich aus Idealismus oder aus anderen Gründen für Allgemeinmedizin entscheiden, ein zusätzlicher Punkt ist, dass das Desinteresse für die gesamte Gesundheitsversorgung schon bedrohlich ist. Hier ist einer der für mich unverständlichen Punkte, die ich schon unserer Landesrätin vorwerfen muss. Ich bin ja ansonsten mit meinen Vorwürfen relativ milde, aber in diesem Punkt kann ich es nicht sein. Ich verstehe es überhaupt nicht, dass diese verhältnismäßig geringen Beträge für die Praxis der Allgemeinmediziner nicht von der Gemeinde aufgebracht werden. Um Ihnen jetzt einmal die Dimensionen zu verdeutlichen, wenn Sie jetzt die Subvention von einem immer hier in diesen heiligen Hallen genannten Theater um 5 Prozent kürzen, könnten die 50 Prozent Allgemeinmedizinern diese Praxis zahlen, die jetzt gar nicht wissen, wo sie das Geld herbekommen. Damit Sie nur einmal die Dimensionen sehen und das Versäumnis, ich hoffe nicht, dass es eine Geringschätzung ist, ich hoffe, es ist ein Versäumnis, sich das zu vergegenwärtigen.
Dass es zusätzlich im Rahmen der Pensionierungswelle weiters zu einem sehr starken Abfall der Allgemeinmediziner kommen wird, sollte eigentlich schon allen bekannt sein. Ich werde es trotzdem noch ein bisschen erläutern. Es gibt vielleicht immer noch welche, die sich ihr Kinderherz bewahrt haben und glauben, dass die Pensionierungswelle nicht so kommen wird, dass wir immer in einem gewissen Ärzteüberfluss schwelgen werden, das ist nicht der Fall. Es hängt damit zusammen, dass die Pensionierungswelle in Österreich, Deutschland und auch in Spanien zehn Jahre nach der der anderen Länder kam. Das hängt damit zusammen, dass der Babyboom nach dem Zweiten Weltkrieg bei den Siegermächten sofort aufgetreten ist, bei den anderen zehn Jahre später. Das heißt, man hätte jetzt viele Jahre Zeit gehabt, sich die Mechanismen anzusehen, wie die Länder, die eine Pensionierungswelle der Ärzteschaft schon erlebt haben, wie zum Beispiel Großbritannien oder die USA, das eigentlich bewältigen. Dass wir jetzt vor dieser Situation stehen, zeigt eigentlich deutlich, dass man es nicht getan hat. Man hätte einfach nur schauen müssen, wie das die anderen Länder machen, welche Strukturen sie ändern, welche Gesetze dazukommen, um mit dieser Pensionierungswelle, die uns jetzt schicksalshaft treffen wird, umzugehen.
Das hat man nicht gemacht, sonst hätte man die Ärzteausbildungsordnung 2015 so attraktiviert, so interessant gemacht, dass sich viel mehr junge Kolleginnen und Kollegen für Allgemeinmedizin gemeldet hätten. Da man aber die Situation, dass wir eine Pensionierungswelle haben werden, die die allgemeinmedizinische Versorgung wie ein Tsunami wegfegen wird, einfach nicht gesehen hat und die Alternativen sich in anderen Ländern nicht angeschaut hat, muss ich natürlich annehmen, dass es ein gewisses Desinteresse gibt. Nicht bösen Willen, ich glaube, dass auch alle innerhalb der Regierungsparteien eigentlich gutwillig sind, aber man kann ja auch gutwillig sein und trotzdem denken und die Strategie umsetzen. Man hat also über Jahre versäumt, sich Gedanken zu machen, wie andere Länder eigentlich mit dieser Pensionierungswelle, vor allem der Allgemeinmediziner, umgehen. Das hat man nicht gemacht, weil man eine sehr törichte Ärzteausbildungsordnung 2015 umgesetzt hat, die uns jetzt auf den Kopf fällt, und hier - ich muss leider diesen Vorwurf wiederholen - kann ich es nicht verstehen, dass die Gemeinde Wien diese sechs Monate Praxis für Allgemeinmedizin finanziell nicht begleichen will.
Ich habe ja - wie Sie wissen -, da ich ja sehr lange in der Ärztekammer war, natürlich auch meine Kontakte, die ich nach wie vor pflege. Ich frage überall nach, ich höre immer, es gibt Gespräche, aber sonst nichts. Das ist ein bisschen wenig, denn wir haben dadurch jetzt nicht einmal die Allgemeinmediziner für diese Erstversorgungszentren, was ja besonders lustig ist. Da wird ein großes Gesetz mit Tamtam beschlossen, mit viel medialer Beteiligung, mit viel Aufruhr, mit viel Engagement und dann gibt es nicht einmal die Berufsgruppe, die dafür zuständig wäre. Gut, für ein paar Erstversorgungszentren.
Ein Erstversorgungszentrum ist einfach beschrieben, das ist eine Gruppenpraxis mit schlechtem Vertrag. Wenn Sie Primärversorgungszentrum hören, das ist eine Gruppenpraxis, wo die Verträge so schlecht sind, dass es keiner machen will. Es werden sich aber sicherlich ein paar für ein Primärversorgungszentrum finden, und hier kommen wir gleich zu einem sehr interessanten neuen § 6b. Da können auf einmal wieder die Krankenversicherer als Gesellschafter auftreten, das heißt, man kann machen, was man will, die Krankenkassen wird man im Bereich der Allgemeinmedizin einfach nicht los. (Beifall bei der FPÖ.)
Die Krankenkassen, das ist ein Bereich der Einflussnahme auf der zweiten, dritten, vierten Ebene, die sich eigentlich schon als sehr autistisches Konstrukt innerhalb Österreichs und auch innerhalb Wiens dargestellt haben. Ein Beispiel, wie eigentlich abgekoppelt sich vor allem die Gebietskrankenkasse schon innerhalb der Gesundheitsversorgung darstellt, sind die Finanztransfers zwi
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