Landtag, 37. Sitzung vom 28.01.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 22
(Beginn um 9 Uhr)
Präsident Prof Harry Kopietz: Einen schönen guten Morgen!
Die 37. Sitzung des Wiener Landtages ist eröffnet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Abgeordnete, gestern, am 27. Jänner 2015, hat sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 70. Mal gejährt. Am 27. Jänner 1945 befreiten Soldaten der Roten Armee dort knapp 8 000 überlebende Gefangene. Für viele der wenigen, die in Auschwitz befreit wurden, kam jede Hilfe zu spät. Sie starben an den Folgen von Erschöpfung, Hunger oder Krankheit. Viele Überlebende blieben bis an ihr Lebensende gebrochene Menschen. Auschwitz war das größte NS-Vernichtungslager. Mindestens 1,1 Million Menschen wurden hier während des Zweiten Weltkrieges ermordet, größtenteils Juden. Wie viele es wirklich waren, kann auch heute, mehr als 70 Jahre danach, nicht exakt gesagt werden, weil es keine Aufzeichnungen mehr gibt. Viele Menschen wurden noch am Tag ihrer Ankunft ermordet und gar nicht registriert. Auschwitz steht seither, wie kein anderes Lager, für die Verbrechen des NS-Regimes und wurde als Todesfabrik Symbol für Mord an den europäischen Juden. Es war ein Zivilisationsbruch, dass die Entfesselung totaler Gewalt in jeder zivilisierten und aufgeklärten Gesellschaft möglich ist. Heute gilt als gesichert, dass mehr als 6 Millionen Juden, Sinti, Roma und politische Häftlinge während der NS-Zeit ermordet wurden.
Auch Mitglieder unseres Gemeinderates und Wiener BundesrätInnen wurden in Konzentrationslagern ermordet. Eine Gedenktafel beim Eingang zum Sitzungssaal erinnert an jene Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, die ermordet wurden, allesamt Sozialisten: Ammon Therese, 1944 ermordet im KZ Theresienstadt, Bekes Aladar, 1942 ermordet im KZ Theresienstadt, Bermann Julius, 1943 ermordet im KZ Theresienstadt, Danneberg Robert, 1942 ermordet im KZ Auschwitz, Otto Felix Kanitz, 1940 ermordet im KZ Buchenwald, Knapp Karl, 1944 ermordet im KZ Dachau, Pokorny Johann, 1940 starb er an den Folgen der KZ-Haft, Reismann Edmund, 1942 ermordet im KZ Auschwitz, Stein Viktor, 1940 ermordet im KZ Sachsenhausen, Mitglieder und Bundesräte Wiens.
Eine der erschütternden Lehren von Auschwitz ist, Moral und Werte sind nicht absolut und leider ist die Würde des Menschen antastbar. Die beste Versicherung gegen Totalitarismus, Faschismus und Nationalsozialismus ist und bleibt die lebendige Erinnerung an die Geschichte und die aktive Auseinandersetzung mit ihr.
Zwar war Auschwitz das größte Konzentrationslager, jedoch längst nicht das einzige. Mit dem Erwerb von Liegenschaften und Pachtung von Steinbrüchen, die im Besitz der Stadt Wien waren, schuf die SS-Firma Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH im April und Mai 1938 die Voraussetzungen für die Errichtung des Konzentrationslagers Mauthausen. Neben dem Stammlager Mauthausen gründeten die nationalsozialistischen SS-Institutionen im Verlauf des Zweiten Weltkrieges eine große Zahl von Nebenlagern, die ab 1943 die Bezeichnung „Arbeitslager der Waffen-SS“ führten. Innerhalb der heutigen Grenzen Wiens entstanden Nebenlager in Simmering, in Hietzing, in Floridsdorf. In diesen Nebenlagern mussten KZ-Häftlinge vor allem Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie leisten und wurden im April 1945 von der SS zu Evakuierungsmärschen nach Mauthausen gezwungen. Außerdem errichteten die Nationalsozialisten in Wien 1941 Sammellager für jüdische Bürger in der Leopoldstadt, die von hier aus in die Ghettos und NS-Vernichtungslager deportiert wurden. Am 7. Juni 1944 forderte der Wiener NS-Bürgermeister Hanns Blaschke vom Chef des Sicherheitsdienstes der SS, Ernst Kaltenbrunner, ungarische Juden für Frondienste in Wiener kriegswichtigen Betrieben an. In zahlreichen Wiener Bezirken entstanden daraufhin bis 1945 zirka 50 Lager für ungarische Juden.
Meine Damen und Herren, wir haben die Verpflichtung, wachsam zu bleiben und autoritären Tendenzen entschlossen entgegenzutreten. Denn gerade in Zeiten der Krise erhöht sich die Gefahr, dass Ressentiments gegen Minderheiten, Intoleranz, Rassismus und Antisemitismus auf fruchtbaren Boden fallen. Mehr als erschreckend ist, dass 70 Jahre nach dem Ende des Holocaust die Judenfeindlichkeit wieder wächst und Juden in Europa erneut in Angst leben.
Ich möchte unser heutiges Gedenken mit einem Bericht aus dem heutigen „Kurier“ beenden, in dem ein Überlebender des Konzentrationslagers Auschwitz, Roman Kent, gestern bei der Gedenkfeier in Auschwitz schilderte. Da sind so viele Dinge, die Roman Kent einfach nicht vergessen kann, den Geruch von menschlichem Fleisch, wenn es brennt oder das Geschrei der Kinder, wenn sie von ihren Eltern für immer getrennt werden. Er verlangt: „Sich an das Morden zu erinnern, ist nicht genug. Man muss als Überlebender das Verständnis für die Tragödie schaffen.“ Sein Appell lautet: „Wir Überlebenden wollen, dass die neuen Generationen Toleranz und Menschenrechte lernen und weitergeben. Ihr müsst euch gegen Rassismus und Antisemitismus mit aller Kraft wehren.“ Dann gibt er den Zuhörenden vor dem Tor der Hölle noch einen einfachen Rat mit: „Hass ist immer im Unrecht und Liebe ist nie falsch.“
Meine Damen und Herren, ich ersuche Sie, sich von den Sitzen zu erheben und eine Minute der Opfer des Nationalsozialismus und aller Opfer des Terrorismus zu gedenken. (Alle im Saal anwesenden Personen erheben sich von den Sitzen und halten eine Gedenkminute ab.) - Ich danke.
Entschuldigt sind Abg Mag Ebinger, Abg Kops, Abg Mag Kowarik, Abg Martina Ludwig-Faymann, Abg Teiber, Abg Prof Dr Vitouch, Abg Mag Werner-Lobo.
Wir kommen damit zur Fragestunde.
Die 1. Anfrage (FSP - 00139-2015/0001 - KFP/LM) wurde von Herrn Abg Seidl gestellt und ist an die Frau amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Integration, Frauenfragen, KonsumentInnenschutz und Personal gerichtet. (Obwohl die Straßenprostitution im Wohngebiet z B im Stuwerviertel explizit verboten ist, blüht diese in den Sommermonaten aber auch jetzt wie eh und je. Wieviele Prostituierte wurden 2014 angezeigt, weil sie im Wohngebiet ihre Dienste angeboten haben?)
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