Landtag,
10. Sitzung vom 25.09.2002, Wörtliches Protokoll - Seite 14 von 32
eine Petition im
Parlament eingebracht haben, welche auch im Petitionsausschuss behandelt wurde,
wo beschlossen wurde, dass die UNESCO gebeten wird, eine Stellungnahme abzugeben.
Aber auch die Stadt Wien wurde gebeten, eine Stellungnahme in besagter Causa
abzugeben.
Und anhand
dieses Schreibens mussten wir dann feststellen, dass die Stadt Wien nicht nur
einmal, sondern mehrmals wissentlich nicht die Wahrheit gesagt hat, mehrmals
offensichtlich wissentlich die UNESCO nicht korrekt und richtig informiert hat;
dies noch dazu mittels Angaben dahin gehend, dass ein Flächenwidmungs- und
Bebauungsplan erst im Februar 2002 beschlossen worden sein soll, obwohl dieser
für das Projekt Bahnhof Wien-Mitte schon längst, nämlich am 4. Mai 2000, beschlossen
wurde.
Ich werde das,
was die UNESCO diesbezüglich in diesem Brief mitteilt, auch hier etwas
eingehender darstellen, weil ich das wirklich für einen Skandal erachte.
Die Stadt Wien
hat vor einiger Zeit um Aufnahme der Wiener Inneren Stadt in das
Weltkulturerbe, in die Welterbeliste angesucht und hat damals beiläufig erwähnt:
Nun ja, es ist so, dass wir zwar noch einige Projekte vorhaben, aber die stehen
alle noch nicht fest, die sind alle noch nicht konkret; darüber gibt es noch
keine Beschlüsse, dazu liegt noch nichts am Tisch, da befindet sich alles noch
im Fluss der Diskussion.
Im Februar
2001 fand dann eine erste Besichtigung vor Ort statt, bei der sich Vertreter
von ICOMOS zusammen mit Vertretern der Stadt Wien die Innere Stadt angesehen
haben, ebenso wie die Planungsprojekte, die es gibt - wobei aber der
Bahnhofsbereich beziehungsweise das Projekt Wien-Mitte nicht einmal erwähnt worden
ist. Das kam gar nicht vor! Das wurde also den Besuchern, nämlich den Vertretern
von ICOMOS, quasi gar nicht auf den Tisch gelegt.
Erst durch
Informationen der Wiener Freiheitlichen und durch Informationen der
Bürgerinitiative wurde dann der Präsident von ICOMOS, Herr Petzet, davon in
Kenntnis gesetzt, dass hier ein Projekt vor der Tür steht, im Rahmen dessen
laut Planung Türme mit einer Höhe von 97 Metern vorgesehen sind. Auf Grund
dieser Information hat er dann schwere Bedenken gehabt, was die
Beeinträchtigung des Wiener Stadtbilds betrifft. Es kam dann in der Folge der
finnische ICOMOS-Experte, Jukka Jokilehto, im November 2001 zu einer weiteren
Besichtigung nach Wien, um auch mit den Stadtverantwortlichen zu sprechen.
Bis zu diesem
Zeitpunkt wurde den Herrschaften nicht mitgeteilt, dass der Flächenwidmungs-
und Bebauungsplan Wien-Mitte längst beschlossene Sache war. Man hat nach wie
vor so getan, als wäre noch kein Beschluss da, als würde sich noch alles in
Diskussion befinden und noch nichts feststehen.
Im Dezember
2001 fand dann in Helsinki eine Sitzung statt, bei der auch über den
Aufnahmeantrag der Stadt Wien entschieden wurde, und zwar dahin gehend, dass
wir in die Welterbeliste aufgenommen wurden - wobei aber die Vertreter von
ICOMOS sowie der UNESCO bis zu diesem Zeitpunkt auf Grund der Fehlinformation
nicht wussten, dass das Projekt Wien-Mitte von Ihrer Seite schon lange
festgeschrieben war und dass es gar nicht mehr die Möglichkeit gab, daran irgendetwas
zu verändern. Aber die ICOMOS hat damals auch klar und deutlich die Empfehlung
ausgesprochen, die Höhe der Türme sowie das Gesamtvolumen zu überprüfen, um zu
verhindern, dass die visuelle Integrität der Innenstadt beeinträchtigt wird.
Dies erfolgte unter der Vorgabe der Informationen der Stadt Wien, dass noch
nichts entschieden sei, dass noch keine Rechtssicherheit vorliege und dass Sie
noch keine Entscheidung getroffen haben.
Es gab dann im
März 2002 ein Antwortschreiben, in dem die Stadt Wien das
Weltkulturerbe-Zentrum der UNESCO über die Höhenentwicklung informierte, nämlich
dahin gehend, dass die Türme 87 bis 97 Meter hoch werden sollen und dass
das ja ohnehin eine Reduktion gegenüber der ursprünglich geplanten Höhe von
120 Metern darstelle, die damit wesentlich unterschritten werde. Von
dieser allerdings hatte die UNESCO vorher nichts gehört; sie war nie darüber
informiert worden.
Man hat dann
bei der Sitzung in Budapest im Juni 2002 - und das ist eigentlich der Gipfel
der Unverfrorenheit - auch noch mitgeteilt, dass der Flächenwidmungs- und
Bebauungsplan Wien-Mitte im Frühjahr 2002 beschlossen wurde.
Jetzt frage
ich mich wirklich: Wer hat hier Regie geführt, als man mit Nichtinformation
beziehungsweise fehlender Information an die Vertreter von UNESCO und ICOMOS
herangetreten ist und wissentlich die Unwahrheit gesagt hat, um sich offensichtlich
auf der einen Seite das Weltkulturerbe zu erschleichen, weil man ja auf der
anderen Seite etwas ganz anderes vorgehabt hat, nämlich überhaupt nicht den
Schutz des Stadtbilds der Wiener Innenstadt, sondern eben das Durchpeitschen dieses
Projekts Wien-Mitte?
Sie pfeifen
sich offensichtlich wirklich nichts um das Wiener Stadtbild und den Schutz der
Wiener Stadt! Kleine Bürger, kleine Häuslbauer karnifelt man tagtäglich; wenn
aber Sie ein Projekt durchziehen wollen - ein Projekt, das offensichtlich für
irgendjemanden ein Denkmal werden soll, wobei wahrscheinlich bei den
4 Milliarden, die hier an Bauausgaben anfallen werden, irgendjemand auch
ein gutes Geschäft machen wird -, dann ist man so großzügig, dass man auf die
Bürger gänzlich vergisst, dass man die Rechte der Bürger mit Füßen tritt, dass
die Bürger zum Verwaltungsgerichtshof laufen müssen, weil ihre Rechte nicht
eingehalten werden, dass sie bis zum Verfassungsgerichtshof laufen müssen. So
ist das auch jetzt, seit dem 2. September, der Fall: Auch jetzt sind die
Bürger mit einer Eingabe an den Verfassungsgerichtshof herangetreten, um ihre
Rechte einzuklagen. Aber wenn es darum geht, dass die Bürger ihre Rechte
erhalten, dann rühren Sie kein Ohrwaschl.
Da ist Ihnen auch das
Weltkulturerbe völlig gleichgültig. Da riskieren Sie mit Ihrer Vorgangsweise,
dass wir, obwohl wir das Prädikat schon zugesprochen bekommen haben, dieses nie
verliehen bekommen. Wahrscheinlich
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