Gemeinderat, 35. Sitzung vom 23.02.2023, Wörtliches Protokoll - Seite 30 von 64
Der Aufschrei letzte Woche war laut. Ich finde, er war auch sehr gerechtfertigt. Kocher hat dann zurückgerudert und gemeint, er nimmt ja die Frauen aus, die von Betreuungspflichten betroffen sind. Die Frage ist nur: Wer bleibt denn dann eigentlich noch über, wenn er die Frauen ausnimmt? Wenn er von den jungen Menschen spricht, die vielleicht am Beginn ihres Berufslebens sagen: Ich möchte kürzer arbeiten, ich möchte mich auch gleichberechtigt um Sorgearbeit kümmern, und wenn er davon spricht, dass das Arbeiten in Teilzeit für diese jungen Menschen durch die Streichung von noch zu findenden Sozialleistungen - denn die meisten Sozialleistungen und Familienleistungen sind ja auch an die Höhe des Erwerbseinkommens gebunden - unattraktiver werden soll, dann kann ich nur sagen, dass ich diesen Vorschlag für wenig zukunftsorientiert halte.
Ich glaube, das ist ein Vorschlag, der ganz stark von einem sehr alten Denken geprägt ist. Ich glaube nämlich, dass diese jungen Menschen in Wirklichkeit etwas verstanden haben: Sie haben verstanden, dass Arbeit mehr ist als Erwerbsarbeit. Sie haben verstanden, dass es gerade zwischen den Geschlechtern um eine gerechte Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit geht.
Gut, wenn die nächste Generation auch erkannt hat, dass es, wenn man sagt: Ich habe eigentlich keine Zeit mehr, in selten Fällen ein individuelles Thema ist, sondern in Wirklichkeit ein sehr politisches Thema ist. Wir sollten Teilzeit - nämlich verstanden als eine kurze Vollzeit in Wirklichkeit - als Auftakt verwenden, um endlich eine große, breite Debatte über das Thema Arbeitszeitverkürzung zu führen. (Beifall bei den GRÜNEN und von GR Mag. Josef Taucher.)
Oft wird das Thema Arbeitszeitverkürzung jetzt weggewischt oder ausgespielt. Man sagt: Weil wir so viele offene Stellen haben und in Wirklichkeit händeringend Fachkräfte suchen, ist das derzeit kein Thema mehr. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Ich glaube, wenn wir endlich eine Arbeitszeitverkürzung umsetzen würden, dann würden mehr Menschen in den Job einsteigen. Das Festhalten an dieser jahrzehntelangen 40-Stunden-Vollzeitnorm ist meiner Meinung nach schon lange nicht mehr zeitgerecht. Wichtig ist vielmehr ein Zugang, bei dem Arbeit breiter gedacht wird, bei dem nach Möglichkeiten gesucht wird, dass die notwendige Arbeit, die notwendige Sorgearbeit - sei sie nun bezahlt oder unbezahlt -, fairer verteilt und auch besser abgesichert wird.
Zum Thema Arbeitszeitverkürzung würde ich Sie gerne auf etwas aufmerksam machen - in den Medien ist das ein bisschen untergegangen, ich finde das schade -: In Großbritannien wurde gerade die größte Studie veröffentlicht, an der über 60 Unternehmen teilgenommen haben. Die Versuchsanordnung, die Studienanordnung, war denkbar einfach: 60 Unternehmen haben sich einfach dazu entschlossen, die 32-Stunden-Woche an 4 Tagen in der Woche einzuführen. Das Ganze wurde untersucht, und die Ergebnisse sind eigentlich offensichtlich und sprechen für sich: Die Arbeitszufriedenheit steigt, die Lebenszufriedenheit steigt, die Produktivität steigt und die Krankenstände sinken. Insofern ist es meiner Meinung nach höchste Zeit. Genau das wünsche ich mir für Wien: Nehmen wir doch 60 Unternehmen - es wäre schön, wenn alle Unternehmen der Wien Holding Teil dieser großangelegten Studie wären - und führen wir die 32-Stunden-Woche an 4 Tagen ein! Lassen wir das doch wissenschaftlich begleiten und sprechen wir mit den Menschen, wie es ihnen danach geht! Das wäre eine wirkliche mutige Zukunftsansage im Bereich der Arbeit. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Wir müssen die Sorgearbeit aber auch besser absichern, sei es durch höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in den Bereichen, wo Sorgearbeit jetzt schon bezahlt wird: in der Pflege und im Gesundheitsbereich. Wir brauchen aber auch eine bessere soziale Absicherung und gute Rahmenbedingungen jeweils dort, wo Sorgearbeit unbezahlt ist. Ich finde es gut, dass sich der WAFF in einigen dieser Bereiche schon jetzt aktiv einsetzt und diesbezüglich im Programm für 2023 aus unserer Sicht auch einige gute Schwerpunkte gesetzt werden. Daher stimmen wir der finanziellen Dotierung des WAFF für 2023 auch sehr gerne zu. - Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Als nächste Rednerin ist Frau GRin Kriz-Zwittkovits zu Wort gemeldet. Sie sind am Wort.
GRin Margarete Kriz-Zwittkovits (ÖVP): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren, hier im Saal und via Livestream zugeschaltet!
Es geht um die Nachdotierung einer Summe für den WAFF. Es geht insgesamt um 45,9 Millionen EUR, die dem WAFF für das Jahr 2023 zur Verfügung gestellt werden sollen. Vorab sage ich gleich: Wir werden dem Poststück zustimmen, da jede Maßnahme, die der Qualifikation und der Arbeitskräfte- und Fachkräftesicherung dient, für den Wirtschaftsstandort Wien natürlich begrüßenswert und wichtig ist.
Sieht man die Entwicklung des WAFF, so kann man beobachten, dass die Summen, die dort zur Verfügung gestellt wurden, auch ständig steigen. Im Vergleich zu 2020, als 30,9 Millionen EUR zur Verfügung gestellt wurden, haben wir nun für 2023 45,9 Millionen EUR. Das ist also eine Anhebung von 50 Prozent, in Summe sind es 15 Millionen EUR. Da stellt sich die Frage: Wie werden diese Mittel konkret eingesetzt? Kollege Konrad hat hier auch schon ausführlich berichtet, dass es um Weiterqualifikation, um Fachkräftesicherung, um die Jugend, um Frauen und um 50plus-Personen geht, für die diese Mittel zur Nachschulung und zur weiteren Qualifizierung entsprechend zur Verfügung gestellt werden.
Es stellt sich aber nun auch in weiterer Folge die Frage: Wie sieht der Arbeitsmarkt aus? Sind diese Mittel effizient genug? Werden sie auch entsprechend eingesetzt? Trotz sinkender Arbeitslosenzahlen muss man doch festhalten, dass wir in Wien eine 2-stellige Arbeitslosenrate haben, nämlich 2022 bei 10,5 Prozent liegend. Im Österreich-Vergleich ist das also doch eine gewaltige Summe, da wir Österreich-weit eine Arbeitslosenrate von 6,3 Prozent haben. Man kann also durchaus sagen: Wien ist ein Arbeitslosen-Hot-Spot. Das können wir anhand der Zahlen festhalten. Über Jahrzehnte betrachtet war das
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