Gemeinderat, 24. Sitzung vom 22.06.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 68 von 126
der Uni Wien. Recht herzlich willkommen im Wiener Gemeinderat! (Allgemeiner Beifall.)
Wir kommen nun zu dem Verlangen, dass die von GR Dr. Wölbitsch-Milan, GR Mag. Juraczka, GR Grießler, GR Gstöttner, GRin Kriz-Zwittkovits und GRin Mag. Hungerländer eingebrachte, an den Herrn Bürgermeister gerichtete Dringliche Anfrage betreffend „drohende Verteuerung der Lebenshaltungs- und Energiekosten durch die Stadt Wien“ vom Fragesteller mündlich begründet werde und hierauf eine Debatte über den Gegenstand stattfinde.
Da auf die Verlesung verzichtet wird, kommen wir gleich zur Begründung der Dringlichen Anfrage. Hier sieht die Geschäftsordnung gemäß § 37 Abs. 1 eine Redezeit von 20 Minuten vor. Ich darf den Begründer, GR Mag. Juraczka, um die Begründung bitten.
GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir haben uns in der Tat dazu entschieden, heute eine Dringliche Anfrage an Sie, werter Herr Bürgermeister, zu richten, weil wir glauben, dass die derzeitige Teuerung auf Lebenshaltungskosten im Allgemeinen und auf Energiekosten im Speziellen und in weiterer Folge die immens hohe Erhöhung der Energiepreise beim stadteigenen Energieversorger Wien Energie ein ganz wesentliches Element der Politik in dieser Stadt darstellen und den Menschen wirklich unter den Nägeln brennen.
Wir haben sehr oft ein Phänomen, dass wir hier Dinge sehr intensiv diskutieren und die Menschen draußen vor Ort oftmals gar nicht so mitbekommen, was die Politik gerade für Themen erörtert. Hier ist das anders. Die Menschen draußen, vor allem die ärmeren Schichten, die Menschen, die nicht so viel zum Leben haben, sind derzeit ganz massiv gebeutelt und harren einer Lösung, die auch von der Politik zu kommen hat.
Österreich ist aber nicht allein, ganz Europa, die ganze Welt kämpft mit einer Inflation, wie wir sie mittlerweile seit 45, 50 Jahren nicht mehr erlebt haben. Wir haben im April eine Teuerung von 7,2 Prozent, im Mai 8 Prozent, und das sind die höchsten Werte seit 1975. Viele von Ihnen, viele von uns waren zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht auf der Welt, heute haben wir dieses Problem wieder unmittelbar vor uns liegen.
Und die Inflation - das wurde heute schon mehrfach angesprochen, auch zuletzt bei einer Aktuellen Stunde - hat durchaus mehrere Gründe, nicht nur, wie man meinen könnte, den Konflikt, den Krieg in der Ukraine. Ja, das ist ein Problem. Ein zweites ist beispielsweise die Zero-Covid-Politik Chinas mit gewaltigem Rückstau in den großen Häfen und den damit verbundenen Auswirkungen auf internationale Lieferketten. Ein weiteres Thema sind natürlich auch steuerliche Belastungen, indirekte Steuern auf Produkte, die natürlich eine zusätzliche preistreibende Folge haben, aber ganz wesentlich - und das ist mir auch eine spezielle Erwähnung wert - ist natürlich auch das Problem, dass Zinssätze durch die Nationalbanken oder Zentralbanken, die EZB beispielsweise, gar nicht erhöht werden können, weil Hochschuldnerländer wie Italien, wie Griechenland dadurch zu massiven Problemen kommen würden. (StR Dominik Nepp, MA: Das habt ja ihr beschlossen!) Und das zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, dass Stabilitätskriterien als Schutzmechanismus für diese gemeinsame Währung auch wirklich eingehalten werden. (GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Was hat die Schweiz besser gemacht?)
Der nächste Punkt: Wir haben, vielleicht sogar schon seit der Finanzkrise 2008/9, aber spätestens mit der Corona-Krise, einfach zu viel Geld im Umlauf, meine Damen und Herren. Der Geldumlauf ist dramatisch ausgeweitet. Das ist nicht zuletzt auch an den Bilanzsummen der Notenbanken schön ablesbar, denn wenn beispielsweise die amerikanische Fed Staatsanleihen kauft, erhöht das im gleichen Umfang die Bilanzsumme. Und wir sehen hier, wie viel Geld im Umlauf ist, etwas, was - das lernt man ja relativ bald schon in VWL - natürlich inflationssteigernd ist.
Nicht nur, aber auch die Politik ist jetzt gefordert, zu reagieren, weil gerade Menschen mit niedrigen Einkommen vor existenziellen Bedrohungen stehen. Was kann man denn jetzt tun? Da gibt es je nach Denkschule ganz unterschiedliche Varianten, aber drei Gruppen, wie man reagieren kann. Ich bin überzeugt davon, dass die beste und wichtigste Reaktion der Politik das Entlasten ist, die Hände einfach auf den Taschen der Steuerzahler rauszunehmen: Steuern runter, Abgaben runter, Gebühren runter! Der Bund macht das (StR Dominik Nepp, MA: Na ja!), und Wien glänzt leider nicht damit, ganz im Gegenteil. Ich werde nachher noch dazu kommen, aber das Valorisierungsgesetz wird durchgepeitscht, die Erhöhungen müssen sein. (Beifall bei der ÖVP.)
Die zweite Möglichkeit, wie man reagieren kann, die ich schon nicht ganz so großartig finde, sind Förderungen, Boni, Einmalzahlungen. All das hilft natürlich, aber es ist auch wichtig, sehr vorsichtig damit umzugehen, weil das natürlich die Inflation noch einmal weiter befeuern kann. Es ist, wenn Sie so wollen, die zweitbeste Methode. Auch hier wird durchaus vorsichtig im Bund etwas getan und ein ganz, ganz klein wenig von Wien.
Und es gibt die dritte Möglichkeit, das Reglementieren, Obergrenzen, staatliche Preisbildungen. Diese Vorschläge kommen immer wieder, nur sieht man ja, wozu sie führen, zur Verknappung, zur sinkenden Versorgungssicherheit, ja, bis hin zur Rationierung. Ich bin ja beispielsweise überrascht, wenn ich mir ansehe, wie die SPÖ auf Bundesebene reagiert, wo die SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner permanent eine Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auf Energiekosten fordert. Ich verstehe es nicht. Schaut die gute Frau Klubobfrau Rendi-Wagner nicht nach Deutschland, wo man genau das von der linken Ampelkoalition probiert hat, nämlich Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auf Benzin- und Dieselpreise, und es wirkungslos verpufft ist? (StR Dominik Nepp, MA: Weil die Konzerne alles einstreifen!) Drei Wochen nach dieser Reduzierung waren die Preise höher als davor. Es hat überhaupt nichts gebracht. (GR Maximilian Krauss, MA: Kroatien hat heute eine Preisobergrenze eingeführt! Heute!) Kollegin Rendi-Wagner fordert das frohlockend in Wien und in Österreich weiter.
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