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Gemeinderat, 21. Sitzung vom 30.03.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 94

 

Im Gegensatz dazu möchte ich mich bei allen vier anderen Parteien für unser gemeinsames gutes Tun in Form unseres gemeinsamen Antrags bedanken und dafür meinen herzlichen Dank aussprechen. Meine Gedanken sind in diesen Tagen bei den Menschen in der Ukraine und bei jenen Menschen, die in Russland gegen diesen Krieg aufstehen, denn sie sind die Heldinnen und Helden der Freiheit. - Vielen Dank.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich GR Mag. Kowarik zum Wort gemeldet. Bitte.

 

13.08.15

GR Mag. Dietbert Kowarik (FPÖ)|: Mein Vorredner hat gemeint, dass die immerwährende Neutralität, wie sie jetzt ausgelebt wird, bereits im Bundes-Verfassungsgesetz vom 26.10.1955 über die Neutralität Österreichs determiniert war. Das ist falsch.

 

Vor dem EU-Beitritt war der Inhalt der Neutralität sich aus dem Völkerrecht ergebend. Ich zitiere aus Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht, 12. Auflage, Wien, 2019: „Der Inhalt der Neutralität ergibt sich aus dem Völkerrecht. Er impliziert insbesondere im Kriegsfall die Nichtteilnahme am Krieg oder an einem diesem gleichzusetzenden bewaffneten Konflikt und ein unparteiisches Verhalten gegenüber den Kriegsparteien, siehe insbesondere das V. und das XIII. Haager Abkommen von 1907, im Frieden keine Teilnahme an politischen, militärischen und wirtschaftlichen Bündnissen und keine Übernahme sonstiger Bedingungen und Verpflichtungen, die die Verpflichtungen eines neutralen Staates im Kriegsfall beeinträchtigen könnten‚ sekundäre Pflichten oder Vorwirkungen.“

 

Das heißt, unsere Neutralität hat sich selbstverständlich geändert, spätestens mit dem EU-Beitritt. - Danke.

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist GRin Mag. Aslan. Ich erteile es ihr.

 

13.09.52

GRin Mag. Aygül Berivan Aslan (GRÜNE)|: Ja, Krieg, Leid und Elend stehen wieder einmal auf unserer Tagesordnung. Wir haben noch nicht einmal die humanitäre Krise im Irak, in Syrien und in Afghanistan verarbeitet, und schon ist eine neue dazugekommen.

 

Diesmal nicht so weit weg, sondern direkt neben uns. Allein der Gedanke, dass direkt neben uns Lebensräume bombardiert werden, Menschen ihre letzten Lebensmomente erleben, Kinder in einer Sekunde ihre Eltern verlieren, Mütter mit ihren Kindern weinend fliehen, Väter, Brüder jede Minute auf dem Schlachtfeld auf den Tod warten, Mütter, Schwestern auf der Flucht sind und immer mehr Opfer von sexualisierter Gewalt werden - und das alles direkt neben uns, und das alles in einer Zeit, in der die Kriegsgeneration fast ausgestorben ist!

 

Was es jetzt braucht, ist nicht nur die Debatte über das Neutralitätsverständnis zwischen FPÖ und allen anderen Parteien. Was es jetzt braucht, ist eine gemeinsame, effektive Friedenspolitik statt der Förderung von Rüstungskonzernen, statt Hetze und Hass gegen Geflüchtete, statt Differenzierung zwischen Geflüchteten.

 

Was es jetzt braucht, ist eine parteiübergreifende menschenwürdige Politik - statt hier aufzuzählen, wer zu den guten und wer zu den schlechten Flüchtlingen zählt. Jetzt gilt es, die demokratischen Kräfte auch in Russland zu unterstützen, statt kriegstreibende Despoten weltweit zu dulden.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die außenpolitischen Fehlentwicklungen werden nicht von alleine beseitigt. Durch Wegschauen und Duldung lösen sich die Krisen nicht auf. Der Frieden kommt auch nicht von alleine. Gerade Länder wie Russland oder Türkei wurden immer wieder von der Europäischen Menschenrechtskommission verurteilt. Jedes Mal wurden diese höchstgerichtlichen Entscheidungen von den Präsidenten Putin und Erdogan ignoriert. Als wir Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler politische Konsequenzen forderten, hörten wir ständig: Es geht doch nicht, denn wir brauchen gute politische, diplomatische Beziehungen! Es geht doch nicht, denn wir müssen uns ja an unsere Neutralität halten! - Während despotische Kriegstreiber in Wien auf roten Teppichen hofiert wurden oder auf Hochzeiten tanzten, verübten sie gleichzeitig völkerrechtswidrige Anschläge. Und das war nicht irgendeine andere Partei, die das gefördert hat, sondern das war unter der Führung, unter der Leitung der FPÖ, die damals auch das Außenministerium besetzt hatte - Stichwort Karin Kneissl, die gute diplomatische Beziehungen als diplomatischen Kniefall verstanden hat - und damit meine ich nicht nur den physischen Kniefall, den sie leider auch gemacht hat.

 

So nicht! Wollen Sie wirklich mit uns so eine Neutralitätsdebatte führen? Wollen Sie wirklich mit uns so eine außenpolitische Diskussion führen? - Nein, nicht auf Kosten der Menschenrechte! Und schon gar nicht auf Kosten der Menschenwürde! Und schon gar nicht auf Kosten eines friedlichen Zusammenlebens! Denn gute diplomatische Beziehungen und gelebte Neutralität, Herr Kollege Kowarik, bedeuten verantwortungsbewusste und effektive Friedenspolitik, bedeuten Intervenieren, wenn die Demokratie, die Menschenrechte, die Pressefreiheit oder die Rechtsstaatlichkeit komplett ausgehöhlt werden. Gelebte Neutralität bedeutet nicht, wegzuschauen, zu ignorieren und teilnahmslos zu sein, sondern mutig aufzustehen, damit diese menschenverachtenden Regime nicht noch mehr Menschenleben kosten und nicht noch mehr Krisen kosten.

 

Denn vergessen wir nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen: Dieser Krieg ist nicht Russlands Krieg, dieser Krieg ist Putin‘s Krieg - und Putin ist nicht Russland. Die russische Bevölkerung verdient genauso wie die ukrainische Bevölkerung ein menschenwürdiges Leben in einer gelebten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

 

Wir alle haben schon 100 Mal gehört, dass dieser Angriff nicht nur einer auf die Ukraine ist, sondern auch auf unsere Menschenwürde, auch auf unsere demokratischen Werte. Es ist gleichzeitig auch ein Angriff auf unsere Freiheiten, für die wir jahrzehntelang gekämpft haben. Jeder Krieg und jede Krise außerhalb von unseren Grenzen haben auch Folgen für Österreich, darüber sind wir uns alle einig. Umso mehr müssen wir in Krisenzeiten als Mandatarinnen und Mandatare schnell handeln können, um hier Krisenmanagement und Friedensförderung zu ermöglichen. Dafür sind wir - zumindest viele, die hier sitzen - gewählt worden. Ein derartiges

 

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