Gemeinderat, 1. Sitzung vom 24.11.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 59
habe einen Blick auf diese Dinge, wir haben alle unsere Stimmen geliehen bekommen. Wir sind angetreten, um für Veränderung zu kämpfen gegen dieses aufgeblähte System. Das sind geliehene Stimmen, das kann sich auch wieder ändern.
Darum appelliere ich auch an die GRÜNEN: Raus auch aus der Gekränktheit! Ich habe gelesen, dass Sie sagen, na ja, das sind jetzt Stimmen bei der SPÖ, die sind ja nur geliehen. - Es sind alle Stimmen immer nur geliehen! Ich glaube, wir müssen uns hier Jahr für Jahr, Tag für Tag die Stimmen das nächste Mal wieder verdienen. Das ist ein Appell auch an Sie, denn dieses Wahlergebnis ist nicht, das Mandat so weiter zu machen wie bisher. Damit bewirken Sie nur eines: dass unter Umständen tatsächlich das nächste Mal ein blauer Bürgermeister hier vorne steht, und das will ich nicht. (Demonstrativer Beifall bei der FPÖ.) Das will ich nicht!
Ich will eine Politik - ich fände es nicht so prickelnd -, die den Menschen in seinen Entscheidungen ernst nimmt, auch in seinen Wahlentscheidungen ernst nimmt. Ich will eine Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt rückt und den Fokus darauf lenkt, ihm Chancen und Möglichkeiten zu eröffnen und nicht andauernd Risikovermeidung auf allen Ebenen zu betreiben. Ich will eine Politik, in der es das Ziel ist, die Menschen von einer sozialen Transferliste auf eine Gehaltsliste zu bringen.
Ich will eine Politik, in der feudalen öffentlichen Systemen, in denen Freunderlwirtschaft regiert und die vergleichsweise - ja, ich sage es so - geschützte Bereiche darstellen, gerade aus Gerechtigkeitsgründen der Kampf angesagt wird. Und ich will eine Politik, die dem Einzelnen mehr Netto vom Brutto lässt und nicht als Ersatz dafür in Gutsherrenart Förderungen anbietet.
Ich habe auf Facebook gefragt: Was sagt ihr denn zum rot-grünen Regierungsprogramm? Und was würdet ihr der neuen alten Stadtregierung ausrichten? Ich habe ein paar Antworten bekommen und möchte Ihnen zwei davon vorlesen.
Eine Antwort war: Das Übliche - Schulden senken, Gemeindebedienstete erst mit 65 in Pension, Verwaltung verkleinern und effizienter aufstellen, Reduktion der Parteienförderung, Reduktion der Inseratenkosten. Oder anders gesagt: Macht euren Job und arbeitet für jene, die das Ganze bezahlen!
Die zweite Antwort geht in die Richtung dessen, was ich vorhin gesagt habe: dass das Ihre letzte Chance ist, aus den vergangenen Fehlern zu lernen, und dass Sie versuchen zu verstehen, warum doch so viele Leute Blau gewählt haben.
Wir sind als Reformkraft angetreten. Das ist jetzt nicht die Ansage zu einer Frontalopposition. In vielen Bereichen möchten wir, oder bieten wir an, konstruktiv zusammenzuarbeiten. Das wird aber auch davon abhängen, wie Sie auf uns zukommen, auf die Opposition zukommen und insbesondere auf eine neue Kraft zukommen.
Wir haben bedauerlicherweise nicht die Instrumentarien, auf Grund unserer Größe nicht die parlamentarischen Instrumentarien wie die FPÖ zur Verfügung. Dennoch kündigen wir an ... (StR David Lasar: Das wird ja einen Grund haben! - Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Okay. Dennoch kündigen wir an, lästig zu sein und nicht aufzuhören, genau für unsere Werte, für unsere Ideen und auch dafür, wofür wir gewählt werden, einzutreten.
Es ist ein Appell, wirklich gemeinsam zu arbeiten, auch Mut zu machen, zu ermutigen, neue Wege zu gehen. Ich möchte, dass wir, dass ich meinen Kindern eine lebenswerte Stadt hinterlasse. Nehmen wir den Auftrag der Bürger als Souverän ernst, und rücken wir die Menschen in den Mittelpunkt der Politik, nicht die Parteien! - Danke. (Beifall bei NEOS und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr StR Mag. Blümel. Ich erteile ihm das Wort.
StR Mag. Gernot Blümel, MBA (nachdem er den Weg zum Rednerpult mit Krücken zurückgelegt hat): Eindeutig barrierefrei.
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich darf heute meinen Einstand im Wiener Gemeinderat begehen und würde dazu gerne ein paar grundsätzliche politische Überlegungen mit Ihnen teilen, damit Sie mich auch ein bisschen besser einschätzen lernen. Ich möchte etwas darüber erzählen, was ich vom Rot-Grün-II-Pakt halte und wo ich glaube, dass die Zukunftsthemen in dieser Stadt liegen.
Zum Einstand gehört es sich auch, dass man ein Einstandsgeschenk mitbringt. Es ist in der Eröffnung bereits eine Gedenkminute für die Stadt Paris abgehalten worden, und deswegen ist mein Einstand auch ein Eiffelturm. (Der Redner stellt ein Modell des Eiffelturms aufs Rednerpult.) Die Symbolik erkläre ich Ihnen dann. Mir geht es darum: Wenn wir uns diesen Eiffelturm ansehen, denken wir an Paris, an die Stadt, wo die Anschläge passiert sind. Alle Kommentatoren, auch Sie, Herr Bürgermeister, in den Zeitungen und wo auch immer, waren sich einig, dass diese Anschläge ja keine Anschläge auf eine Stadt oder auf einen Staat waren, sondern auf gewisse Grundwerte und Grundprinzipien.
Die Frage ist halt: Was sind diese Grundprinzipien des Zusammenlebens genau gewesen, auf die dieser Anschlag verübt wurde? Die Anschläge sind ein Grund, sich das zu fragen. Woher kommen diese Grundprinzipien? Die aktuellen Herausforderungen in Europa und Österreich sind ein Grund, sich das zu fragen. Aber auch die Bildung dieser rot-grünen Stadtregierung ist ein Grund, sich zu fragen, welche Grundprinzipien des Zusammenlebens da gemeint sind.
Mit Paris ist natürlich die Symbolik entsprechend gegeben, denn Paris ist genau der Ort, an dem diese Grundprinzipien des Zusammenlebens zum ersten Mal auf dem europäischen Kontinent politisch umgesetzt und manifestiert worden sind. Wir kennen dieses Ereignis alle als die Französische Revolution. Da ist es um die Abschaffung von Absolutismus gegangen, den Ausgang aus Unterdrückung und auch die Umsetzung von grundlegenden Ideen der Aufklärung wie beispielsweise den Menschenrechten.
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