Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 77 von 90
aber dass der Masterplan von Otto Wagner ist. Dieses verfällt jetzt seit 20 Jahren. Auch im Hinblick darauf wäre es wunderbar, dort eine kleine Schule einzurichten. Und damit es eine Schule gibt, müssen irgendwo in der Umgebung ein paar Kinder sein.
Es ist dies ein herrliches, wunderbares Freiareal. Warum dürfen nicht Kinder und Familien in diesem Bereich sein? (Rufe und Gegenrufe bei FPÖ und GRÜNEN.) Das sind die Überlegungen. (GR Mag Rüdiger Maresch: Ihr habt zwei Mal zugestimmt! – GR Mag Wolfgang Jung: Bei Rodaun?)
Dort hinten gibt es weitere ... (Zwischenruf von GR Mag Rüdiger Maresch.) Rüdiger! Die Rodaun-Geschichte sparen wir uns jetzt! (GR Mag Wolfgang Jung: Ich kann mir vorstellen, dass Sie nicht darüber reden wollen!) Herr Kollege Jung! Ich glaube nicht im Entferntesten, dass ich Sie auch nur einen Millimeter überzeugen kann! Dazu bin ich zu lange in diesem Haus! Es gibt das Internet, es gibt das Protokoll, ich versuche, hier eine Sache darzustellen.
Ich sage jetzt noch etwas Grundsätzliches, weil das Ganze in der Tat weit über die Frage des Otto-Wagner-Spitals hinausgeht, und es eine schwierige Frage ist, wenn man Bürgerbeteiligung bei einem neuen Projekt macht. Das gibt es ja nicht nur beim Otto-Wagner-Spital, sondern das gibt es Gott sei Dank nahezu überall, wo in Wien neue Projekte entwickeln werden. Dort gibt es dann Bürgerbeteiligung und sagen Anrainer und Anrainerinnen aus verständlichen Gründen: Eigentlich wollen wir das weniger oder am liebsten gar nicht!
Es gibt ein schönes Bild von Hans Magnus Enzensberger: Man geht durch einen Zug mit Abteilen und sucht einen Platz, und in einem Abteil sitzt ein Mensch. Man macht die Tür auf und merkt schon: Derjenige, der in dem Abteil sitzt ... (GRin Mag Martina Wurzer: ... verfällt!) Ja, er will das nicht! Man sagt: Entschuldigen Sie, ist da frei? Und er sagt: Ja, bitte, nehmen Sie Platz! Dann sitzt man als Zweiter in diesem Abteil, aber 12 Sekunden später wechselt man seine Haltung um 180 Grad, denn es kommt der Nächste, der in das Abteil hinein will und fragt, ob frei ist. Darauf sagt man: Hmmm, eigentlich nicht.
Eine ähnliche Situation haben wir verständlicherweise im Bereich der Stadtentwicklung. Man zieht irgendwo hin oder lebt schon lange dort, hat einen schönen Ausblick und wenig Verkehr, fährt zwar selbst oft mit dem Auto, weil es nicht anders geht oder so, sagt dann aber: Wollen wir, dass jetzt neue Leute dazu kommen, weil sie auch irgendwo wohnen wollen? Und politisch sagt man: Wollen wir immer weiter steigende Wohnpreise haben?
Ich meine also, es muss irgendwo geplant werden, und das wollen wir auch. Jetzt stellt sich die Frage: Wer sind diejenigen, die legitimerweise Bürgerbeteiligungen machen? Sind das ausschließlich immer diejenigen, die dort wohnen, oder sollte man nicht irgendwie auch diejenigen mitdenken – Klammer auf: hiefür haben wir kein Patentrezept – Klammer geschlossen –, die vielleicht einmal in drei, fünf, sieben, zehn Jahren dort leben wollen. Die kennen wir aber noch nicht, und darum kann man sie nicht mit einbeziehen. Also: Wer ist hier jetzt legitimiert, BürgerInnenbeteiligung zu machen? – Ich sage das jetzt hier sehr offen. (GR Mag Wolfgang Jung: Alles für das Volk, aber nichts mit dem Volk: Sind Sie jetzt dazu übergegangen?) Okay. Quod erat demonstrandum: Meine Rede ist völlig sinnlos in diese Richtung! (Beifall bei den GRÜNEN. – GR Mag Wolfgang Jung: Das wäre nichts Neues!)
Aber ich motiviere mich, diese weiterzuführen, Herr Jung, und wenn Sie genau aufgepasst haben, dann werden Sie auch gehört haben, dass ich gerade gesagt habe, wir haben hier kein Patentrezept! Jetzt könnten Sie natürlich jubeln und dazwischenrufen! Ein halbintelligenter Zwischenruf wäre jetzt: Sehen Sie, die Regierung hat keinen Plan! – Das würde ich ja noch verstehen! (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.) Okay, jetzt ist er angesprungen! Er ist unglaublich, wirklich!
Diese Frage der Bürgerbeteiligung führen wir beim Otto-Wagner-Spital und auch hinsichtlich sehr vieler anderer Bereiche. Dem stellen wir uns als Regierungsfraktion, und wir finden, dass es klass’ ist, dass Wien als Stadt internationaler wird, dass Leute von Niederösterreich bis aus der ganzen Welt kommen, die in Wien leben wollen, weil es hier Lebensqualität gibt. 20 000 Menschen suchen jedes Jahr neu eine Wohnung, weil sie hier leben wollen. Es kommen sehr viele Leute aus dem Burgenland, aus Niederösterreich, aus Vorarlberg, aus Deutschland und aus der Europäischen Union nach Wien.
Wien wird international. Das ist klass’! Und wir wollen nicht, indem wir aufhören, Stadt zu entwickeln, dass sich die Wohnungspreise wie in Paris, London oder München und vielen anderen Städten so entwickeln, dass es wirtschaftlich gar nicht mehr möglich ist, irgendwo in der Stadt zu leben. Daher gilt es, einen Kompromiss zu schließen. Und das Wesen der kommunalen Demokratie, beginnend mit den Griechen, war, sich zusammensetzen und zu reden – das geschieht jetzt in der Mediation –, um am Schluss einen sinnvollen Kompromiss zu schließen.
Diesfalls geht dieser Kompromiss sehr in Richtung Erhalt im Bereich des Otto-Wagner-Spitals, wo man mit einem sehr, sehr geringen Anspruch hineingehen wird. Diese Bürgerbeteiligung wird nicht dazu führen, dass man mehr baut, sondern dass man weniger baut. Gott sei Dank ist der Grünanteil dort ohnehin gewaltig, und es wird insbesondere mit dem Park in keiner Weise abgetauscht.
Zu sagen, dass nirgendwo etwas geschehen darf, ist eine Haltung, die wir nicht vertreten, und daher werden wir uns hier einem Kompromiss stellen und werden für diesen argumentieren. Wir werden sicherlich nicht von allen Seiten Applaus bekommen können, das ist von der Sache her klar. Wir wollen mehr Transparenz hineinbringen, sind aber auch Anwalt jener, die jetzt schon seit zwei, drei, vier oder sieben Jahren eine Wohnung suchen. Auch sie haben ein Recht darauf, und darum werden wir weiterhin diesen Bürgerbeteiligungsprozess suchen und hoffen, dass die rationalen Kräfte dieser Stadt, an die ich als alter Aufklärer glaube, die Oberhand behalten werden. – Danke schön. (Beifall bei GRÜNEN
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