Gemeinderat,
28. Sitzung vom 10.12.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 23
gespannt, welch salbungsvolle Töne von meinem Nachredner und meiner Nachrednerin von ÖVP und SPÖ heute gegen die Volksabstimmungsforderung der Freiheitlichen kommen werden! Andererseits haben Sie aber selbst das Terrain für die ultranationale Rechte, für die FPÖ, für den Antieuropakurs und für die EU-Skepsis in diesem Land aufbereitet. – Aus dieser Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPÖ und ÖVP, können und wollen wir GRÜNEN Sie nicht entlassen, und Sie werden bei der Europawahl 2009 dafür voraussichtlich die Rechnung präsentiert bekommen! (GR Mag Wolfgang Jung: Sie auch!)
Wir GRÜNEN grenzen uns jedenfalls von
nationalistischer Antieuropapolitik ab. Wir wollen eine kritische
Auseinandersetzung mit der Europäischen Union. Wir wollen eine demokratische
Europapolitik. Wir wollen verstärkte europapolitische Debatten auch in diesem
Haus. Wien hat diesbezüglich Nachholbedarf, meine Damen und Herren! Nicht nur
die EU hat Reformbedarf, sondern auch das Wiener Rathaus! Die Außenpolitik ist in
Wien fast ausschließlich Angelegenheit der Verwaltung. Die Opposition ist nicht
einmal im außenpolitischen Beirat vertreten. Von Mitbestimmungsrechten in
Sachen Europapolitik, wie sie der Nationalrat in Form des Hauptausschusses hat,
sind wir hier weit entfernt, meine Damen und Herren! Und auch die
Europa-Kommission ist dringend reformbedürftig, denn sie ist kein richtiger
Europa-Ausschuss, wie ihn andere Bundesländer zum Teil haben.
Wir GRÜNEN werden auch weiterhin für mehr
Mitbestimmung kämpfen. Wie Sie wissen, führen wir diese Debatte über eine
demokratische Aufwertung der Europapolitik in diesem Haus nicht zum ersten Mal!
Es gibt viel zu wenig europapolitische Debatten, an denen die Bürgerinnen und
Bürger teilhaben können! Wir regen auch im Zusammenhang mit dem Reformvertrag
ein BürgerInnenforum im Rathaus an, das unter Einbeziehung von NGOs,
ExpertInnen, WissenschafterInnen, Reformvertragsbefürwortern und –gegnern
abgehalten wird.
Wir wollen mehr und demokratischere Europapolitik,
und wir grenzen uns von Antieuropa-Ressentiments ab. – Ich danke für Ihre
Aufmerksamkeit. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als
Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Mag Gerstl. Ich erteile es ihm.
GR Mag Wolfgang Gerstl (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten
Damen und Herren!
Im Zusammenhang mit diesem Europa
erleben wir eine Erfolgsgeschichte, wie es sie in der Vergangenheit noch nie
gegeben hat! Und ich glaube, es liegt in unserer Verantwortung, als Politiker
nicht mit den Ängsten der Bevölkerung zu spielen, sondern unsere
Zukunftsaufgabe ernst zu nehmen und für die nächsten Generationen zu arbeiten.
(Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Man kann viel Kritik an der
Europäischen Union und an deren Vertretern äußern. Ich bin jeder politischen
Partei und jedem politischen Vertreter dankbar, wenn sie auch den Finger auf
die Wunden legen. Ich kann es aber nicht unterstützen, wenn man hier so tut,
als ob es besser wäre, wenn wir nicht mehr in der Europäischen Union wären!
(Beifall bei der ÖVP.)
Wir haben die Pflicht und die Verantwortung, dass wir
uns so verhalten, wie es im Handelsgesetzbuch für den ordentlichen Kaufmann
festgelegt ist. Für einen ordentlichen Kaufmann bestehen Sorgfaltspflichten, er
hat bestimmte Umgangsformen gegenüber seinen Kunden an den Tag zu legen, und
man misst ihn an einem objektiven Maßstab und nicht nur an subjektiven
Kriterien.
Meine Damen und Herren! Ausschlaggebend ist, dass wir
als Politiker über die Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, die notwendig sind,
damit wir dieses Land in die Zukunft führen können. Es ist notwendig, dass wir
ernst nehmen, worum es in Europa geht. Und nennen Sie mir einen Grund, warum
Europa in den vergangenen Jahren so schlecht gewesen sein soll, nachdem es noch
nie eine so lang zusammenhängende Friedensperiode in Europa gegeben hat wie
seit der Zeit der Gründung dieser Europäischen Union beziehungsweise ihrer
Vorläufer. (Beifall bei der ÖVP.)
Nie zuvor gab es eine so lang zusammenhängende
Friedensperiode! Nie zuvor ist die Wirtschaft in Österreich so gewachsen und
ist die Zahl der Arbeitsplätze in Österreich in einem solchen Umfang gestiegen
wie in den letzten zehn Jahren.
Wie heißt es so schön? – Der Vergleich macht uns sicher! Welches Land bietet sich denn am
ehesten für eine diesbezügliche Auseinandersetzung und einen Vergleich an? – Ich würde sagen: Die Schweiz! Die Schweiz gehört
nicht der Europäischen Union an. Die Schweiz führt seit Langem ein Inseldasein.
Und von vielen in Österreich wurde in der Vergangenheit die Schweiz als
positives Beispiel dargestellt, warum man eine nähere Verzahnung innerhalb
Europas nicht braucht. – Ich glaube, nichts bietet sich für einen solchen
Vergleich besser an als der Bericht von Karl Aiginger vom
Wirtschaftsforschungsinstitut mit dem Titel „Zehn Jahre EU-Mitgliedschaft. 1995
bis 2005“.
Ich weise darauf hin: In dieser Zeit war auch die
Freiheitliche Partei in der Regierung! Nur damit mir dann nicht vorgeworfen
wird, dass dieser Bericht nur SPÖ und ÖVP betrifft.
Ich zitiere jetzt von Seite 3 des genannten
Berichtes: „Der Vergleich mit der Schweiz. – Das Wirtschaftswachstum in
der Schweiz liegt in den letzten zehn Jahren mit 1,5 Prozent pro Jahr ein
Viertel niedriger als in Österreich.“ –
Das Wirtschaftswachstum war dort um ein Viertel niedriger! (GR
Mag Wolfgang Jung: Da müssen Sie aber auch das Niveau in Betracht ziehen,
Herr Kollege!) Es ist ganz richtig, Herr Kollege, dass die Schweiz von einem
höheren Niveau ausging. Daher danke ich Ihnen für dieses Stichwort!
Schauen wir uns nun aber den Aufholprozess an, der in Österreich
gelungen ist! Der Aufholprozess ist nämlich klar sichtbar – ich zitiere: „Lag das
kaufkraft- und wechselkursbereinigte Pro-Kopf-Einkommen Österreichs 1985
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