«  1  »

 

Gemeinderat, 10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 46 von 118

 

massiv verschlechtert.

 

Meine Damen und Herren, daraus ergibt sich die klare Tatsache, dass in dieser Darstellung von Dichtung und Wahrheit Dichtung das ist, was sich im Rechnungsabschluss 2005 befindet und uns die Wahrheit der Entwicklung natürlich dazu bringt, diesen Rechnungsabschluss abzulehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Schreuder. Bitte schön!

 

GR Marco Schreuder (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

In diesem Ressort gibt es ein Thema, das man hier behandeln kann, was aber selten behandelt wird. Ich möchte das einmal tun, weil es hier um etwas geht, was nicht getan wird. Es geht um den Umgang mit kulturhistorischem Erbe, es geht um Restitution und es geht um ein kulturhistorisches Denkmal, das für Besucher und Besucherinnen Wiens, aber auch für die Wiener und Wienerinnen, wie wir das selbst erlebt haben, sehr interessant ist, nämlich um den Jüdischen Friedhof in Währing.

 

1784 hat Josef II die so genannte Sanitätsverordnung erlassen, wonach innerhalb der Stadtmauern Wiens keine Friedhöfe mehr sein dürfen. Man hat dann an die Stadtmauern Wiens Friedhöfe gebaut. Einer dieser großen Friedhöfe war der Friedhof in Währing. Den christlichen Teil gibt es nicht mehr, das ist jetzt der Währinger Park, den jüdischen Teil gibt es noch. Warum es ihn noch gibt, hat mit dem jüdischen Glauben zu tun. Es gibt beim jüdischen Glauben das System, das Grab gehört dem Toten und bei der Auferstehung, an dem Tag, wo man nach Jerusalem geht, muss das Grab intakt sein. Das Problem derzeit im Jüdischen Friedhof in Währing ist, dass die Grabsteine nicht mehr intakt sind. Es gibt auf diesem jüdischen Friedhof einen überalterten Baumbestand, es gibt einen Wildwuchs, Steine fallen um, Wurzeln heben Steine aus, teilweise sind es Sandsteine aus der Biedermeierzeit, aus der chassidischen Zeit, die, einmal umgefallen, einmal zerstört, nie wieder zu renovieren sind.

 

Wir haben es einem Wiener Magistratsbeamten zu verdanken, dass die Zerstörungen, die während der Zeit des Nationalsozialismus dort passierten, gestoppt wurden. Und zwar hatte der Magistratsbeamte die glorreiche Idee, den Friedhof einfach umzuwidmen und zu einem Vogelschutzgebiet erklären zu lassen. Und dieser Tatsache haben wir es zu verdanken, dass es diesen Friedhof noch gibt.

 

Ich finde, es wäre an der Zeit, dass sich die Stadt Wien diesen Magistratsbeamten als Beispiel nimmt und auch zur Rettung dieses Friedhofes beiträgt, denn der Zustand dort ist derzeit sehr, sehr erbärmlich.

 

Im Jahr 2001 hat die Republik Österreich in Washington das Washingtoner Abkommen unterzeichnet, und in Punkt 8 dieses Abkommens verpflichtet sich Österreich - die Republik Österreich in diesem Fall - zur Beibehaltung, zur Pflege und zur Restaurierung von jüdischen Friedhöfen beizutragen. Ich denke, die Stadt Wien hätte die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung, hier mit gutem Beispiel voranzugehen und die ersten Schritte zu setzen, damit zumindest - als erster Schritt - keine weiteren Grabsteine zerstört werden und des Weiteren dieser Friedhof für die Öffentlichkeit geöffnet wird.

 

1955 hat man auf einem Teil des Friedhofes, der von den Nazis zerstört worden ist - die wollten dort einen Löschwasserteich machen; man hat dann den Friedhof an die Israelitische Kulturgemeinde restituiert, die Kultusgemeinde ist Grundeigentümerin des Friedhofes -, entgegen der Abmachung, dass die Fläche Grünland bleibt, dort den Arthur-Schnitzler-Hof errichtet. Also der Umgang der Stadt Wien war in den 50er Jahren doch sehr respektlos, und ich denke, im Jahre 2006 kann man andere Schritte setzen und andere Zeichen setzen. Es hat dies nämlich auch mit Restitution zu tun, denn bis 1938 gab es eine Bruderschaft, eine Begräbnisbruderschaft der Jüdischen Gemeinde. Als Jude oder als Jüdin hat man dort eingezahlt – das war wie eine Versicherung -, und diese Bruderschaft hat für das Begräbnis und für die Pflege der Gräber gesorgt. Dieses Vermögen wurde 1938 beschlagnahmt, und seither – seit 1938 - kann natürlich diese Bruderschaft die Gräber nicht mehr pflegen. Daher sollte die Stadt Wien einspringen.

 

Ich stelle daher folgenden Beschluss- und Resolutionsantrag:

 

„Der Wiener Gemeinderat spricht sich dafür aus, dass der Herr amtsführende Stadtrat für Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke bis Ende des Jahres ein Sanierungskonzept und ein Konzept zur Öffnung des Jüdischen Friedhofes Währing vorlegt."

 

Wir wollen die sofortige Abstimmung dieses Antrages. - Vielen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Ekkamp. Ich erteile es ihm. - Bitte schön.

 

GR Franz Ekkamp (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Herr Vorsitzender! Herr Vizebürgermeister! Geschätzte Damen und Herren!

 

Es ist ja heute bei dieser Debatte des Rechnungsabschlusses 2005 schon viel diskutiert worden, pro und kontra, und es ist auch in Ordnung, dass die Opposition Kritik übt. Das ist demokratiepolitisch in Ordnung (GR Dipl Ing Martin Margulies: Danke!) – ja, das soll ja auch so sein, das ist ja kein Problem. Aber genauso, bitte, soll man demokratiepolitisch zur Kenntnis nehmen, dass auch eine Regierungsfraktion, eine Regierungspartei aus ihrer Sicht die Ergebnisse darstellt. Das ist eben ganz einfach so!

 

Aber eines, meine sehr verehrten Damen und Herren, können wir sicher nicht wegdiskutieren – etwas, was heute von einem Redner schon angesprochen wurde -, nämlich Folgendes: Es gibt eine internationale Studie aus London, die Mercer-Studie, die im April 2006 veröffentlicht wurde und die besagt, dass die Stadt Wien eine der lebenswertesten Städte ist - sie liegt an vierter Stelle. Wien ist sozusagen eine Topdestination - davon können wir nichts wegdiskutieren. Wir lassen diesbezüglich viele

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular