Gemeinderat,
59. Sitzung vom 03.10.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 37
zum Wort gemeldet ist Frau GRin Jerusalem.
GRin Susanne Jerusalem (Grüner Klub
im Rathaus): Meine sehr
verehrten Damen und Herren!
Natürlich
stellt sich die Frage, ob das schreckliche Ereignis, der Tod des Buben, im
Wahlkampf Thema eines Sondergemeinderates sein soll, ja oder nein. Ich möchte
das für mich schon beantworten. Ich bin nämlich eindeutig der Meinung, ein
derartiger Vorfall muss immer Gegenstand eines Sondergemeinderates sein und
zwar vollkommen unabhängig davon, ob wir uns in Wahlzeiten befinden oder aber
nicht, denn es geht da um sehr viel. Es geht darum, dass sich der Gemeinderat
dazu findet, Gewaltprävention einzufordern, Maßnahmen zu setzen und auch das
dafür notwendige Geld in die Hand zu nehmen. Man kann über das nicht einfach
hinweggehen.
Das heißt,
wir müssen einen Sondergemeinderat machen, obwohl wir Wahlkampf haben und
obwohl der Vorfall in seiner Tragik, Reichweite und Entsetzlichkeit nie und
niemals dazu dienen darf, dass politisches Kleingeld gemacht wird. Ich möchte
daher auch mit meiner Rede eindeutig klarstellen, dass heute nicht Anlass sein
kann für irgendeine Form von politischem Hickhack und Schuldzuweisungen und
Blödheiten all dieser Art, sondern dass der Gemeinderat sich meiner Meinung
nach ausschließlich damit beschäftigen muss, was hat in Zukunft zu geschehen
und welche Maßnahmen müssen gesetzt werden, damit Gewaltprävention denkbar
wird.
So einfach
ist ja die Sache nicht, denn da geht es ja vielfach um gesellschaftspolitische
Entwicklungen, die in den Familien eingesetzt haben und jetzt ihren Ausdruck
auch in Form von Gewalt finden, wo man nicht unmittelbaren Zugang hat durch
schulische politische Maßnahmen.
Ich möchte
für die Grünen heute
ausschließlich fünf Maßnahmen vorstellen und ihre Umsetzung einfordern, weil
wir der Meinung sind, wir sind auf dem Gebiet Fachleute, wir haben etwas in die
Waagschale zu legen und weil wir der Meinung sind, es macht Sinn, sich damit
auseinander zu setzen.
Die Grünen wollen Schulmediation - im 9.,
8., und 7. Bezirk gibt es das bereits -, und diese Schulmediation soll
allen Wiener Kindern und Jugendlichen zu Gute kommen. Das heißt, die Gemeinde
muss das finanzieren.
Zweitens,
wir wollen Tiermediation. Auch das eine Maßnahme, die sich bereits als positiv
und wirksam herausgestellt hat, wir brauchen es uns nur am Schulschiff
anzuschauen. Machen wir an allen Wiener Pflichtschulen das, was das Schulschiff
schon jetzt leistet.
Drittens, wir wollen Schulsozialarbeit, auch da kann
man natürlich überall nach Europa schauen, vor allem in die nordischen Länder,
man kann sich aber auch anschauen, was in den Jahren rund um 2001, 2002 in der
Geblergasse an der Hauptschule gemacht wurde, nämlich Schulsozialarbeit mit
großem Erfolg. Das heißt, wir wollen das auch für die anderen Schulen.
Vierter Punkt: Wir wollen Psychologinnen und
Psychologen für die Schulen in ausreichender Anzahl. Man braucht ja nur kurz
mit Frau Dr Zeman sprechen, um zu wissen, dass die 25 vorhandenen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die 200 000 Schüler ein Witz
sind, und zwar ein ganz schlechter, denn weder die Diagnose noch die Prävention
kann dadurch gesichert werden.
Und wir wollen als fünfte Maßnahme, dass das Projekt
Soziales Lernen an allen Schulen durchgeführt werden kann.
Und wenn wir uns nun diese fünf Maßnahmen, das
Maßnahmenpaket der Wiener Grünen zur
Gewaltprävention an den Schulen anschauen, dann müssen wir feststellen, dass
wir in einer sehr schwierigen Lage sind und zwar deswegen, weil ein Teil davon
von Wien finanziert werden muss und ein anderer Teil natürlich in der Kompetenz
des Bundes liegt. Und wie wir wissen, sind das immer die Themen, wo es so
besonders schwierig wird, weil die Zuständigkeit hin und her geschoben wird und
sich ständig einer auf den anderen ausredet.
Ich möchte später zu den fünf Punkten noch im Detail
Stellung nehmen und meine Anträge einbringen, zuerst aber auch eine Frage
stellen, wo ich denke, auch da sollte man sich ein bisschen näher damit
auseinander setzen, nämlich die Frage: Ist eigentlich die Gewalt an den Wiener
Schulen so etwas Neues, wissen wir erst seit ganz kurzem davon, oder wie ist
das?
Nun, natürlich ist das nichts Neues. Gewalt an den
Schulen hat es immer gegeben. Wir müssen aber feststellen, dass sich seit rund
10 bis 15 Jahren - in etwa dort siedelt es zeitmäßig auch Frau
Dr Zeman, die Leiterin der Schulpsychologie, an - die Gewalt verändert
hat. Das heißt, es wird härter zugeschlagen und es werden immer öfter und immer
mehr die Grenzen überschritten. Einer liegt schon am Boden und der Nächste haut
noch einmal hin. Diese Vorfälle werden häufiger und die Fähigkeit der Kinder
und Jugendlichen, Konflikte verbal auszutragen, also eben anders als mittels
Gewalt, diese Fähigkeit sinkt, entsprechend vermutlich auch der Tatsache, dass
in den Familien weniger geredet wird und auch weniger Konflikte verbal
ausgetragen werden.
Ich möchte Ihnen aber, weil es so kurz her ist, noch
einmal einen Hilferuf vorlesen, den die Schulen, die Pflichtschulen des
20. Bezirks, im März dieses Jahres an uns gerichtet haben, wo sie
dringendst um Hilfe gebeten haben und dringendst die verantwortlichen
Politikerinnen und Politiker aufgefordert haben, dafür zu sorgen, dass an den
Pflichtschulen des 20. Bezirks zumindest als Not- und Erstmaßnahme vier
Sozialarbeiterinnen eingesetzt werden.
Und was ist geschehen? Es ist genau nichts geschehen.
Keine Sozialarbeiterinnen wurden eingesetzt, und genau diese Schulen haben und
hegen jetzt zu Recht die Hoffnung, dass möglicherweise auch der schreckliche
Vorfall dazu dient, dass Sozialarbeiterinnen in Zukunft eingesetzt werden
können.
Die Ausrede jedenfalls, man hätte nicht gewusst, dass
es Gewalt an den Schulen gibt, zieht nicht, weil es nicht richtig ist. Wir
haben es alle gewusst, und die Aufforderung der Schulen, Sozialarbeiterinnen
und andere Mitarbeiterinnen aus anderen Berufsgruppen einzusetzen, muss ernst
genommen und aufgegriffen werden.
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