Gemeinderat,
55. Sitzung vom 28.04.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 39 von 85
Stadtentwicklungsplan 2005 ansieht, und das hängt alles auch mit diesen drei Plandokumenten ein bisschen zusammen, weil ja überall die Linie durchgeht: Man hat jahrelang, wirklich jahrelang, und das ist Ihr Versäumnis, weil Sie haben jahrelang den Bürgermeister, den Planungsstadtrat und auch die Minister gestellt bis ins Jahr 2000, jahrelang in Wien eine total verfehlte Siedlungs- und Arbeitsmarktpolitik betrieben. Man hat immer im Norden, nördlich der Donau, Wohnungen entwickelt, Wohnungen gebaut, Siedlungen vergrößert, und im Süden Wiens die Arbeitsplätze vermehrt. Wir haben heute den Stau deswegen in Wien oder unter anderem deswegen in Wien, weil ein Arbeitsplatztourismus stattfindet zwischen Nord, Nordost, Süd und Südwest. Das ist Ihr Versäumnis!
Und ich höre in der letzten
Stadtentwicklungskommission, dass plötzlich in Aspern statt geplanten
3 000 8 500 Wohnungen – Wohnungen, nicht Bewohner, das heißt,
das können Sie mal drei rechnen – gebaut werden. Das sind zirka zwischen
20 000 und 25 000 Leute, die dorthin siedeln sollen. Die Begründung
ist – ich habe auch nachgefragt, und mir ist gesagt worden, dass das stimmt –,
dass sich ein U-Bahn-Betrieb, in dem Fall die U2, wirtschaftlich nur dann
rechnet und es sich nur dann auszahlt, sie dorthin zu verlängern, wenn es ein
Minimum von 8 500 Wohnungen gibt. Das ist mir gesagt worden. Ich
glaube das sogar, meine Damen und Herren. Aber nur, weil die U-Bahn dorthin
fährt, jetzt plötzlich 8 500 Wohnungen ohne ein Arbeitsplatzangebot
dort wieder hinzustellen, wieder die gleichen Fehler zu machen, das halte ich
an sich schon für ein bisschen kühn. Daher bin ich froh, dass wir damals als
Freiheitliche, wie es darum gegangen ist, im Bereich des öffentlichen Verkehrs
nicht zu privatisieren, mitgegangen sind, weil ich nichts davon halte, dass im
Infrastrukturbereich und insbesondere im Verkehr in diesen Bereichen
privatisiert oder liberalisiert wird, wie es die EU will. (Beifall bei der
FPÖ.)
Meine Damen und Herren! Es ist zwar
schön, wenn sich die U-Bahn wirtschaftlich rechnet erst ab
8 500 Wohnungen. Es kann aber nicht Aufgabe einer Stadt und einer
Kommune, noch dazu einer Weltstadt Wien sein, die Drehscheibe zum Osten,
Westen, Norden, Süden sein will, dass man hier U-Bahnen nur nach
wirtschaftlichen Gesichtspunkten baut. Es ist Aufgabe der öffentlichen Hand,
auch wenn es nur 3 000 Wohnungen gibt oder 4 000 Wohnungen, und wenn
es sich nicht wirtschaftlich rechnet, trotzdem den öffentlichen Verkehr dorthin
zu führen. Sonst hätten wir es ja privatisiert. Ein Privater wird es dort nicht
hinführen. Aber wenn Sie jetzt sagen, wir bauen nur die Wohnungen, weil sich
sonst die U-Bahn nicht rechnet, das ist bitte eine von mir aus gesehen wirklich
vollkommen falsche Sicht.
Und abschließend, meine Damen und
Herren, die S-Bahn. Wir haben gehört in den letzten Tagen, dass es da
furchtbare Reibereien gibt und Meinungsverschiedenheiten zwischen der Stadt
Wien, dem Herrn Planungsstadtrat und dem Bund. Es mag schon sein, dass da der
Bund vielleicht etwas weniger zahlt, der ÖVP-Staatssekretär Kukacka, der ja für
diese Bahnen zuständig ist. Das mag schon sein, das will ich nicht beurteilen.
Nur, meine Damen und Herren, 40 Jahre lang haben Sie, Ihre Minister der
SPÖ, Ihre Verkehrsstadträte, Ihre Bürgermeister dieses Verkehrsmittel S-Bahn
verkommen lassen! Sie haben das Verkehrsmittel ja fast sterben lassen, und es
bedarf großer Anstrengungen, dieses Verkehrsmittel wieder attraktiv zu machen.
Aber ohne die S-Bahn – das sage ich Ihnen auch – wird der öffentliche Verkehr
in Wien à la longue zusammenbrechen. Und wir werden Stationen zusätzlich
brauchen. Wir werden sie in Penzing brauchen, wir werden sie in Ottakring
brauchen, wir werden sie in Unterdöbling brauchen. Man muss attraktive
Einsteigrelationen, Umsteigrelationen zwischen Straßenbahnen, Bus, U-Bahn und
Schnellbahn herstellen. Mit dem, was heute gefahren wird, und da sind Sie
schuld, können wir nicht reüssieren. Und die S-Bahn wird nicht besser werden,
nicht nur, weil die Waggons noch immer veraltet sind. Sie können noch so viel
investieren in Waggons, wenn es keine Stationen gibt und keiner einsteigen
kann. Es ist wie bei einer Kinder-Eisenbahn. Wenn ein Kontaktfehler ist, fährt
sie ununterbrochen im Kreis und keiner kann einsteigen. So kommt mir das mit
der S-Bahn in Wien vor. (Beifall bei der FPÖ.)
Man sollte auch Verknüpfungen
zwischen S- und U-Bahn vorantreiben. Warum denn nicht im Norden von
Heiligenstadt Richtung Tulln-Rekawinkel? Gleise gibt es genug. Warum im Süden
nicht von Rothneusiedl nach Wiener Neustadt, wo die Pendler besser hereinfahren
könnten, wo man wesentlich besser auf den öffentlichen Verkehr umsteigen
könnte, ohne dass die Leute mit dem Auto hereinfahren? Die Gleise sind da. Es
fehlen kurze Strecken. Wien hat eines der bestausgebauten Gleisnetze noch aus
der Monarchie, das wissen wir alle, aus verschiedensten Gründen. Und das wird
nicht genutzt! Das ist wirklich skandalös! Und das können Sie niemandem
vorwerfen, der jetzt drei oder vier Jahre in einer Regierung war. Das haben Sie
verschuldet! Sie haben dieses Lückenschlussprogramm nicht gemacht. Das erinnert
mich ein bissel an die Radwege, aber das ist ein anderes Problem, auf das will
ich gar nicht eingehen. Das gehört verknüpft, meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich abschließend sagen:
Prof Knoflacher hat in der "Presse" damals, wie der
Rechnungshofbericht war über die Stadtplanung, die kritischen Worte des
Rechnungshofes, folgenden Satz gesagt: „Die Wiener Verkehrspolitik hat sich in
den 80er Jahren" – in den 80er Jahren, da waren Sie ganz allein – „bis heute"
– das war im März 2004 – „total abgemeldet."
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen,
denn ohne Verkehrspolitik gibt es keine Planungspolitik, oder sie schaut so
aus, wie jetzt bei den drei besprochenen Aktenstücken. – Ich danke. (Beifall
bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl:
Danke.
Als Nächster zu Wort gemeldet ist
der Herr Kollege Reiter.
GR Günther Reiter (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Frau Vorsitzende! Meine
sehr geehrten Damen und Herren!
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