Gemeinderat,
2. Sitzung vom 01.12.2005, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 64
der Armutsgrenze in Österreich leben, sich verdoppelt hat.
Das habe ich nicht erfunden, das ist alles schwarz
auf weiß nachzulesen. Und jene zwei Jahre, von denen wir sprechen, also jener
Zeitraum, ist derjenige, in dem Ihre Vorgängerpartei regiert hat. Es ist ja
schon auch ein bisschen verwirrend, gebe ich zu, und schwer zu durchschauen, ob
Sie in der Regierung sind oder nicht sind. Jetzt sind Sie gerade nicht in der
Regierung. Egal, damals jedenfalls, in jenem Zeitraum waren Sie noch alle
miteinander eine Partei und regierten und gaben Ihren Sanktus zu dieser
Politik, die dazu geführt hat, dass es immer mehr und mehr arme Menschen gibt.
Und es sind 460 000 Menschen in Österreich,
die unter der Armutsschwelle leben und davon leben 240 000 allein in Wien.
Und jahrein jahraus steigt diese Zahl von Menschen. (GR Heinz-Christian Strache: In Wien, wo 50 Jahre die SPÖ regiert!) Und
das bewirkt nämlich nicht zuletzt eines: Das bewirkt, dass unsere
Sozialbudgets, so wie sie derzeit gestaltet sind, bei weitem nicht ausreichen.
Und meine Kritik, auch an die Sozialpolitik der Stadt Wien, geht in diese
Richtung, dass in den letzten Jahren die oberste Priorität zu sein scheint, wie
können wir das alles finanzieren. Und um das alles finanzieren zu können, wie
können wir uns abgrenzen. Was gibt es noch für Gruppen, die wir in irgendeiner
Form jetzt ausschließen können, wo nehmen wir nicht zur Kenntnis, dass der
Bedarf vorhanden ist und drücken uns davor und schaffen noch ein Jahr und noch
ein Jahr und noch ein Jahr und, ach, die kleinen Selbstständigen, die kann man
jetzt nicht herein nehmen. Aber die Not ist da und diese Menschen brauchen das
alles, sie brauchen das genauso, egal ob wir uns jetzt irgendeine Bestimmung
einfallen lassen, wie wir sie dennoch vom Bezug sozialer Leistungen
ausschließen können oder wie wir es ihnen erst recht gar nicht ermöglichen.
Und da braucht es ein Umdenken, meine Damen und
Herren. Da braucht es ein Umdenken und es braucht neue Prioritäten in der
Budgetgestaltung. Und die Stadt Wien wird nicht umhinkommen, sehr viel mehr
Geld in die Hand zu nehmen, um soziale Leistungen zu finanzieren. Es sei denn,
dass wir schlussendlich auch selbst zugeben müssen, wir nehmen zur Kenntnis,
dass es Not in dieser Stadt gibt, wir nehmen zur Kenntnis, dass es Menschen
gibt, die Unterstützung brauchen, aber wir verwehren ihnen diese Unterstützung,
weil wir wollen, dass die Zahlen in unserem Sozialbudget stimmen.
Ich sage Nein, Schluss damit. Und genau aus diesem
Grund haben wir den Antrag heute eingebracht, die Sozialhilferichtsätze
dementsprechend zu erhöhen, dass es die Möglichkeit gibt für diejenigen, die
Sozialhilfe brauchen, ein Leben in Würde zu leben. Denn davon wird ja sowieso
niemand reich, es geht ja ohnedies schlicht um Armutsbekämpfung. Es geht um
eine Sozialhilfe in der Höhe - das wären derzeit 800 EUR -, die es einem
ermöglicht, sein Leben, wie gesagt, nicht nur in Würde zu verbringen in dieser
Stadt, sondern darüber hinaus auch den Weg eröffnet, vielleicht Maßnahmen
besuchen zu können, um vielleicht schlussendlich wieder leichter in den
Arbeitsmarkt hineinkommen zu können. Und insofern bin ich sehr gespannt, wie
sich die Damen und Herren, insbesondere von der ÖVP, bei der Abstimmung dieses
Antrags verhalten werden, denn Sie, Frau Korosec und auch Frau Feldmann haben
ja im Vorfeld des Wahlkampfes ebenfalls mehrfach verlangt, die
Sozialhilferichtsätze um 20 Prozent zu erhöhen. Da kämen wir ungefähr auf
denselben Betrag hin, das wären etwas über 750 EUR, würden wir jetzt eine
20-prozentige Erhöhung vornehmen.
Und umso mehr hoffe ich, dass jetzt nicht der
Gedächtnisschwund zuschlägt, aber wir werden es ja dann sehen, ob sich die ÖVP
erinnern kann oder nicht bei der Abstimmung unseres Antrags, was Sie alles
selbst den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt im Wahlkampf versprochen hat.
Ich kann Ihnen nur eines sagen: Ja, Österreich
braucht dringend einen neuen Weg in der Sozialpolitik und ja, wir brauchen eine
Grundsicherung in diesem Land. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Und eine Grundsicherung ist nur, so wie wir sie uns
vorstellen, klarerweise auf Bundesebene umzusetzen, denn das würde bedeuten,
dass sämtliche soziale Leistungen, die es gibt, auf mindestens 800 EUR
gesockelt werden und dass dadurch wiederum das Sozialbudget so entlastet werden
würde - aus einer Vielzahl von Ausgleichszahlungen, die derzeit also geleistet
werden müssen -, dass schon wieder auch die Erhöhung der Sozialdienste auf 800 EUR
möglich wäre, ohne das Budget der Stadt Wien zu sprengen.
Nichtsdestotrotz, eine neue Bundesregierung, so sehr
ich sie mir von Herzen wünsche, ist bis auf weiteres in den nächsten Monaten
und in diesem Winter nicht in Sicht. Und ich bin der Meinung, wir müssen jetzt
handeln und dürfen uns nicht darauf ausreden und dürfen nicht hoffen, dass es
irgendwann einmal bald eine neue, bessere Bundesregierung gibt. Und umso mehr
ersuche ich Sie, meine Damen und Herren, insbesondere von der SPÖ, den
GRÜNEN-Antrag zu unterstützen, denn er würde bedeuten, dass Wien handelt, dass
Wien vorangeht, dass Wien eine Pionierleistung erbringt für das soziale System
Österreichs und dass Wien sagt, wir setzen diesen Schritt, wir heben die
Sozialhilfe auf 800 EUR an und alle anderen mögen es uns nachmachen.
Im Übrigen bin ich nach wie vor der Meinung, dass
Österreich dringend eine bessere Bundesregierung verdient. (Beifall bei den
GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Herr Dr
Aigner hat sich zum Wort gemeldet und ich bitte ihn zum Rednerpult.
GR Dr Wolfgang Aigner (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!
Österreich hat eine ausgezeichnete
Bundesregierung, um die uns sehr viele Länder in Europa beneiden. (Aufregung
bei den GRÜNEN. – Beifall bei der ÖVP.) Gerade Ihre rot-grünen Freunde in
Deutschland sind jetzt damit beschäftigt unter der Führung der CDU, den
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