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"Sicherheit ist ein Grundpfeiler der Demokratie" - Interview mit Bürgermeister Michael Ludwig

Waffenverbot, Renaturierung und grantige Wiener*innen: Nach einem politisch heißen Sommer stellt sich Bürgermeister Michael Ludwig den Fragen von Paul Tesarek.

Paul Tesarek: Der Wahlkampf geht in die heiße Phase. Ein Zitat: "Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd." Wissen Sie, von wem das stammt?

Michael Ludwig: Das klingt ganz nach Otto von Bismarck.

Paul Tesarek: Das ist richtig. Stimmen Sie dem auch inhaltlich zu?

Michael Ludwig: Nein, es gibt in der Politik immer unterschiedliche Zugänge. Und ich würde es in der Demokratie keiner Politikerin und keinem Politiker empfehlen. Denn es kommt immer der Tag der Wahrheit, dann nach der Wahl. Und die Bevölkerung hat oft ein gutes Gedächtnis.

Paul Tesarek: Dann gibt es noch ein Zitat von Ihrem Vorgänger Michael Häupl: "Wahlkämpfe sind die Zeit der fokussierten Unin­telligenz." Er hat das damals auf die eigene Partei gemünzt, wenn ich mich richtig erinnere. Ist das heute wieder aktuell?

Michael Ludwig: In einem Wahlkampf sind Politiker*innen, Parteien generell, in einer starken Stress-Situation. Da werden vielleicht voreilige Schlüsse gezogen und Diskussionen geführt, die es sonst nicht gäbe.

Paul Tesarek: Kommen wir zu einem Thema, das im Sommer heiß diskutiert wurde. Nämlich der Fall der syrischen Flüchtlingsfamilie mit 7 Kindern, die monatlich 4.600 Euro Sozialhilfe bekommt. Wie stehen Sie dazu?

Michael Ludwig: Ich verstehe, dass Menschen irritiert sind, was die Höhe betrifft. Man muss es allerdings auch richtig einordnen. Es gibt 120 Familien in Wien, die Mindestsicherung beziehen und eine so hohe Anzahl an Kindern haben. Davon sind 107 Familien sogenannte Aufstocker, wo zumindest ein Elternteil arbeiten geht. Und dabei aber zu wenig verdient, um das Mindestmaß zu erreichen. Nur in 13 Familien ist es so, dass sie derzeit - meist für kurze Zeit - Mindestsicherung in dieser Höhe beziehen. Ziel der Mindestsicherung ist, die Betroffenen möglichst schnell in den Arbeitsprozess zu integrieren. Das gelingt in den meisten Fällen. Dass Kinder eine gewisse finanzielle Versorgung benötigen, ist gerade zu Schulbeginn nachvollziehbar.

Paul Tesarek: Das heißt, es wird in Wien keine Staffelung geben?

Michael Ludwig: Ich habe Vorschläge gemacht, um Menschen möglichst rasch aus der Mindestsicherung zu holen und in den Arbeitsprozess zu integrieren. Indem man das Thema bundesweit für alle im Berufsalter über das AMS regelt. Und parallel dazu ebenso bundesweit eine Kinder-Grundsicherung schafft. Aber wenn Sie mich konkret fragen, ob wir eine Staffelung bei der Anzahl der Kinder vornehmen würden, dann nein. Es ist für mich ein Grundprinzip, dass wir alle Kinder gleich behandeln.

Das ist auch bei der Familienbeihilfe so: Da bekommen Kinder immer gleich viel, egal, wie viele Kinder es gibt. Und ich will daran erinnern, dass so ein degressives Modell aus anderen Bundesländern vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde.

Paul Tesarek: In diesem Sommer gab es auch viele kriminelle Ereignisse. Sie haben dazu ein Waffenverbot für ganz Wien gefordert. Warum gibt es das Waffenverbot noch nicht?

Michael Ludwig: Es muss vom Bund verhängt werden. Ich fordere das ja schon seit vielen Jahren. 2018 ist mir gelungen, es am Praterstern und damals noch am Donaukanal durchzusetzen. Das hat sich bewährt. Allein am Praterstern hat es 380 Waffenabnahmen gegeben. Mir ist nicht einsichtig, warum man in einer Großstadt wie Wien mit einer Schuss- oder Stichwaffe unterwegs sein muss. Sicherheit hat Vorrang. Daher ­erwarte ich vonseiten des Bundes, dass es zu einem allgemeinen Waffenverbot kommt. Um das kontrollieren zu können, brauchen wir aber mehr Polizist*innen. Wir haben in den letzten Jahren nicht mehr, sondern weniger Polizei - bei mehr Bevölkerung. Mit 25 Prozent des österreichweiten Polizeistandes decken wir in Wien mehr als 2 Drittel aller Polizeiaufgaben ab. Nicht weil Wien unsicher ist, sondern weil wir 40 internationale Organisationen in der Stadt haben.

Paul Tesarek: Würden Sie bejahen, dass Sie bei der Zuwanderung einen härteren Kurs fahren?

Michael Ludwig: Das ist der Kurs, den ich als Bürgermeister immer gefahren bin: Sicherheit ist ein Grundpfeiler in einer funktionierenden Demokratie. Alkoholverbot, Waffenverbot sowie die Videoüberwachung bei den Wiener Linien und in Teilen der Gemeindebauten - das ist eine Erfolgsgeschichte. Natürlich immer in enger Zusammenarbeit mit der Datenschutzkommission.

Paul Tesarek: Kommen wir zum Klima, ­genauer zur Renaturierung. ­Beispiel Breitenlee - was wird da gemacht?

Michael Ludwig: Breitenlee ist ein ehemaliger Verschiebebahnhof. Dort werden alle Reste vom Bahnhof entsorgt und das Gebiet, das so groß ist wie der 8. Bezirk, wird der Natur zurückgegeben. Wir haben aber auch den Liesingbach in Arbeit, den Park der Artenvielfalt, die Autobahnabfahrt in Simmering. Das ist uns seit Langem ein großes Anliegen.

Paul Tesarek: Wien ist Demokratiehauptstadt. Was bringt uns das?

Michael Ludwig: Ich bin sehr stolz, dass wir in vielen internationalen Rankings an der Spitze liegen - bei Lebensqualität, Nachhaltigkeit, Wirtschaft und eben auch Demokratie. Wir konnten zeigen, dass wir viele Modelle der Mitbestimmung anbieten. Bei der Gestaltung der Stadt, aber auch für die Kinder.

Wir stellen jedes Jahr 1 Million Euro für Projekte, die Kinder und Jugendliche einreichen, bereit. Vor wenigen Tagen hatten wir im Rathaus die Stadt des Kindes. Von den Kindern kann man nur lernen. Zum Beispiel wird jeden Tag ein neuer Bürgermeister gewählt. Mein Amtskollege wollte aber nicht noch einmal antreten. Zu stressig. Er hat sofort erkannt, wo die Pro­bleme sind. Denn genauso wie im echten Leben hat die Teuerung auch ihm das Leben schwer gemacht.

Paul Tesarek: Sich jeden Tag einer Wahl stellen: Das müssen Sie nicht.

Michael Ludwig: Doch, das muss ich schon irgendwie. Ich bin viel in der Stadt unterwegs und führe Gespräche. Man steht immer in der Kritik - ­erfreulicherweise gibt es aber auch viel Zustimmung. Das kann hart sein, der Großteil der Menschen in Wien ist aber sehr freundlich. Das schlechte Image, das die Medien manchmal verbreiten, kann ich nicht nachvollziehen. Wer das sagt, versteht vielleicht unseren Schmäh nicht. Aber wenn etwas einmal nicht passt, finden die Menschen im Bürgermeister immer einen Gesprächspartner.

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