Landtag, 26. Sitzung vom 27.06.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 47 von 75
Betriebe der Stadt Wien quasi durchgereicht beziehungsweise weitergegeben werden, dass also auch Firmenbeteiligungen der Stadt Wien nur risikoaverse Geschäfte zu tätigen haben.
Es ist dies also quasi ein Antispekulationsgesetz, das auch an die Beteiligung der Stadt Wien übertragen wird. Das ist auf jeden Fall in handelsrechtlicher Hinsicht möglich. Es gibt General- und Hauptversammlungen bei AG und GmbH. Das lässt sich auf jeden Fall mit gutem Willen machen. Der Eigentümer kann letztlich wie in einer Generalversammlung – gerade dann, wenn er zu 100 Prozent Eigentümer ist, und sonst mit qualifizierter Mehrheit – eine Satzungsänderung beschließen, die derartige Dinge beinhaltet. Das ist auf jeden Fall machbar, sofern es nicht – das ist ein wichtiger Satz, Kollege Strobl, das haben wir ja vereinbart! – bereits bestehende Regelungen gibt. Wenn das schon so ist, dann ist es gut so.
In formeller Hinsicht möchten wir, dass der Antrag an das zuständige Mitglied des Stadtsenats zugewiesen wird. – Ich bin schon gespannt auf die Diskussion im Ausschuss! (Beifall bei der ÖVP.)
In Salzburg hat man übrigens – das sei der Vollständigkeit halber gesagt – sowieso von vornherein dieses Durchreichen an die Beteiligungsgesellschaften ins Landesgesetz aufgenommen. Dort war man etwas weiter.
Ich verstehe – ehrlich gesagt – nicht ganz, dass die Freiheitlichen dem wahrscheinlich heute nicht zustimmen. Wie gesagt: Uns ist es auch nicht weitreichend genug. Ich hätte jetzt gerne gleich von vornherein das Salzburger Modell ohne Umwege über den Ausschuss für Wien gehabt. Aber sei’s drum! Mir ist jedenfalls das, was uns jetzt vorliegt, zur Limitierung des Spekulierens in der Stadt Wien samt ihren Beteiligungen lieber, als wenn wir gar nichts tun würden.
Wie nötig wir dieses Spekulationsverbot haben, zeigen die vielen negativen Beispiele. Ich erinnere noch einmal an Linz, St Pölten und andere. Dort hat man wirklich gesehen, was unwissende Kommunalpolitiker anrichten können, meine Damen und Herren. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Präsident Prof Harry Kopietz: Danke. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg Dipl-Ing Margulies. – Bitte, Herr Abgeordneter.
Abg Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Frau Stadträtin! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Die heutige Debatte hat meines Erachtens bislang schon recht gut gezeigt, wie eng die Europadebatte eigentlich auch mit Wiener Debatten verknüpft werden kann. Im Endeffekt geht es bei dem heute beschlossenen Geschäftsstück nämlich um die risikoaverse Finanzgebarung der Stadt Wien und damit eigentlich um einen Kernpunkt dessen, was in der Europäischen Union viel zu lange zugelassen wurde und meines Erachtens entgegen einigen Bemerkungen meiner Vorredner und Vorrednerinnen noch überhaupt nicht stärker reglementiert ist als zu Beginn und beim Ausbruch der Finanzkrise.
Wenn wir uns anschauen, was alles von Herbst 2008 bis Frühjahr 2009 versprochen wurde, und dem die Realität gegenüber stellen, dann sehen wir, dass auf dem Markt schon wieder zumindest so viel Geld in Finanzprodukte, Derivate, et cetera hineingepumpt wird wie zu Zeiten der Krise und dass wir in Wirklichkeit – ganz im Gegensatz zu der gestrigen Rede eines FPÖ-Abgeordneten – und interessanterweise hat auch Herr Mölzer das ganz anders gesehen – niemals seit 2008 in Zeiten einer Hochkonjunktur waren, sondern uns eigentlich durchgehend in einer Krise befinden.
Ich meine: Wenn sich nicht schnell und maßgeblich etwas ändert, stehen wir tatsächlich vor der nächsten großen Krise. – Ich komme jetzt zu einem der wenigen Punkte, in dem ich Alexander Neuhuber zwar nicht widersprechen, aber seine Ausführungen ergänzen möchte: Ich möchte noch etwas weiter vorne beginnen. Ich meine, Sie haben die Finanzkrise wirklich hervorragend dargestellt, was Entwicklungen et cetera betrifft, haben meines Erachtens dabei aber etwas vergessen: Die Ursachen liegen nämlich nicht nur in der Gier, sondern auch in der ungleichen Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.
Diejenigen, die unendlich viele finanzielle Mittel zur Verfügung hatten, haben nicht einmal mehr die Möglichkeit gehabt, in die Realwirtschaft zu investieren, um Geld weiter zu vermehren, sondern es ist im Sinne eines groß angelegten Pyramidenspieles Geld in Geld investiert worden, um daraus mehr Geld zu machen. Und wäre die Verteilung eine andere, dann könnte mehr produziert werden, weil alle Menschen mehr konsumieren könnten. – Darüber, welche Auswirkungen das auf die Gesamtökologie unserer gesamten Weltkugel hätte, muss man wahrscheinlich wirklich reden. Man muss echt aufpassen, wie sich die Gesellschaft entwickelt.
Gäbe es eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, dann wäre mit Sicherheit sowohl im Dienstleistungsbereich als auch in der Realwirtschaft mehr produziert worden, und das Geld wäre verstärkt in die Realwirtschaft geflossen und nicht in Finanzanlagen. Die Gier – unter Anführungszeichen – ist dem Kapitalismus nämlich, wie Sie richtig gesagt haben, tatsächlich immanent: Mache mehr Geld aus Geld. Und da die durchschnittlichen Renditen auf dem Finanzmarkt bei einem damals minimal eingeschätzten Risiko erheblich höher als die Renditen in der Realwirtschaft waren, war es klar, dass in die Finanzwirtschaft investiert wird.
Das ist sozusagen das Grundübel, und ich glaube, so lange es uns nicht gelingt, dieses Grundproblem zu lösen, werden uns die besten Regeln nicht davor schützen, in die nächste Krise zu gehen.
Ich habe das, glaube ich, im Jahre 2008 oder 2009 hier gesagt: Der Kapitalismus braucht eine regelmäßige Zerstörung seines eigenen Kapitals und Vermögens, um weiter existieren zu können. Ich halte das für eine dramatische Aussage. Das bedeutet nämlich nichts anderes als entweder Krieg, denn Krieg zerstört in enormem Maße Vermögen und ermöglicht einen Neuanfang, oder massive Armut durch andere Katastrophen. – Das will ich aber nicht!
Ich will das nicht, und ich spanne jetzt den Bogen
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